Nebenschilddrüse: Wie sie den Kalziumhaushalt regelt

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Vier winzige Drüsen in der Halsregion haben eine ganz wichtige Aufgabe: Sie sorgen für die Bereitstellung von Kalzium, das für viele Stoffwechselvorgänge benötigt wird. Jede Abweichung wie ein Hyperparathyroidismus (Nebenschilddrüsen-Überfunktion) oder Hypoparathyroidismus (Nebenschilddrüsen-Unterfunktion) hat daher schwerwiegende Folgen.

Stoffwechsel – so nennt man das komplexe Zusammenspiel von Hormonen, Enzymen und anderen Substanzen, das den Auf- und Abbau von Geweben reguliert, die Verwertung, Ausscheidung und Speicherung von Nährstoffen, den Wasserhaushalt u.v.a.m. Schon allein der Mangel oder Überschuss einer einzigen Substanz genügt, um eine nachhaltige Stoffwechselstörung zu erzeugen. Zu den bekanntesten gehört der Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), dem ein absolutes oder relatives Defizit an Insulin zugrunde liegt. Es gibt aber noch andere Stoffwechselkrankheiten. Wie z.B. eine Über- (Hyperparathyroidismus) oder Unterfunktion (Hypoparathyreoidismus) der Nebenschilddrüse.

Klein, aber oho

Hinter der Schilddrüse (Thyreoidea) liegen vier kleine sogenannte Epithelkörperchen, die als Nebenschilddrüsen (Parathyreoidea) bezeichnet werden. Sie schütten Parathormon aus, das den Kalzium- und Phosphat-Haushalt regelt, wobei die Hauptaufgabe in der Aufrechterhaltung eines ausreichend hohen Kalziumspiegels im Blut besteht. Hierzu mobilisiert Parathormon bedarfsgerecht Kalzium aus den Knochen und fördert die Rückresorption von Kalzium in den Nieren. Die Regulierung des Kalziumhaushalts geschieht in Zusammenwirkung mit dem aus der Schilddrüse stammenden Calcitonin, das für eine Senkung des Kalziumspiegels sorgt. Kalzium ist an vielen Vorgängen im Organismus beteiligt. Daher führen Abweichungen vom normalen Kalziumspiegel zu schwerwiegenden Veränderungen.

Hyperparathyroidismus: primär oder sekundär

Eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen (Hyperparathyroidismus, HPT) hat ihre Ursache entweder in den Drüsen selbst (primärer Hyperparathyroidismus) oder in einer Erkrankung anderer Organe, auf die die Nebenschilddrüsen mit einer vermehrten Hormonproduktion reagieren (sekundärer Hyperparathyroidismus).

Ein primärer Hyperparathyroidismus (pHPT) beruht auf einer Funktionsstörung der Nebenschilddrüse, sodass sie unabhängig von der Kalziumkonzentration im Blut hohe Mengen von Parathormon erzeugt. Meistens liegt ihm ein Nebenschilddrüsenadenom (gutartiger hormonproduzierender Tumor) zugrunde, sehr selten auch ein Krebs der Parathyreoidea. Es kommt zu einer Erhöhung des Kalziumspiegels und damit zu Symptomen wie Magen-Darm-Beschwerden (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Appetitlosigkeit), Muskelschwäche, Bluthochdruck oder auch Herzrhythmusstörungen.

Ein sekundärer Hyperparathyroidismus ist das Ergebnis einer Hypokalzämie (erniedrigter Kalziumspiegel im Blut), wie sie bei bestimmen Erkrankungen – z.B. einer chronischen Niereninsuffizienz oder Malabsorption (gestörte Nährstoffaufnahme im Darm) – auftritt. Kompensatorisch liefern die Nebenschilddrüsen mehr Parathormon. Dieser Kreislauf wird noch verstärkt, indem die Grundkrankheit neben der Hypokalziämie auch einen erniedrigten Calcitriol-Spiegel (biologisch-aktives Vitamin D3) bedingt, was die PTH-Sekretion zusätzlich ankurbelt und eine Hyperplasie (Vergrößerung durch Zunahme der Zellzahl) aller Epithelkörperchen nach sich zieht. Vitamin D3 spielt eine wichtige Rolle bei der Kalzium-Aufnahme aus dem Darm und damit der Aufrechterhaltung eines adäquaten Kalziumspiegels. Auch ein Vitamin D-Mangel (häufig in den Wintermonaten, wenn es an für die Vitamin D-Synthese erforderlichem Sonnenlicht fehlt) allein kann daher trotz normaler Kalziumwerte zu einer Erhöhung des Parathormons führen.

Ein länger bestehender erhöhter Parathormon-Spiegel führt zu typischen Knochenveränderungen (Entkalkung, Knochenschmerzen, Spontanfrakturen), die – da die Ursache eines sekundären HPT häufig ein Nierenleiden ist – als renale (ren = Niere) Osteopathie bezeichnet werden. Eine chronische Niereninsuffizienz bewirkt zudem eine verminderte Ausscheidung von Phosphat, das mit Kalzium Komplexe bildet. Es kann zu einer Nephrokalzinose (Ablagerung von Kalziumsalzen in der Niere) kommen, die die Nierenfunktion weiter verschlechtert.
Es gibt auch einen paraneoplastischen (Begleiterscheinung eines Krebsleidens) Pseudohyperparathyreoidismus, der durch dem Parathormon ähnelnde Peptide (PTH related peptide) ausgelöst wird.

Nebenschilddrüsen-Überfunktion: Diagnose und Therapie

Kennzeichnend für den Hyperparathyroidismus sind erhöhte Parathormon-Werte im Blut. Nebenschilddrüsenadenome werden mit bildgebenden Verfahren wie einer Sonographie (Ultraschall) des Halses und einer Szintigraphie (radioaktive Markierung), ev. auch per Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) dargestellt.

Ein symptomatischer primärer Hyperparathyroidismus erfordert häufig eine Parathyreoidektomie (chirurgische Entfernung der dafür verantwortlichen Nebenschilddrüse). Wenn nicht, hilft reichliche Flüssigkeitszufuhr und die Einnahme von Vitamin D oder auch – zur Vorbeugung einer Osteoporose – die Gabe von Medikamenten (z.B. Bisphosphonate, Calcitonin). Bei einem sekundären Hyperparathyreoidismus steht die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund. Zudem Kontrollen (z.B. Knochendichtemessung) und ggf. Therapien der Folgeerscheinungen.

Hypoparathyreoidismus: Kalziummangel verursacht Krämpfe

Einer Nebenschilddrüsenunterfunktion liegt ein Mangel an Parathormon zugrunde, der eine Hypokalzämie (erniedrigter Kalziumspiegel im Blut), Hyperphosphatämie (erhöhter Phosphatspiegel) und einen erniedrigten Vitamin D-Spiegel bewirkt. Sie kommt entweder aufgrund einer erblichen Disposition (Unterentwicklung oder Fehlen der Drüse) zustande oder infolge äußerer Einwirkungen wie etwa eines chirurgischen Eingriffs (postoperativer Hypoparathyreoidismus) in der Halsregion, z.B. bei Schilddrüsenoperationen, wenn dabei ungewollt Epithelkörperchen zu Schaden kommen.

Eine ausgeprägte Hypokalzämie verursacht v.a. neurologische Symptome wie eine typische – Minuten bis Stunden anhaltende – Tetanie (Muskelkrämpfe), die hauptsächlich die Muskulatur des Gesichts und der Extremitäten betrifft. Daraus resultieren auffällige Verkrampfungen wie eine Pfötchenstellung der Hände, eine Spitzfußstellung oder eine Fischmaulstellung. Krämpfe an Darm oder Blase können Durchfall bzw. vermehrten Harndrang auslösen, Krämpfe der Atemmuskulatur Atemnot. Das Herz reagiert mit u.U. lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen (z.B. Bradykardie, Kammerarrhythmien). Zudem können ein generelles Kribbeln der Haut, Angst- und Verwirrtheitszustände, Reizbarkeit, Halluzinationen, demenzartige Symptome und depressive Verstimmungen auftreten.

Wird ein Hypoparathyreoidismus nicht bzw. unzureichend behandelt, entwickeln sich schließlich Schäden wie ein grauer Star der Augen, im Gehirn eine Verkalkung der Basalganglien und Gefäße sowie die Bildung von Pseudotumoren, Mineralisationsstörungen der Knochen, ev. auch eine verminderte Herzleistung oder epileptische Anfälle.

Nebenschilddrüsen-Unterfunktion: Diagnose und Therapie

Laborbestimmungen, die eine Hypokalzämie, Hyperphosphatämie und einen erniedrigten Parathormonspiegel ergeben, führen zur richtigen Diagnose. Noch vor deren Durchführung liefern entsprechende Beschwerden (v.a. die Tetanie) bzw. die Kenntnis einer vorangegangenen Operation im Halsbereich Hinweise auf ein Vorliegen der Stoffwechselstörung. Ob eine Bereitschaft für Krampfanfälle besteht, lässt sich durch Tests prüfen. Anzeichen für einen Hypoparathyreoidismus sind

  • das Chvostek-Zeichen: Ein Beklopfen des Gesichtsnervs vor dem Ohr löst Zuckungen der Gesichtsmuskulatur aus.
  • das Trousseau-Zeichen: Erfolgt – z.B. mit einer Blutdruckmanschette – eine Stauung am Oberarm, nimmt die Hand eine Pfötchenstellung ein.

Eine Tetanie bedarf einer Akuttherapie mit intravenöser Verabreichung von Kalzium. Die Langzeittherapie der chronischen Hypokalzämie besteht in einer sorgfältig gewählten Kombination aus Kalzium- und Vitamin D-Präparaten – unter laufenden Kontrollen der Elektrolytwerte. Zu hohe Kalziumgaben bergen nämlich das Risiko eines Hyperkalzämie-Syndroms (durch erhöhten Kalziumspiegel bedingte vermehrte Urinausscheidung mit hohem Flüssigkeitsverlust trotz Trinkens), das in einem Koma enden kann. Zur Regulierung der Hyperphosphatämie sind meist keine zusätzlichen Arzneien erforderlich, denn der Kalzium- und Phosphathaushalt hängen eng zusammen, sodass eine Normalisierung des Kalziumspiegels zu einer Normalisierung des Phosphatspiegels führt. Wenn nicht, schaffen phosphatbindende Mittel Abhilfe.

 

Links zu unserem Lexikon:
Laborwerte: Kalzium im Blut
Adipositas (Obesitas, Fettleibigkeit)
Diabetes mellitus Typ I
Diabetes mellitus Typ II
Gicht
Metabolisches Syndrom
Schilddrüsenunterfunktion
Schilddrüsenüberfunktion
Schilddrüsenüberfunktion (Morbus Basedow)