Altersgerechter Arbeitsplatz: Garant für gesunde Leistung

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Der Arbeitswelt steht eine gravierende Veränderung bevor, auf die sie bislang kaum vorbereitet ist: Der kommende Mangel an Nachwuchskräften wird die Lebensarbeitszeit und damit das Alter der Belegschaften steigen lassen. Deshalb ist es nun höchste Zeit, sich über altersgerechte Arbeitsplätze Gedanken zu machen.

Die Überalterung unserer Gesellschaft ist unaufhaltsam im Gange. Systemerhaltende Nachwuchskräfte werden aufgrund schwacher Geburtenjahrgänge Mangelware. Das Pensionssystem ächzt. Über eine Anhebung des gesetzlichen Rentenantrittsalters wird deshalb immer wieder laut nachgedacht. Trotzdem füllt die Generation 50+ zunehmend die Arbeitsämter (Anstieg der Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe um mehr als 23 Prozent laut Monatsbericht zur Arbeitsmarktlage Ende Juni 2014 des Arbeitsmarktservice Österreich). Das trifft längst nicht mehr lediglich ungelernte oder nur gering qualifizierte Kräfte. Warum ausgerechnet diejenigen Arbeitnehmer von Firmen vermehrt freigesetzt werden, die sich über Jahre und Jahrzehnte bewährt haben, darüber darf frei spekuliert werden.

Fest steht jedenfalls, dass der berühmt-berüchtigte demographische Wandel dazu führen wird, dass auf lange Sicht die Wirtschaft nicht auf die erfahrenen Mitarbeiter wird verzichten können. Die “Best Ager“ sind also im Kommen. Damit dem Arbeitsmarkt endlich bewusst wird, welch enormes Potenzial beim Verzicht auf diese versierten Arbeitnehmer brach liegt, muss zunächst aber mit einigen falschen Vorstellungen aufgeräumt werden.

Vorurteil & Wahrheit

Zum Thema Senioren halten sich hartnäckig einige Vorurteile, die sich bei näherem Hinsehen entweder kaum bewahrheiten oder sogar im Gegensatz zur Realität stehen. Das hervorstechendste davon lautet: Altern ist gleichbedeutend mit verminderter Leistungsfähigkeit.

Das mag zutreffen, geht es um die Körperkraft, die mit fortschreitenden Jahren schwindet, oder das Reaktionsvermögen, das mit der Zeit nachlässt. Doch der Rückgang an diesen beiden Fähigkeiten, die in vielen Jobs ohnehin nicht von vorrangiger Bedeutung sind, wird durchaus mehr als wettgemacht durch Fertigkeiten, die sich ältere Arbeitnehmer im Laufe ihres langen Berufslebens angeeignet haben. Zu diesen wertvollen Qualifikationen gehören u.a. Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, soziale Kompetenzen, Umsicht, Geduld, Urteilsvermögen sowie die Entwicklung von Strategien, mit geringerem Aufwand zu ebenbürtigen Erfolgen zu kommen. Vor allem aber zwei unverzichtbare Eigenschaften, über die junge Menschen naturgemäß nicht verfügen können: Erfahrung und Praxis (z.B. Marktkenntnisse, Kundenkontakte, interne Betriebsabläufe).

Es findet also vielmehr ein Leistungswandel statt als ein Leistungsabbau. Das zeigen zahlreiche Studien, in denen Forscher das Leistungsspektrum der Golden Ager untersucht haben.

Dass ältere Arbeitnehmer bei den meisten im Berufsleben gefragten Eigenschaften (z.B. Arbeitsmoral und -disziplin, Qualitätsbewusstsein, Loyalität, Teamfähigkeit, psychische Belastbarkeit, theoretisches Wissen, Kreativität) mit jüngeren gleichauf liegen, das sehen auch viele Personalchefs so, zeigt eine Untersuchung. Lediglich in puncto Flexibilität, Lernbereitschaft und -fähigkeit, v.a. aber körperliche Leistungsfähigkeit betrachtet ein Teil der Führungskräfte jüngere Arbeitnehmer als fitter. Im Bereich Erfahrungswissen haben – wenig verwunderlich – ältere Mitarbeiter in der Bewertung die Nase vorn.

Besonderheiten älterer Arbeitnehmer

Unbestreitbar führt der Alterungsprozess zu Abbauvorgängen der körperlichen Leistungsfähigkeit bzw. zur Verschlechterung einiger Körperfunktionen wie etwa einer Beeinträchtigung des Seh- und Hörvermögens. Der Großteil dieser physischen Einbußen lässt sich aber “technisch“ beheben. Entweder medizinisch (z.B. Sehbehelfe wie Brillen oder Kontaktlinsen, Hörgeräte) oder durch entsprechende Gestaltung von Arbeitsplätzen (z.B. Verstärkung der Beleuchtung, korrektes Heben und Tragen).

Schwieriger entgegenzutreten ist der gängigen Unternehmenskultur, die Arbeitnehmer jenseits des 50. Lebensjahres wenig wertschätzt und Frühverrentungsbegehren bislang nur allzu willfährig Vorschub geleistet hat. Wenig verwunderlich, dass in einem solchen Klima tätige Senioren verstärkt mit einem Phänomen kämpfen, das auch bei vielen jüngeren Beschäftigten längst Einzug gehalten haben: das Gefühl permanenter Überlastung, Unzufriedenheit und Unlust bis hin zum “Dienst nach Vorschrift“ und zur “inneren Kündigung“, zeigen regelmäßige Umfragen eines Meinungsforschungsinstitutes.

Zukunftsmusik: altersgerechter Arbeitsplatz

Was Befragungen auch zutage bringen ist, dass es kaum Betriebe gibt, die in ihren Planungen den kommenden demographischen Wandel berücksichtigen, geschweige denn altersgerechte Arbeitsplätze schaffen. Ein Versäumnis, das sich rächen wird, geschieht hier nicht bald ein Umdenken. Denn auch wenn Senioren durchaus fähig sind, im Arbeitsprozess zu bestehen, benötigen sie doch – wenigstens zum Teil – spezielle Bedingungen. Wie aber sieht ein solcher auf die Entwicklungsmöglichkeiten und Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer abgestimmter Arbeitsplatz aus? Er sollte folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Es herrscht ein Betriebsklima der Wertschätzung und zwar unabhängig vom Alter. Mit Jüngeren wird in kollegialer Atmosphäre zusammengearbeitet.
  • Die Tätigkeit muss als sinnvoll erlebt werden, geistig herausfordernd und an die individuellen Leistungsvoraussetzungen angepasst sein. Vorrangig gefragt ist dabei Erfahrungswissen (ideale Beschäftigungsfelder: Planung, Arbeitsvorbereitung oder Qualitätskontrolle).
  • Es existieren flexible (individuelle) Arbeitszeitmodelle, die in Anspruch genommen werden können bzw. erlauben die Arbeitsaufgaben eine zeitlich flexible Erledigung.
  • Das Unternehmen fördert Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen auch für ältere Arbeitnehmer.
  • Die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz werden altersgemäß angepasst, d.h. desto höher das Alter, desto höher die Beleuchtungsintensität.
  • Die Pausengestaltung folgt den Arbeitsanforderungen. Regelmäßige Entspannungsübungen während der Schicht werden angeboten.

Besonders wichtig zur Erhaltung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit ab dem 50. Lebensjahr ist aber, wie Forschungsergebnisse zeigen, ein gutes Führungsverhalten der Vorgesetzten, d.h. eine positive Einstellung gegenüber dem Alter, Kooperationsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit und  Weitsicht zur individuellen Arbeitsplanung.

Generell belastende, vor allem mit fortschreitendem Alter sich gesundheitlich ungünstig auswirkende und deshalb als “alterskritische Anforderungen“ bezeichnete Arbeitsbedingungen sind hingegen:

  • körperlich anstrengende Tätigkeiten (z.B. Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen)
  • eine gesundheitsschädliche Arbeitsumgebung (z.B. Hitze, Lärm, schlechte Beleuchtung)
  • hohe und/oder starre Leistungsvorgaben (z.B. Akkordarbeit, Zeitdruck)
  • Schicht- und Nachtarbeit
  • hohe psychische Belastungen (Daueraufmerksamkeit, Stress)

Nicht alles davon ist (restlos) vermeidbar. Was aber durchaus möglich ist, auch wenn man vor allem auf die körperliche Konstitution älterer Arbeitnehmer hin und wieder Rücksicht nehmen muss:  Die meisten Arbeitsplätze lassen sich altersgerecht gestalten. Das motiviert die älteren Mitarbeiter. Davon profitiert der gesamte Betrieb.

Weiter führende Links:
Arbeit & Alter
Ältere Arbeitnehmer
Studie: Geistige Leistungsfähigkeit im Alter  
Studie: Erfahrung rechnet sich 

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