Cushing-Syndrom & Morbus Addison

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Stoffwechsel und Stressbewältigung funktionieren nur, wenn die Menge an bestimmten Nebennierenrinden-Hormonen, den Glukokortikoiden (z.B. Kortisol), stimmt. Jedes Zuviel oder Zuwenig hat ernste Folgen.

Stoffwechsel – so nennt man das komplexe Zusammenspiel von Hormonen, Enzymen und anderen Substanzen, das den Auf- und Abbau von Geweben reguliert, die Verwertung, Ausscheidung und Speicherung von Nährstoffen, den Wasserhaushalt u.v.a.m. Schon allein der Mangel oder Überschuss einer einzigen Substanz genügt, um eine nachhaltige Stoffwechselstörung zu erzeugen. Zu den bekanntesten gehört der Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), dem ein absolutes oder relatives Defizit an Insulin zugrunde liegt. Es gibt aber noch andere Stoffwechselkrankheiten. Wie z.B. das Cushing-Syndrom, das auf einem Überangebot an Glukokortikoiden (Nebennierenrinden-Hormonen) beruht oder der Morbus Addison, der auf dem Fehlen dieser Hormone basiert.

Glukokortikoide (Hauptvertreter: Kortisol) haben lebenswichtige Funktionen, denn sie beeinflussen den Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel, den Wasser- und Mineralhaushalt, das blutbildende System u.a.m. Ihre vorrangige Aufgabe besteht in der Anpassung des Stoffwechsels an diverse Stress-Situationen. Gesteuert wird ihre Ausschüttung durch das im Vorderlappen der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) gebildete ACTH (adrenocorticotropes Hormon), dessen Produktion wiederum das im Hypothalamus des Zwischenhirns erzeugte CRH (corticotropin releasing hormone) kontrolliert.

Cushing-Syndrom: Kortisol-Überangebot macht krank

Das Cushing-Syndrom (Hyperkortisolismus) kommt durch ein Überangebot an Glukokortikoiden zustande. Je nach Entstehungsart unterscheidet man dabei:

  • ein iatrogenes Cushing-Syndrom infolge einer Langzeiteinnahme hoher Dosen von Glukokortikoiden, z.B. zur Therapie von Asthma bronchiale oder chronisch entzündlichen Darmkrankheiten
  • ein zentrales bzw. hypothalamisch-hypophysäres Cushing-Syndrom (Morbus Cushing) durch eine Störung im Bereich des Zwischenhirns bzw. der Hirnanhangsdrüse wie z.B. eine Überproduktion von ACTH durch einen Hypophysentumor
  • ein adrenales Cushing-Syndrom infolge einer adrenalen Hyperplasie (Nebennierenrinden-Vergrößerung), die allgemein oder nodulär (knotig) sein kann oder aufgrund einer adrenalen Neoplasie (Nebennierenrinden-Tumor) gutartiger (Adenom) oder bösartiger (Karzinom) Natur
  • ein ektopes Cushing-Syndrom durch Bildung von ACTH bzw. CRH außerhalb der normalen Produktionsstätten, etwa paraneoplastisch (als Begleiterscheinung eines Krabsleidens wie z.B. bei kleinzelligem Bronchialkarzinom oder Bauchspeicheldrüsenkrebs)
  • ein Pseudo-Cushing-Syndrom (Cushingoid) als Nebeneffekt bei Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Alkoholismus oder Schädel-Hirn-Traumen
  • ein (seltenes) essensabhängiges Cushing-Syndrom, bei dem die Kortisol produzierenden Zellen der Nebennierenrinde Rezeptoren für das nach der Nahrungsaufnahme freigesetzte gastrointestinale Peptid (GIP) besitzen, was eine vermehrte Kortisol-Ausschüttung bewirkt

Hormonüberschuss mit Folgen

Der Hyperkortisolismus wirkt sich auf verschiedene Organsysteme aus. An der Haut fallen eine Atrophie (Verdünnung), Akne und ein Hirsutismus (vermehrte Behaarung durch androgenartige Wirkung), eine Purpura (kleinfleckige Blutungen in der Haut), Suffusionen (Blutunterlaufungen) und Hämatome (blaue Flecke), Striae distensae (Dehnungsstreifen infolge der Hautverdünnung, Striae rubrae) auf. Die Knochenmasse schwindet (Osteoporose), die Muskelmasse ebenso (Muskelschwäche), denn die im Muskeleiweiß enthaltenen Aminosäuren werden zur Gluconeogenese (Zucker-Bildung) herangezogen. Es kommt zu einem Hypogonadismus (Unterfunktion der Eierstöcke bzw. Hoden) mit Zyklusanomalien, einer Abnahme des sexuellen Verlangens und Potenzstörungen.

Aber auch Allgemeinsymptome treten auf wie eine Gewichtszunahme und typische Fettverteilung, d.h. Stammfettsucht (dicker Rumpf, dünne Arme und Beine), Büffelnacken (Fettansammlung zwischen den Schultern) und Vollmondgesicht, eine Plethora (Übermaß an Körperflüssigkeit), Kopfschmerzen, eine erhöhte Infektneigung, bei Kindern auch Wachstumsstörungen. Außerdem Stoffwechselveränderungen wie eine Erhöhung der Blutfette, die Entwicklung eines Diabetes mellitus (“Steroid-Diabetes“) oder eines Bluthochdrucks (mineralokortikoide Wirkung: vermehrte Natrium- und Wasser-Einbehaltung). Möglich sind auch Beeinträchtigungen der Stimmungslage wie Angststörungen oder Depressionen (endokrines Psychosyndrom).

Erkennung und Behandlung

Zur Diagnostik eines Cushing-Syndroms dienen eine Medikamenten-Anamnese, die Messung der Kortisolausscheidung im 24-Stunden-Urin bzw. Erstellung eines Kortisolspiegel- Tagesprofils, Hormon-Tests (z.B. Dexamethason-Hemmtest, ACTH-Test, CRH-Test) und bildgebende Verfahren (Ultraschall, Computer- oder Magnetresonanztomographie) der Nebennieren und Hypophyse. Kontrolliert werden zudem etwaige Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Knochendichtemessung).

Die Therapie richtet sich nach der Ursache des Hyperkortisolismus. Tumore der Hypophyse oder Nebennieren werden chirurgisch entfernt oder bei Inoperabilität bestrahlt. Bei einer adrenalen Hyperplasie erfolgt eine Adrenalektomie mit anschließender lebenslanger Hormonsubstitution (Glukokortikoidgabe). Beim iatrogenen Cushing-Syndrom wird, wenn möglich (Nutzen-Risiko-Abwägung), die Arzneidosis verringert. Eine medikamentöse (z.B. mit Ketoconazol, Octreotid) Blockade kann bei einem Nebennierenkrebs oder paraneoplastischem Cushing-Syndrom helfen.

Morbus Addison: lebensgefährlicher Hormonmangel

Diese lebensbedrohliche Krankheit beruht auf einem Ausfall der Rinde der am oberen Pol der Nieren aufliegenden Nebennieren (Unterfunktion der Nebennierenrinde, Hypokortisolismus, Nebennierenrindenversagen, Nebenniereninsuffizienz). Ihre Ursache liegt entweder in den Nebennieren selbst (primäre Nebenniereninsuffizienz, z.B. als Folge von Autoimmunprozessen, einer Infektion wie etwa Tuberkulose, einer Absiedelung von Metastasen, eines Infarkts der die Drüse versorgenden Gefäße oder eines Adrenogenitalen Syndroms). Oder in der die Hormonproduktion regulierenden Hypophyse bzw. dem Hypothalamus (sekundäre Nebenniereninsuffizienz). Auch ein zu abruptes Absetzen einer längeren Kortisontherapie kann durch Unterdrückung der ACTH-Produktion die Glukokortikoid-Erzeugung in den Nebennieren bremsen (tertiäre Nebenniereninsuffizienz).

Der Funktionsverlust der Nebennierenrinde äußert sich in einem Mangel an lebenswichtigen Hormonen, vor allem einem Defizit an Glukokortikoiden mit Beschwerden wie Schwäche, rasche Ermüdbarkeit, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust und Unterzuckerung. Bei einer primären Nebenniereninsuffizienz fehlt es auch an den Elektrolythaushalt regulierenden Mineralocorticoiden, v.a. Aldosteron, mit Symptomen wie einer Azidose (Übersäuerung), einem Blutdruckabfall mit Kollapsneigung, erniedrigten Natriumspiegel und typischen “Salzhunger“. Auf den Hormonmangel reagiert die Hirnanhangsdrüse mit einer gesteigerten ACTH-Sekretion, die – allerdings erfolglos – eine vermehrte Hormonausschüttung bewirken will. Ergebnis ist eine Hyperpigmentierung (Dünklerfärbung) der Haut, weil aus einer Vorstufe des ACTH auch MSH (Melanozyten-stimulierendes Hormon) entsteht, das die Pigmentbildung in der Haut anregt, weshalb die primäre Nebenniereninsuffizienz auch “brauner Addison“ oder “Bronzekrankheit“ heißt.

Stresssituationen wie z.B. Operationen, in denen der Organismus mehr Kortisol braucht, können zu einer lebensgefährlichen Entgleisung der Nebenniereninsuffizienz führen, die man Addison-Krise nennt. Sie äußert sich in einer Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma, Unterzuckerung, massiven Austrocknung, einem Herzjagen (schneller Puls), Blutdruckabfall bis hin zum Kreislauf-Schock und Bauchschmerzen (Pseudoperitonitis – harter Bauch wie bei einer Bauchfellentzündung).

Diagnostik und Therapie

Richtungsweisend für die Erkennung eines Morbus Addison sind Bestimmungen des Natrium-, Kalium- und Kortisolspiegels sowie Stimulationstests zur Überprüfung, ob die Nebennierenrinde auf eine ACTH-Gabe mit einer ordnungsgemäß vermehrten Kortisonproduktion reagiert. Suchtests fahnden nach Antikörpern, die bei Autoimmunprozessen (gegen körpereigene Strukturen gerichtete Abwehrreaktionen) die Nebenniere angreifen. Per Ultraschall werden Tumore der Nebennieren, per Kernspintomographie Veränderungen der Hypophyse/des Hypothalamus erkannt.

Da die Erkrankung auf einem Hormonmangel basiert, müssen die fehlenden Hormone zeitlebens medikamentös zugeführt werden (Hormonersatztherapie, Substitution). Zur Akutbehandlung einer Addison-Krise vor dem Eintreffen ärztlicher Hilfe (Rettung: 144) sollte immer ein Notfallset mit intramuskulär zu spritzenden Hydrokortison-Ampullen oder Kortison-Zäpfchen mitgeführt werden. Beseitigbare Ursachen eines M. Addison werden kausal (z.B. chirurgische Entfernung eines Tumors, Antibiotika-Gabe bei bakteriellen Infektionen) behandelt.

 

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