Mukoviszidose: oft zeigen Babys schon Symptome

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Wenn zäher Schleim die Lunge verklebt, dickes Sekret die Bauchspeicheldrüse verstopft und der Schweiß sehr salzig schmeckt, steckt dahinter meist eine Stoffwechselerkrankung genannt Mukoviszidose oder zystische Fibrose. Sie ist vererblich und unheilbar. Sie schränkt die Lebensqualität und Lebenserwartung ein. Beides steigt dank der modernen Medizin aber immer mehr an. Und auch kausale Therapien sind im Kommen. 

Millionen von Menschen sind Merkmalsträger eines bislang unheilbaren autosomal-rezessiv vererbbaren Gendefekts, der die häufigste angeborene Stoffwechselkrankheit der hellhäutigen Bevölkerung, genannt Mukoviszidose (zystische Fibrose, cystische Fibrose, CF) auslösen kann, die bei einem von 2.000 bis 3.000 Neugeborenen auftritt. Nämlich dann, wenn beide Elternteile, die selbst gesund erscheinen, diese Mutation aufweisen und sie an ihre Kinder (25% Risiko) weitergeben. Die kämpfen dann vor allem mit Atem- und Verdauungsproblemen, denn ihre Körpersekrete sind zähflüssiger als normal. Ausgefeilte Therapien können zwar die Krankheitsursache nicht beheben, verbessern jedoch die Lebensqualität und erhöhen die Lebenserwartung, die heute immerhin schon bei bis zu 40 Jahren liegt.

Gendefekt als Ursache

Verschiedene genetische Defekte (meist fehlt die Aminosäure Phenylalanin an Position 508) des CFTR-Gens am Chromosom 7 zeichnet für die Mukoviszidose (lat.: mucus = Schleim, viscidus = zäh, klebrig) verantwortlich. Damit die Erkrankung in Erscheinung tritt, müssen Vater und Mutter das veränderte Gen an ihren Nachwuchs vererben (= autosomal-rezessiver Erbgang). Gibt nur einer von beiden den Gendefekt weiter, wird das Kind ein gesunder Merkmalsträger, kann das kranke Gen aber an seine Nachfahren vererben.

Diese Genmutation bewirkt eine fehlerhafte Produktion des Proteins Cystic Fibrosis Transmembrane Regulator (CFTR) in der Zellmembran der Körperdrüsen, das als-Kanal für den Chloridtransport zwischen dem Zellinneren und -äußeren dient. Deshalb ändert sich die Zusammensetzung verschiedener Sekrete. So wird etwa der Schweiß stark salzhaltig. Der Schleim und die Verdauungssäfte nehmen eine zähflüssige, klebrige Konsistenz an, sodass sie nicht ungehindert abfließen können.

Art der Mutation bestimmt die Symptome

Die – meist bereits in der frühen Kindheit auftretenden – Krankheitszeichen gestalten sich unterschiedlich, denn sie hängen von der Art der Genveränderung (Mutation) ab, betreffen aber alle exokrinen Drüsen, im Besonderen die der Atemwege und des Verdauungstrakts, sodass es v.a. zu

  • chronischem Husten,
  • schweren Bronchitiden und Lungenentzündungen,
  • Verdauungsstörungen und Untergewicht

kommt.

Häufigster Schauplatz: die Atemwege

An den Atemwegen macht sich die Mukoviszidose so gut wie immer heftig bemerkbar. Dort führt sie zu chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen, einem dauerhaften, schweren Husten, häufig auch zu asthmatischen Beschwerden. Denn der vermehrte, zähflüssige Schleim verstopft die Bronchien. Das überfordert die Flimmerhärchen auf der Bronchialschleimhaut, die normalerweise an ihnen haften gebliebene eingeatmete Partikel (z.B. Keime) bis zum Rachen hochtransportieren, wo sie entfernt, d.h. abgehustet oder verschluckt werden.

Somit verbleiben auch diverse Arten von Bakterien – vorwiegend Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Haemophilus influenzae und Burkholderia cepacia, auch Proteus, Klebsiellen u.a. – in den Luftwegen, weil ihnen der Sekretstau dort einen idealen Nährboden bietet. Sie rufen wiederholt Infekte mit entzündlichen Prozessen (chronische Bronchitis, Lungenentzündungen) hervor, die das Lungengewebe schädigen und vernarben lassen. Zusätzlich erschwert das angestaute Sekret das Atmen. Letztlich kommt es zur Verengung und Zerstörung von Bronchien, zum Nachlassen der Lungenfunktion bis hin zur Lungenschwäche, Sauerstoffmangelversorgung und schließlich zum lebenslimitierenden Lungenversagen.

Meist mitbetroffen: der Verdauungstrakt

Recht häufig macht sich schon bald nach der Geburt die abnorme Viskosität der Verdauungssäfte von Neugeborenen mit CF bemerkbar: unverdaute Fruchtwasserbestandteile zusammen mit dem zähen Darmschleim führen zu einer Verklebung des Darms, d.h. einem Darmverschluss, sodass die Babys erbrechen, kein Mekonium (Kindspech: erster Stuhl eines Neugeborenen) absetzen und oft einen aufgeblähten Bauch haben. Ein solcher Mekoniumileus sollte immer an die Möglichkeit des Vorliegens einer zystischen Fibrose denken lassen. Er wird per Einlauf mit Kontrastmittel unter Röntgendurchleuchtung behandelt oder – wenn er so nicht zu beheben ist bzw. Komplikationen (z.B. eine Darmverschlingung oder -einstülpung) verursacht – per Operation.

Später führt die Abflussbehinderung des Bauchspeicheldrüsensekretes zu einer exokrinen Pankreasinsuffizienz (Funktionseinschränkung der Bauchspeicheldrüse), weil die in ihrem Sekret enthaltenen Verdauungsenzyme nicht in den Dünndarm gelangen, sodass die Nahrung nur unvollständig verwertet werden kann. Daher kommt es zu einer unzureichenden Nährstoffaufnahme und in der Folge zu Mangelerscheinungen (z.B. Vitamindefizit), Untergewicht, bei Kindern auch zu Wachstumsstörungen und schlechtem Gedeihen (gestörte Größen- und Gewichtsentwicklung). Zudem können Durchfälle, Verstopfung oder eine Steatorrhö (Fettstühle: massiger, hellglänzender, penetrant riechender Kot) auftreten. Infolge des Sekretstaus werden die Drüsenzellen der Bauchspeicheldrüse geschädigt und durch Bindegewebe ersetzt, was die Organfunktionen doppelt beeinträchtigt: einerseits werden zu wenig Verdauungsenzyme gebildet. Andererseits leidet die Insulinproduktion, sodass sich ein Diabetes einstellen kann.

Die zähe Gallenflüssigkeit kann einen Gallestau, ev. mit Ikterus (Gelbsucht), eine Gallensteinbildung, Leberentzündung und schließlich eine Leberzirrhose nach sich ziehen.

Begleiterscheinung: eingeschränkte Fruchtbarkeit

Bei den meisten Männern mit Mukoviszidose sind die Samenleiter verklebt oder fehlen von Geburt an, sodass die in den Hoden produzierten Samenzellen beim Samenerguss nicht ausgeworfen werden können. Die Spermien lassen sich jedoch u.U. für eine künstliche Befruchtung aus den Hoden gewinnen.

Bei Frauen mit Mukoviszidose ist der Schleim im Gebärmutterhals zäher als normal und erschwert so den Spermien, ihn zu durchdringen. Auch hier kann – bei Ausbleiben einer natürlichen Empfängnis – eine künstliche Befruchtung eine Option sein.

Weitere Auswirkungen

Mit fortschreitender CF können Nieren und Knochenleiden (z.B. Osteoporose) oder Komplikationen wie DIOS (distale intestinale Obstruktionssyndrome), ein Pneumothorax, Cor pulmonale (Rechtsherzschwäche), eine Bauchspeicheldrüsen- oder Gelenkentzündung u.a.m. hinzutreten.

Frühe Erkennung & Therapie – besserer Krankheitsverlauf

Da es sich bei der CF um eine häufige Erb- und Stoffwechselkrankheit handelt, wird hierzulande bereits bei Neugeborenen ein Screening-Test, d.h. eine Kapillarblutanalyse auf ein bei CF typischerweise erhöhtes immunreaktives Trypsin (IRT, Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse) durchgeführt. Denn umso früher eine Mukoviszidose erkannt und behandelt wird, desto günstiger gestaltet sich der Krankheitsverlauf, weil Fehlfunktionen therapeutisch eher ausgeglichen werden können. Der Test gilt als sehr verlässlich, bietet aber keine hundertprozentige Garantie für die Entdeckung der Erkrankung.

Daher gilt die Diagnose Mukoviszidose erst als gesichert, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden:

  • Es gibt mindestens einen diagnostischen Hinweis auf die Erkrankung, d.h.
    • ein positives Neugeborenen-Screening oder
    • Geschwister mit nachgewiesener Mukoviszidose oder
    • einen klinischen Hinweis auf die CF.
  • Es liegt ein Beleg über eine Funktionsstörung des CFTR-Kanals vor, d.h.
    • ein positiver Schweißtest (Pilocarpin-Iontophorese), d.h. eine erhöhte Kochsalzkonzentration im Schweiß in mindestens zwei unabhängigen Messungen (> 60 mmol/l bzw. bei Neugeborenen > 90 mmol/l Chlorid) oder
    • eine Veränderung in der nasalen (Nasenschleimhaut; NPD) oder intestinalen (Mastdarm; ICM) Potentialdifferenzmessung (Bestimmung der elektrischen Eigenschaften einer Gewebeprobe) oder
    • ein Nachweis der CFTR-Mutation in einer DNA-Analyse (Gentest). Das Erbgut eines noch ungeborenen Kindes im Fruchtwasser oder Mutterkuchen (Pränataldiagnostik) hinsichtlich einer möglichen CFTR-Mutation zu überprüfen macht nur Sinn, wenn es in seiner Familie bereits ein CF-Kind gibt oder ein Elternteil gesunder CF-Überträger ist.

Jedenfalls sind bei jedem klinischen Verdacht auf eine Mukoviszidose weitergehende Untersuchungen zu veranlassen, um das Vorliegen der Krankheit zu bestätigen und ihr Ausmaß festzustellen. Die Erkrankten benötigen lebenslang ärztliche Kontrollen mit je nach Symptomatik notwendigen Untersuchungen (z.B. Röntgen, Lungenfunktion) und – je nach deren Ergebnissen – entsprechenden Behandlungen.

Therapie: bislang nur Symptomlinderung möglich

Mukoviszidose ist nach wie vor unheilbar. Daher zielt die Behandlung ausschließlich auf die Bekämpfung der Krankheitszeichen (“symptomatische Therapie“) und Verbesserung der Lebensqualität ab. Außer bei Menschen mit einem bestimmten CFTR-Gendefekt (G551D-Mutation), für die es den Wirkstoff Ivacaftor gibt, der eine Aktivierung des Chloridkanals bewirkt. Für andere Gendefekte sind Arzneien zur Verbesserung der Kanalfunktion erst in Entwicklung. Auch eine etwaige Gentherapie, sprich Heilung des defekten Erbgutes, ist vorerst noch Zukunftsmusik.

Hauptanliegen der symptomatischen Behandlung sind

  • die Sekretmobilisation und -elimination, d.h. das Abhusten von Schleim mithilfe von Inhalationen (mit bronchienerweiternden und schleimlösenden Medikamente) und Physiotherapie (z.B. Klopfmassagen, autogene Drainage = Selbstreinigungstechnik der Atemwege, Atemtraining).
  • die Bekämpfung von Atemwegsinfektionen per frühzeitiger und gezielter Antibiotikagabe.
  • die Zufuhr einer fett- und kalorienreichen Kost sowie Verabreichung von Vitalstoffen.

Die Organfunktionen sollen so gut wie möglich erhalten, die Organzerstörung so weit wie möglich hintangehalten, ein Höchstmaß an Lebensqualität erzielt werden. Das wird unter anderem erreicht durch die Gabe von Verdauungsenzyme enthaltenden Medikamenten zu den Mahlzeiten, um die Beeinträchtigung der Bauchspeicheldrüse auszugleichen. Oder z.B. auch Ausdauersportarten wie Radfahren oder Walking, die die körperliche Belastbarkeit erhöhen und die Lunge stärken. Ist in fortgeschrittenem Erkrankungsstadium die Lunge stark geschädigt, kommen eine Sauerstofftherapie, Beatmung oder als letzter Ausweg eine Lungentransplantation zum Einsatz.

Bei frühzeitiger Diagnose und sorgfältiger Behandlung der Mukoviszidose lassen sich oft schwere Infektionen und Folgeschäden an Organen verhindern. Daher steigt zunehmend die Lebenserwartung der daran Erkrankten.

 

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