Fettstoffwechselstörungen: manchmal symptomlos, selten folgenlos 

© Maridav - stock.adobe.com

Übersteigt der Fettgehalt im Blut den Normalwert oder verschiebt sich die Zusammensetzung der Blutfette (Cholesterin, Triglyceride) aufgrund von Veränderungen des Fetttransports, der Fettverarbeitung, -herstellung oder -ausscheidung, spricht man von Fettstoffwechselstörungen. Als Ursache kommen erbliche Faktoren, ein ungesunder Lebensstil oder bestimmte Grunderkrankungen infrage. So oder so – die Auswirkungen sind mannigfaltig. 

Lipide (Fette) sind lebenswichtige Energielieferanten, die mit der Nahrung zugeführt (Triglyceride, Cholesterin) oder vom Organismus selbst hergestellt (Cholesterin) werden. Darüber hinaus dient z.B. das Cholesterin als Baustein der Zellwände und Nerven, zur Bildung von Vitamin D, Sexual-, Nebennierenhormonen (z.B. Cortison) und für die Fettverdauung sowie -ausscheidung notwendigen Gallensäuren. Um an ihre Wirkorte (v.a. Fett- und Muskelzellen) zu gelangen, werden die Lipide an Lipoproteine gebunden im Blut transportiert und sind daher in Blutproben nachweisbar. Beide können in ihrer Menge oder ihrem Aufbau von der Norm abweichen.

Anders, zu viel oder zu wenig

Für Veränderungen der Zusammensetzung der Blutfette kennt man den Begriff Dyslipidämie. Zu wenig Fett im Blut heißt im medizinischen Fachjargon Hypolipidämie. Zu viel Lipid(e) bezeichnet man als Hyperlipidämie, die in den Industrieländern bei über 40-Jährigen gehäuft vorkommt. Von ihr gibt es drei Arten:

  • die Hypercholesterinämie: nur das Cholesterin ist erhöht.
  • die Hypertriglyzeridämie: nur die Triglyceride sind erhöht.
  • die kombinierte Hyperlipidämie: sowohl das Cholesterin als auch die Triglyceride sind erhöht.

Dem Transport der hydrophoben (“wasserscheuen“) Lipide im Blut dienen die Lipoproteine (Chylomikronen, VLDL = very low-density lipoprotein, LDL, HDL), d.h. Komplexe aus Eiweißen (Apolipoproteinen), Cholesterin, Triglyceriden und Phospholipiden. Auch sie können in ihrer Menge oder Zusammensetzung verändert (Dyslipoproteinämie) sein, woraus Störungen resultieren wie

  • eine Hyperlipoproteinämie, d.h. Erhöhung von Lipoproteinen. Betrifft häufig das LDL (low-density lipoprotein), das Ablagerungen in den Blutgefäßen fördert (“schlechtes Cholesterin“).
  • eine Hypolipoptroteinämie, d.h. Erniedrigung von Lipoproteinen. Ist oft beim HDL (high-density lipoprotein) zu finden, das Cholesterin aus dem Gewebe zwecks Umwandlung zu im Darm ausscheidbaren Gallensäuren zur Leber transportiert und somit die Blutfettwerte senkt (“gutes Cholesterin“).
  • eine Dyslipoproteinämie, ein Ungleichgewicht von Lipoproteinen. Meist ist das LDL zu hoch und das HDL zu niedrig.

Ursachen von Fettstoffwechselstörungen

Veränderte Blutfettwerte sind entweder das Ergebnis primärer, d.h. hereditärer (angeborener) Lipidstoffwechselstörungen (z.B. familiäre Hypercholesterinämie, familiäre Hypertriglyzeridämie, familiäre Dysbetalipoproteinämie usw.). Oder eine Folge bzw. Begleiterscheinung sekundärer Lipidstoffwechselstörungen, d.h. von Zuständen oder Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes, Alkoholismus, Stress, Bewegungsarmut, Essstörungen, Lebererkrankungen (gestörte Bildung von Lipoproteinen), Nierenleiden (z.B. nephrotisches Syndrom: Verlust von Lipoproteinen über die Nieren), eines Gallerückstaus, einer Fehlernährung (fett- und kalorienreich, ballaststoffarm), Schilddrüsenunterfunktion oder Bauchspeicheldrüsenentzündung u.a.m.

Auch die Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Glucocorticoide, Anabolika, antiretrovirale Substanzen im Rahmen einer HIV-Therapie, harntreibende Substanzen, die “Pille“ etc.) kann die Blutfettwerte verändern.

Die primären Hyperlipoproteinämien werden anhand der Serumkonzentration des Gesamt-, LDL-, HDL-Cholesterins und der Triglyceride, der Farbe des Nüchternserums und des Ergebnisses der Gelelektrophorese laut Fredrickson-Klassifikation unterteilt in

  • Typ 1: Hyperchylomikronämie (seltene, autosomal rezessiv vererbte Erhöhung der von den Darmschleimhautzellen gebildeten, für den Transport von mit der Nahrung zugeführten Triglyzeriden zuständigen Lipide, d.h. Chylomikronen) mit Ablagerung von Lipiden in der Leber, Milz und Haut (Xanthome), jedoch ohne erhöhtes Arterioskleroserisiko.
  • Typ 2: Hypercholesterinämie (häufig, autosomal dominant vererbt): Typ 2a (familiäre Hypercholesterinämie, bei Homozygotie: massive, folgenreiche Arteriosklerose bereits in jungen Jahren): isolierte Erhöhung von LDL, Typ 2b (gemischte Hyperlipidämie): erhöhtes Cholesterin, leicht erhöhte Triglyceride.
  • Typ 3: Remnant-Hyperlipidämie (Broad-beta-Disease, sehr selten, autosomal dominant vererbt) mit erhöhten Gesamtcholesterin- und Triglyceridwerten sowie meist erniedrigtem HDL-Cholesterin und hohem Arterioskleroserisiko.
  • Typ 4: Hypertriglyceridämie (häufig, autosomal dominant vererbt) mit Oberbauchkoliken, erhöhtem Arterioskleroserisiko und Harnsäurespiegel, Übergewicht und Fettleber.
  • Typ 5: kombinierte Hyperlipidämie (endogen-exogene-Hypertriglyceridämie) mit Übergewicht, Fettleber, Leber- und Milzvergrößerung, Oberbauchkoliken, Hautxanthomen.

Wobei primäre Fettstoffwechselstörungen meist v.a. Cholesterinerhöhungen bewirken, sekundäre eher einen Triglyceridanstieg.

Gesundheitsgefahr Lipidstoffwechselstörungen

Lipidstoffwechselstörungen bedeuten einen hohen Risikofaktor für die Entwicklung einer Arteriosklerose mit allen ihren Folgen wie koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen potenziell tödlichen Herz-Kreislauferkrankungen. Außerdem können sie zu (gelb-orangen) Fettknötchen v.a. unter der Haut, an den Händen, Handgelenk- und Fußknöchelsehnen, Ohren, Augenlidern und am Gesäß sowie einem grau-gelblich-weißen Trübungsring in der Augenhornhaut führen. Eine starke Triglyceriderhöhung kann eine Leberverfettung, wiederholte Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Oberbauchschmerzen und Fetteinlagerungen um die Iris auslösen.

Hyperlipidämien und Dyslipoproteinämien verkürzen nachweislich die Lebenserwartung, während ein niedriges LDL und Gesamtcholesterin sowie hohes HDL das Risiko von Herzkranzgefäßerkrankungen senken.

Leider verursachen Fettstoffwechselstörungen oft über Jahre hinweg keine Symptome und machen sich erst nach langem Bestehen durch Folgeerkrankungen bemerkbar. Häufig werden veränderte Blutfettwerte nur zufällig bei routinemäßigen Laboruntersuchungen entdeckt.

Was heißt “zu hoch“?

Die Diagnose einer Fettstoffwechselstörung geschieht per Laboruntersuchung des Blutes. Dabei interessiert nicht nur die Höhe der Fette im Blut, sondern auch ihre Verteilung (Anteil von Chylomikronen, VLDL, LDL und HLDL zueinander). Getestet werden bei einer Routineüberprüfung das Gesamtcholesterin und HDL, beim vollständigen Blutfettstatus zusätzlich die Triglyceride. Aus diesen Werten lassen sich das LDL und VLDL errechnen. Wichtig ist das Verhältnis von LDL zu HDL, weshalb der Quotient von LDL zu HDL bestimmt wird, der unter 4 liegen sollte, weil andernfalls das Gefäßverkalkungsrisiko steigt.

Ab wann Blutfettwerte als erhöht gelten, hängt allerdings von den regional typischen Richtwerten ab, die beispielsweise in Asien niedriger angesetzt sind als in Europa. Und auch das Geschlecht wirkt sich auf die Blutfettwerte aus. So weisen etwa Männer einen schnelleren altersbedingten Cholesterinanstieg und geringeren HDL-Cholesterin-Anteil auf als Frauen (Östrogen schützt vor Gefäßverkalkungen).

Idealerweise finden sich folgende Werte im Nüchternblut:

  • Cholesterin < 200 mg/dl
  • Triglyceride < 150 mg/dl
  • HDL bei Frauen > 50 mg/dl, bei Männern > 40 mg/dl
  • LDL < 160 mg/dl, bei zusätzlichen Risikofaktoren 100 – 130 mg/dl

Andernfalls liegt eine Fettstoffwechselstörung vor. Die Bewertung des Blutfettspiegels und das Therapieziel richten sich jedoch auch nach etwaigen zusätzlichen Risikofaktoren wie bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Rauchen, Diabetes etc.

Wichtigste Maßnahme: Lebensstiländerungen

Da hauptsächlich ungesunde Verhaltensweisen für zu hohe Blutfette verantwortlich zeichnen, gilt es in erster Linie, diese nach Möglichkeit abzustellen. Das bedeutet etwa:

  • regelmäßige sportliche Aktivitäten
  • eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse und Ballaststoffen und einem Gesamtfettanteil von maximal 30 Prozent (möglichst ungesättigte Fettsäuren)
  • eine Mäßigung beim Koffein- und Alkoholkonsum
  • eine Gewichtsnormalisierung
  • bei Nikotinabusus eine Raucherentwöhnung
  • die Anwendung von Entspannungsmethoden zur Stressbewältigung

Sie sind aber auch bei angeborenen Fettstoffwechselstörungen sinnvoll und notwendig.

Zusätzlich stehen natürliche Mittel wie Magnesium, Knoblauch, Artischockenblätter, Phospholipide aus Sojabohnen, indische Flohsamenschalen, Omega-3-Fettsäuren und Fischkörperöl sowie eine Wirkstoffkombination aus Knoblauchölmazerat, Vitamin E und Lecithin zur Blutfettsenkung zur Verfügung, von denen man sich allerdings nicht zu viel erwarten darf.

Reichen konsequent eingehaltene Lebensstilmodifikationen nicht aus, um den Blutfettspiegel adäquat zu senken, kommen bestimmte Medikamente (“Lipidsenker“) – allein oder kombiniert – zum Einsatz:

  • Statine (HMG-CoA-Reduktasehemmer, Cholesterin-Synthese-Hemmer, z.B. Lovastatin, Simvastatin, Atorvastatin.): Cholesterin-, LDL-, VLDL und Triglyzeride senkend, vor Gefäßverkalkung schützend
  • Gallensäurebinder (Anionenaustauscherharze, Gallensäuren-Komplexbildner, z.B. Colestyramin): Cholesterin- und LDL-Senker, nicht anwendbar bei Triglyceriden >400 mg/dl, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (Aspirin, bestimmte Statine, Thyroxin, Cumarin, Digitalis, Vitamin C) bei gleichzeitiger Einnahme.
  • Fibrate (z.B. Fenofibrat, Gemfibrozil, Bezafibrat): senken Cholesterin, LDL, VLDL und Triglyceride, verstärken aber die Wirkung einiger Antidiabetika und Blutverdünner und dürfen nicht genommen werden bei Nierenschwäche, Lebererkrankungen oder Schwangerschaft.
  • Nicotinsäure (Niacin, Vitamin B3): Verminderung von Cholesterin, VLDL, Triglyceriden durch Hemmung der Freisetzung von freien Fettsäuren aus dem Fettgewebe.
  • Cholesterinaufnahmehemmer (Cholesterinabsorbationshemmer, z.B. Ezetimib).
  • Antiadiposita (z.B. Orlistat): verhindern einen Teil der Nahrungsfettaufnahme im Darm.

Besonders bei genetisch bedingt erhöhten Blutfettwerten kann auch eine Plasmapherese (Plasmaseparation, Lipidapherese, Blutwäsche) notwendig werden, ein Verfahren, bei dem vor allem bei schweren Cholesterinerhöhungen LDL und VLDL aus dem Blut gefiltert werden.