Piercings: Körperschmuck mit Gesundheitsrisiko

© panthermedia.net / Jürgen Fälchle

Ein Ring im Bauchnabel, ein Stecker in der Zunge – Piercings haben vor allem bei jungen Menschen Hochsaison. Der modische Blickfang birgt jedoch so manche Gesundheitsgefahr, die ihrem Träger oft nicht bewusst ist. Ein paar Vorsichtsmaßnahmen können das Risiko unerwünschter Folgen aber minimieren.

Ringe, Perlen, Kettchen u.a.m. am Bauchnabel, an der Augenbraue, Lippe, Zunge oder auch anderen Körperteilen erfüllen schon längst nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck, den ihnen Punks in den Siebzigern zuteilten: zu schockieren (Body Modification wie Tattoos oder Piercings als Ausdruck einer Rebellion gegen das Establishment). Inzwischen werden Piercings (engl.: to pierce = durchstechen, durchbohren) zunehmend als Körperschmuck geschätzt und gehören auch hierzulande zum Alltagsbild. Was die beliebten modischen Accessoires kaum verraten: dass sie gerne Komplikationen verursachen, die manchmal sogar Krankenhausaufenthalte erforderlich machen oder – wenn auch nur in Ausnahmefällen – tödlich enden.

Welche Komplikationen können auftreten?

Schwellungen, kleine Blutungen und lokale Entzündungen gleich nach dem Eingriff zählen zu den häufigen und meist vorübergehenden Beschwerden von Piercings. Entzündete durchstochene Stellen bergen das Risiko, dass Keime (Viren, Bakterien, Pilze) in den Körper gelangen. Solche Infektionen können sich auf ihren Eindringort beschränken. Oder sich im Organismus ausbreiten und zu Entzündungen und Funktionsstörungen innerer Organe (z.B. Leber: Hepatitis) führen.

Auch allergische Reaktionen auf ein Piercing treten oft auf. Vor allem dann, wenn in dem Schmuckstück einer der häufigsten Auslöser von Kontaktallergien, nämlich Nickel, enthalten ist. Die Haut rötet sich, juckt und bildet Bläschen. Dann muss das Piercing gleich wieder raus.

Weitere mögliche unerwünschte Folgen sind Gefäß-, Zahn- (z.B. bei Lippenpiercings) oder Nervenschäden bis hin zu Lähmungen (z.B. bei Zungenpiercings). In seltenen Fällen auch Keloide (überschießende Narbenbildungen). Das macht die sofortige Entfernung des Schmuckstücks nötig.

Auch wenn ein Piercing eingeheilt ist, kann es noch Probleme bereiten, etwa wenn die Kleidung daran reibt, der Träger des Körperschmucks gern daran herumnestelt oder damit irgendwo hängenbleibt.

Wann kommt es zu Gesundheitsrisiken?

Ob es zu gesundheitlich negativen Folgen nach dem Piercen kommt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.

Risikofaktor Nr. 1: gepiercte Körperstelle

Das Wo entscheidet oft schon, ob und welche Probleme zu erwarten sind. So gilt z.B. das weit verbreitete Ohrringe Stechen, sprich Ohrläppchenpiercing (Lobes), als kaum komplikationsträchtig. Nicht weit davon, nämlich im Ohrknorpelbereich gesetzte Piercings hingegen ziehen, da der Knorpel über keine eigenen Blutgefäße verfügt, häufig folgenschwere Infektionen nach sich, die sich schlimmstenfalls in Richtung Gehirn ausbreiten können. Vor allem dann, wenn mit einer sogenannten Ohrpistole (dient sonst zur Ohrmarkierung von Schweinen und Kälbern) gearbeitet wird, die einen für den menschlichen Ohrknorpel zu hohen Druck erzeugt, sodass der Ohrknorpel absterben kann.

Als besonders problembehaftet gelten Zungenpiercings, denn die Mundschleimhaut ist alles andere als keimfrei. So können dort ansässige Bakterien in den Zungenmuskel eindringen und schlimme Abszesse bis hin zu einer Sepsis (“Blutvergiftung“) verursachen. Oder die Zunge schwillt nach dem Stechen derart an, dass daraus eine Einengung der Atemwege resultiert, die auch dem Notarzt Schwierigkeiten (beim Beatmen bzw. Intubieren) bereitet.

Ebenso gehen Intimpiercings oft mit Beschwerden einher wie z.B. Harnwegsinfekten, die bis zu einer Beteiligung der Nieren gehen können. Nabelpiercings wiederum entzünden und infizieren sich schnell, weil die meist enge Kleidung in dem Bereich keine ausreichende Luftzirkulation zulässt, sodass sich dort Feuchtigkeit (z.B. Schweiß) ansammelt, die einen idealen Nährboden für Bakterien bildet.

Darüber hinaus hängt die Heilungszeit vom Ort des Piercings ab. So beträgt sie z.B. an den Augenbrauen sechs bis acht Wochen, an den Lippen zwei bis drei Monate, an den Brustwarzen bis zu 32 Wochen und am Bauchnabel bis zu einem Jahr.

Risikofaktor Nr. 2: Umstände beim Piercen

Je besser die hygienischen Bedingungen beim Stechen, je erfahrener der Piercer und je sorgfältiger die Pflege der beim Piercen entstandenen Wunde, desto geringer ist das Risiko für die Entwicklung von Komplikationen. Bei der Suche nach einem seriösen Piercing-Studio sollte die Auswahl auf einen Betrieb fallen, der bei der Österreichischen Wirtschaftskammer gemeldet ist und bei dem der Name auf dem Gewerbeschein mit dem des Piercers übereinstimmt.

Letzterer sollte seine Kunden umfassend über mögliche Risiken und Spätfolgen sowie die Versorgung der Stichwunde und Pflege des Piercings aufklären, sie nach Allergien und Krankheiten fragen, bei der Auswahl des Materials und Schmucks beraten und vor dem Stechen ein schriftliches Einverständnis (bei Minderjährigen die schriftliche Zustimmung der Eltern) verlangen. Außerdem sein Handwerk in einem separaten, sauberen Raum mit Waschbecken, Seifen- und Desinfektionsmittelspender sowie Einmalhandtüchern ausüben, bei jedem Kunden seine Hände desinfizieren, ein neues Paar sterile Handschuhe anziehen und nur keimfrei verpackte Materialien verwenden. Vor dem Setzen des Piercings muss die zu behandelnde Hautstelle gereinigt und desinfiziert, danach die Wunde gereinigt, desinfiziert und mit einem sterilen Verband versorgt werden, um einen guten Heilungsverlauf zu gewährleisten. In bestimmten Fällen empfiehlt es sich, die Stichstelle beim Heilen mit einem Pflaster zu schützen.

Risikofaktor Nr. 3: verwendete Schmuckmaterialien

Piercings bestehen oft aus unedlen Metallen oder sind mit Kobalt, Chrom oder Nickel verunreinigt. Sie können Kontaktallergien auslösen. Piercings in der Mundregion können die Metalle absondern, sodass sie über den Speichel in den Körper gelangen. Mit diesen Metallen verschmutzte Gesichtspiercings bedeuten u.U. eine Gefahr fürs Augenlicht, denn Spuren davon finden sich in der Tränenflüssigkeit und können über sie ins Augeninnere kommen. Besonders gefährdet sind für Augeninfektionen ohnehin anfälligere Kontaktlinsenträger. Sie sollten die Linsen nach dem Durchstechen zumindest so lange nicht tragen, bis die Wunden abgeheilt sind. Empfehlenswerte hochwertige Materialien für Piercings sind Gold, Titan oder Platin hoher Reinheit.

Probleme bei der Heilung können auch auftreten, wenn der gewählte Schmuck sich nicht für das durchgeführte Piercing eignet. Ist er zu dünn oder zu schwer, stößt ihn womöglich der Körper ähnlich wie einen eingezogenen Fremdkörper ab, wodurch sich die Stelle entzündet. Besitzt der Schmuck einen zu kleinen Durchmesser, kann er die Blutversorgung an seinem Sitz abschnüren und so Schwellungen und Schmerzen verursachen.

Risikofaktor Nr. 4: bestehende Erkrankungen

Menschen mit bestimmten Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Störungen des Immunsystems oder erhöhter Blutungsneigung sollten sich ein Piercing gut überlegen oder besser noch darauf verzichten, denn sie laborieren oft an Wundheilungsproblemen und einer erhöhten Neigung zu Entzündungen. Bei Geschlechtskrankheiten sollte kein Intimschmuck angebracht werden.

Risikofaktor Nr. 5: vernachlässigte Pflege

Die Abheilung eines Piercing-Stichkanals kann bis zu einem Jahr dauern. Während dieser Zeit ist konsequente Hygiene mit Wasser, milder Seife und Desinfektionsmittel angesagt, um unangenehme und verhinderbare Komplikationen zu vermeiden. Bevor der Stichkanal eines Piercings abgeheilt ist, sollte man den Schmuck nicht selbstständig öffnen, entfernen oder wechseln und ihn nur mit desinfizierten Fingern berühren. Intimpiercings mit geeigneten Spülungen reinigen und sexuelle Enthaltsamkeit für mindestens zwei bis drei Wochen üben.

In dieser Phase sind Schwimmbad-, Solariums-, Dampfbad- und Saunabesuche tabu. Da Schweiß die Wunde reizen kann, nach schweißtreibenden Tätigkeiten wie z.B. Sport gründlich duschen. Außerdem auf saubere Kleidung und Bettwäsche achten bzw. sie öfter wechseln. Bei einem Bauchnabelpiercing keine engen Kleidungsstücke wählen.

Vor allem bei Gesichts- oder Ohrpiercings ist der Kontakt mit Kosmetika (z.B. Make up, Haarspray) zu vermeiden, etwa durch Abdecken des Schmucks. Zudem sollten Brillen und Telefonhörer bzw. Handys regelmäßig gereinigt werden.

Bei Piercings in der Mundregion in der Abheilphase die Mundhöhle mehrmals täglich (nach jeder Nahrungszufuhr) gründlich reinigen und spülen (Kamille oder medizinische Mundspüllösungen). Auf Alkohol, Zigaretten, scharfe oder sehr salzige Lebensmittel, Küssen und Oralsex verzichten. Außerdem täglich den Sitz des Piercings prüfen. Ist er zu locker, kann sich das Schmuckstück lösen und verschluckt werden.

Doch auch nach der Heilung darf die Pflege der gepiercten Stellen nicht vernachlässigt werden. D.h. sie müssen gesäubert und von abgestorbenen Hautzellen, Talg und Schweiß befreit werden. Seifenreste danach abspülen, ev. Verkrustungen mit Salzwasser lösen. Ebenso ist die regelmäßige Reinigung der zu diesem Zweck herausgenommenen Schmuckstücke notwendig. Beim Sport zum Schutz am besten alle Piercings herausnehmen oder überkleben.

Treten Beschwerden auf, ist es ratsam, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

 

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