Amyloidose: Eiweiß als Verursacher diverser Symptome

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Chronische Entzündungen, bestimmte Erkrankungen des Immunsystems oder auch manche Gendefekte können Amyloidosen auslösen. Speicherkrankheiten, bei denen Protein-Ansammlungen Organfunktionen stören.

Lagern sich bestimmte Substanzen in unüblichen Mengen im Organismus ab und führen zu Funktionsstörungen diverser Organe, stecken sogenannte Thesaurismosen (Speicherkrankheiten; griech.: thesaurisma = Vorrat) dahinter. Je nach dem angesammelten Material unterscheidet man zwischen Glykogenosen (übermäßige Stärke-Speicherung), Mukopolysaccharidosen (Anhäufung von Mehrfachzuckern), Sphingolipidosen (Ansammlung fettartiger Stoffe), Hämosiderosen (Hämochromatosen; überfüllte Eisenspeicher) u.a.m. Es handelt sich dabei jeweils um Gruppen von Erkrankungen, denen in der Regel (meist autosomal-rezessiv) vererbte Defekte von Enzymen zugrunde liegen, die normalerweise am Ab- oder Umbau bestimmter Substanzen mitwirken, sodass es zu Stoffwechselstörungen kommt.

Eine spezielle Art von Thesaurismosen sind die Amyloidosen, denn sie basieren nicht auf Enzymdefekten, sondern auf Veränderungen körpereigener Eiweißstoffe. Die Krankheiten kommen durch lokale (örtliche) oder systemische (in mehreren Organen) Ablagerungen unlöslicher Protein-Fibrillen (kleine, dünne Eiweiß-Fasern) inner- oder außerhalb der Zellen zustande. Diese angestauten Proteine, genauer gesagt Protein-Polysaccharid (langkettiger Zucker)-Komplexe, nennt man Amyloid (amylon/amylum = Mehl bzw. Stärke), weil eine Zugabe von Iod eine Blaufärbung bewirkt, ähnlich der Iod-Stärke-Reaktion.

Vom Amyloid gibt es mehrere Arten, die sich per Immunhistochemie (z.B. Anfärbung von Zell- oder Gewebestrukturen mit an Antikörper gekoppelten Farbstoffen, z.B. Kongorot) unterscheiden lassen. Nach den beteiligten Eiweißstoffen – derzeit sind 20 bekannt – richtet sich die Einteilung der Amyloidosen (z.B. AA-, AL-, AK-, IAAP-Amyloidose). Sie sind häufig eine Begleiterscheinung bestimmter Krankheiten, seltener die Folge eines Fehlers im Erbgut oder entstehen auch ohne erkennbare Ursache (z.B. als sog. Altersamyloid).

Primär – sekundär – hereditär

Bei einer primären Amyloidose (AL-Amyloidose) liegt die Ursache in einer Fehlregulation des Immunsystems, wobei infolge einer Vermehrung bestimmter Knochenmarkszellen (meist Plasmazellen) bestimmte Teile von Immunglobulinen (Antikörper, Abwehrstoffe), die Leichtketten, in überschießenden Mengen produziert werden. Sie lagern sich in verschiedenen Organen (v.a. Nieren und Herz, aber auch Magen-Darm-Trakt, Leber, Milz, Nerven) außerhalb der Zellen als unlösliche Fibrillen, die zu einer vom Organismus kaum abbaubaren, amorphen Amyloidsubstanz verschmelzen, ab. Daher heißt diese in Industrieländern häufigste Amyloidose-Form Leichtketten-Amyloidose (AL-Amyloidose). Sie tritt z.B. bei gut- oder bösartigen monoklonalen Gammopathien (Veränderung von Blutplasma-Proteinen mit krankhafter Vermehrung eines einzelnen Immunglobulins) wie dem Morbus Waldenström, einer Art Leukämie, oder dem Plasmozytom (Multiples Myelom, Morbus Kahler), einem Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) auf.

Eine sekundäre Amyloidose (AA-Amyloidose) entwickelt sich auf der Basis einer langjährig bestehenden, chronischen Entzündung, wie etwa bei einer Rheumatoiden Arthritis, Colitis ulcerosa, einem Morbus Crohn, Morbus Bechterew, Kollagenosen oder Infektionskrankheiten (z.B. Tuberkulose). Hier entstehen die Protein-Fibrillen aus Amyloid A, dessen Vorstufe das Serum-Amyloid A (SAA) zu den Akute-Phase-Proteinen gehört, die bei den die Amyloidose auslösenden Erkrankungen dauerhaft oder zeitweise erhöht sind. Die AA-Amyloidose befällt vorwiegend Nieren und Darm, seltener Herz oder Blutgefäße.

Eine hereditäre (familiäre, erbliche) Amyloidose beruht auf einer genetisch bedingten Variation der Struktur eines körpereigenen Proteins, das dadurch unlöslich wird. Wie z.B. die autosomal dominant vererbbare ATTR-Amyloidose, die durch Veränderungen am Bluteiweiß namens Transthyretin, das in der Leber gebildet wird und für den Transport von Schilddrüsenhormonen und Vitamin A zu den Organen verantwortlich ist, zustande kommt. Andere hereditäre Amyloidosen betreffen Proteine wie das Apolipoprotein A1, Fibrinogen-Alpha, Gelsolin oder Lysozym. Das breite Spektrum an Symptomen erstreckt sich auf Organe wie Herz, Nieren, Nerven, Lunge, Augen und den Magen-Darm-Trakt. Der Ort des Gendefekts legt fest, in welchen Organen es zu Amyloidablagerungen kommt und in welchem Lebensalter. Manche erblichen Amyloidosen zeigen eine geographische Häufung (z.B. Finnland: Gelsolin-Amyloidose) bzw. ein ländertypisches Manifestationsalter (z.B. Schweden: Auftreten oft zw. dem 50. Und 70. Lebensjahr)

Was Amyloid bewirkt

Eingelagertes Amyloid stört Funktionen und Ernährung der Zellen und Organe und verursacht deshalb in Abhängigkeit vom jeweiligen Speicherorgan Symptome. So führt etwa eine Herzbeteiligung zu Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche mit Wasseransammlungen in den Beinen oder im Rippenfell (Pleuraerguss), Luftnot, körperlicher Schwäche und nächtlichem Harndrang. Die Nieren reagieren auf die Amyloidansammlung mit einer vermehrten Eiweißausscheidung, Wassereinlagerungen im Gewebe und einer Hypotonie (niedriger Blutdruck), der Magen-Darm-Trakt mit Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung und Gewichtsverlust, Leber und Milz mit einer Vergrößerung und nachfolgenden Oberbauchbeschwerden sowie einem Aszites (Wasseransammlung im Bauchraum). Eine Amyloidose des Nervensystems kann ein Kribbeln, Karpaltunnelsyndrom, Empfindungsstörungen an Händen und Füßen, stechende Schmerzen, Veränderungen der Schweißsekretion, Erektionsstörungen oder Schwindel erzeugen. Die Weichteile antworten auf die Anreicherung des Proteins mit Lymphknotenschwellungen, Muskelschwäche und –schmerzen, einer Makroglossie (Zungenvergrößerung) sowie Einblutungen in die Haut aufgrund einer Blutgerinnungsstörung mit verstärkter Blutungsneigung. Unbehandelt kommt es meist zum Fortschreiten der Amyloidosen.

Amyloidosen erkennen

Die Diagnose einer Amyloidose gestaltet sich oft recht schwierig und komplex. Die Basis bildet eine sorgfältige Erhebung der (familiären) Krankengeschichte und verschiedene Untersuchungen mit dem Ziel, Amyloid nachzuweisen und dessen Typ zu bestimmen.

Ob Amyloidablagerungen in einem Organ vorliegen, klärt eine Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) mit nachfolgender spezieller Färbung und mikroskopischer Begutachtung des Präparates (z.B. sogenannte Schinken- oder Sago-Milz) zur Bestimmung des Amyloid-Typs. Zudem erlaubt die Erhebung des Verteilungsmusters des Amyloids Rückschlüsse auf die vorliegende Amyloidoseform.

Bei Verdacht auf eine hereditäre Amyloidose verhilft ein Nachweis des Gendefekts zur Feststellung der damit verbundenen Erkrankung.

Amyloidosen behandeln

Die Therapie richtet sich nach der Form der Amyloidose und beinhaltet auch Maßnahmen zur Abmilderung von Folgen des Organbefalls (z.B. Einsetzen eines Herzschrittmachers bei bestimmten Rhythmusstörungen, Gabe von ACE-Hemmern bei Eiweißausscheidung im Harn).

Bei einer AL-Amyloidose liegt das primäre Ziel in der Behandlung der zugrunde liegenden Knochenmarkserkrankung mit Hilfe einer Chemotherapie, meist in Kombination mit Cortison, um die Vermehrung von Amyloid zu vermindern, ev. auch inklusive Transplantation autologer (körpereigener) oder allogener (von einem Spender) Stammzellen.

Die Behandlung einer AA-Amyloidose richtet sich nach der Grunderkrankung (z.B. Antibiotika bei bakteriellen Infektionen, Kortison gegen chronische Entzündungen) und dem/den betroffenen Organ(en) mit dem Bestreben, klinische Schübe zu unterdrücken und den CRP-Wert im Normbereich zu halten.

Bei hereditären Amyloidosen hilft eine frühzeitige Lebertransplantation, um die Neubildung von Amyloid zu verhindern, sofern das verursachende Protein vorwiegend in der Leber gebildet wird (z.B. bei Transthyretin-, Apoliprotein-A1- und Fibrinogen-α-Amyloidosen).

 

 

Links zu unserem Lexikon:
Klassifikation der Amyloidosen 
Wilsonsche Erkrankung (Kupferspeicherstörung) 
Hämochromatose (Hämosiderose, Eisenspeicherkrankheit)