Bulimie: Völlern und darben

©panthermedia.net, Grischa Georgiew

Essanfall, dann selbst herbeigeführtes Erbrechen und fasten. Auf so ungesunde Art versuchen Menschen mit Ess-Brech-Sucht, ihr Gewicht zu regulieren.

Essen, Diät und Figur – um dieses Thema kreisen unentwegt die Gedanken aller Menschen mit Essstörungen. Die “Lösung“ zur Kontrolle des Körpergewichts sieht jedoch – abhängig davon ob es sich um eine Binge Eating Disorder (Essanfälle), Anorexie (Magersucht) oder Bulimie (Bulimia nervosa, Ess-Brech-Sucht) handelt – jeweils etwas anders aus, auch wenn die Essstörungen vieles gemeinsam haben.

Die Bulimie kennzeichnen wiederkehrende Heißhungerattacken, bei denen heimlich und anfallsartig große Mengen hochkalorischer Nahrungsmittel verschlungen werden. Dann folgt selbst induziertes Erbrechen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Vorwiegend Mädchen und junge Frauen, seltener auch Männer aus den westlichen Industrieländern betreiben diese gesundheitsschädliche, aber nicht in jedem Fall erfolgsträchtige Methode, ihr Gewicht zu halten oder es zu reduzieren, wobei die Essanfälle dem Abbau innerer Spannungen dienen.

Fließende Grenzen

Anorexie und Bulimie sind in vielem ähnlich und können auch ineinander übergehen: Ess-Brechsüchtige können magersüchtig werden und vice versa. Ihre eigentliche Ursache ist unbekannt. Seelische (z.B. unzureichendes Selbstwertgefühl) und gesellschaftliche (z.B. Schlankheitsideal) Faktoren spielen bei ihrer Entstehung eine Rolle. Die panische Angst vor dem Zunehmen führt zu ungesunden Maßnahmen, um einen Gewichtsverlust herbeizuführen (z.B. Gebrauch von Abführmitteln). Mit u.U. lebensbedrohlichen Folgen, z.B. weil infolge einer Störung im Wasser- und Salzhaushalt gefährliche Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden auftreten.

Typisch für die Bulimie ist: Heißhungerattacken machen regelmäßig alle Diätvorsätze zunichte und enden in wiederholten, heimlich stattfindenden Essorgien. Diese rufen Scham, Schuldgefühle und Angst vor einer Gewichtszunahme hervor – und den Wunsch, die exzessive Kalorienzufuhr rückgängig zu machen, indem die Nahrung schnell und möglichst vollständig wieder aus dem Körper entfernt wird. Hierzu dient selbst ausgelöstes Erbrechen (händisch, später auch reflexhaft) nach der Völlerei und/oder eine hochdosierte Abführmitteleinnahme. Längerfristig bedingen das ungewöhnliche Essverhalten und dessen “Korrekturmanöver“ häufig eine soziale Isolation, denn die Umwelt soll nichts davon mitbekommen.

Bulimiker nehmen nicht so radikal ab wie Anorektiker. Sie können normal- oder auch übergewichtig sein, denn die bei den Essanfällen verzehrten Riesenmengen an energiereichen (bis zu 10000 Kalorien oder mehr) Speisen kommen beim Brechmanöver bzw. dem Gebrauch von Abführmitteln nur teilweise wieder zum Vorschein. Der Rest wird verdaut und verwertet – und schlägt sich u.U. auf den Hüften nieder.

Gewichtsregulierung mit Nebenwirkungen

Häufiges Erbrechen führt zu einem Elektrolytmangel (Kalium!), der lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen und eine Nierenschädigung oder auch epileptische Anfälle auslösen kann. Außerdem kommt es zu schmerzhaften Reizungen der Speiseröhren- und Magenschleimhaut mit Entzündungen, ev. mit Blutungen und Narbenbildung, einer Vergrößerung der Speicheldrüsen (aufgedunsenes Aussehen, „Blasengel-Gesicht“) sowie u.U. Narben am Handrücken durch die manuelle Auslösung des Erbrechens. Die Einwirkung von Magensäure erzeugt charakteristische Zahnschäden. Der Wechsel von exzessiver Nahrungszufuhr und Fasten, v.a. aber ein Abführmittelmissbrauch ebnet den Boden für Verdauungsstörungen.

Neben den gesundheitsschädlichen Folgen können die enormen Lebensmittelmengen, die bei den Essanfällen verbraucht werden, auch wirtschaftliche Konsequenzen (z.B. Verschuldung) nach sich ziehen.

Schädliches Essverhalten “verlernen“

Da seelische Faktoren bei Esstörungen eine wesentliche Rolle spielen, sind in erster Linie psychohygienische Behandlungen (z.B. Verhaltens- oder Familientherapie) angesagt, die bei schwerem Leidensdruck auch stationär erfolgen können. Hilfreich wirken das Führen eines Ess-Tagebuchs, in dem – zur Bewusstmachung des selbstschädigenden Verhaltens – Essanfälle, Erbrechen und Diäten aufgezeichnet werden, außerdem Ernährungsanleitungen sowie Selbsthilfegruppen. Medikamente (z.B. bestimmte Antidepressiva) unterstützen die Eindämmung der Häufigkeit von Essanfällen.

 

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