Animal-Hoarding: Tierquälerei aus Seelennot

Animal Hoarders sammeln lebendige Tiere wie Messies tote Gegenstände. Zu deren Leidwesen, denn die bedauernswerten Geschöpfe dienen hauptsächlich der Bewältigung seelischer Probleme ihrer Besitzer und erhalten kaum die notwendige Fürsorge. So führt Tierhortung (Animal-Hoarding, Tiersammelsucht) zu Tierquälerei wider Willen.
Animal Hoarders sind Messies der besonderen Art. Sie sammeln keine Zeitschriften oder Kleider, sondern Tiere. Der oft schockierende Zustand der Vierbeiner oder Piepmätze beweist es: Tierliebe ist hier nicht am Werk, obwohl ihre Halter das oft meinen. Denn spätestens wenn die Menge an Tieren es unwahrscheinlich macht, dass ihr Besitzer jedes einzelne kennt, regieren Chaos und Elend.
Wer ist ein Animal-Hoarder?
Früher war Tierhorten lediglich ein gelegentlich entdecktes Phänomen in der Landwirtschaft, wenn ein Bauer z.B. krankheitsbedingt sein Vieh nicht mehr ordnungsgemäß versorgen konnte, sodass es verwahrloste oder auch sich unkontrolliert vermehrte. Heutzutage hat das Problem in private Haushalte Einzug gehalten. Dort, wo Tiere als Familienmitglieder betrachtet werden und – vor allem bei Alleinlebenden – emotionale Bedürfnisse (z.B. jemanden brauchen, um den man sich kümmern kann) stillen sollen. Ein typischer Animal Hoarder ist demnach weiblich, Single, mittleren Alters und nicht (mehr) berufstätig. Je nach Beweggrund für die Beherbergung vieler Tiere lassen sich drei Typen von Animal Hoardern unterscheiden: Pfleger, Retter und Züchter.
- Der Pfleger-Typ hat ein Naheverhältnis zu seinen Tieren, die bei ihm oft einen höheren Stellenwert genießen als Menschen. Er sammelt sie nicht aktiv, kann aber schwer nein sagen, wenn welche bei ihm landen (z.B. abgegeben werden) und unternimmt nichts gegen deren unkontrollierte Vermehrung. So wächst die Zahl der Tiere und damit dem Halter die Problematik über den Kopf. Er lebt sehr zurückgezogen, ist sozial isoliert und verkommt schließlich mit seinen Tieren.
- Der Retter-Typ besitzt ebenfalls Ambitionen, Tieren Gutes zu tun, fahndet aber aktiv nach notleidenden oder heimatlosen Tieren. Mit missionarischem Eifer “erlöst“ er diese aus z.B. Schlachthöfen usw. In der Meinung, nur bei ihm hätten sie es gut. Er sieht ihre Befreiung als persönliche Aufgabe und lehnt die Tötung von – auch schwerkranken – Tieren ab. Leben die “erretteten“ Tiere dann schließlich bei ihm, kümmert sich der vermeintliche Tierschützer wenig um sie und nimmt daher auch nicht wahr, wenn sie erkranken oder verwildern. Er zeigt keine Einsicht für die Problematik und verweigert oft auch behördlichen Zutritt.
- Ganz anders der Züchter-Typ. Für ihn stehen primär kommerzielle Interessen im Vordergrund. Daher züchtet er daheim Tiere, ohne dafür eine geeignete Infrastruktur zu besitzen und bietet sie an. Kann er sie dann nicht verkaufen und/oder regelt nicht ihre weitere Vermehrung, nimmt ihre Zahl überhand und der geplante Handel kommt meist zum Erliegen.
Am häufigsten gehortet werden Katzen, gefolgt von Hunden, Kaninchen und Ziervögeln, wobei die Zahl bis in die Tausende (z.B. Vögel, Nagetiere) gehen kann.
Was bedeutet Animal-Hoarding für die Tierhalter?
Die gesammelten Tiere geben ihren Besitzern das angenehme Gefühl des Gebrauchtwerdens, das zu einer Freisetzung des “Kuschelhormons“ Oxytocin führt, das Bindungen stärkt und Forschungen zufolge Angst und Aggressionen reduzieren sowie Stress abfangen soll. In den geraten Animal Hoarders jedenfalls, werden ihnen die Tiere, die sie so notwendig als Partner- oder Kindersatz brauchen, weggenommen. Es folgt eine schwere Krise mit Selbstmordgefährdung. Daher verwundert es nicht, dass Tier-Messies sehr oft rückfällig werden.
Sie verfügen kaum über die Einsicht, dass sie sich krankhaft verhalten und nehmen deshalb in der Regel auch keine professionelle, d.h. psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, wobei dazugesagt werden muss, das für das spezifische Problem Animal Hoarding auch kaum Experten oder maßgeschneiderte Therapieangebote zur Verfügung stehen. Die Uneinsichtigkeit der Behandlungsnotwendigkeit kann zur Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung führen.
Der psychischen Störung gehen oft Lebenskrisen (z.B. Scheidung, Tod Nahestehender u.a.m.) voraus, die eine Vereinsamung nach sich ziehen. Ein Mangel an Vertrauen in andere Menschen fördert die Zuwendung zu tierischen Freunden. Sie sollen die seelischen Bedürfnisse nach Nähe, Zärtlichkeit und Geborgenheit erfüllen, die Tier-Messies bei Menschen nicht finden können. Oft stammen Animal Hoarders aus zerrütteten Verhältnissen (z.B. Vernachlässigung, Missbrauch, Traumatisierung).
Es beginnt mit ein, zwei Tieren, aus denen rasch mehr werden, bis der Überblick verloren geht – in Bezug auf die Zahl der Tiere, ihre Versorgung und schließlich die Wohnverhältnisse, die sich zunehmend unordentlich und unhygienisch (z.B. durch nicht beseitigte Tierexkremente und Tierkadaver) gestalten. Hinzu kommen oft finanzielle Nöte, sodass die steigenden Kosten für die Tierhaltung nicht mehr gedeckt werden können.
Was bedeutet Animal-Hoarding für die Tiere?
Da Animal Hoarders nicht in der Lage sind, ihre Tiere artgerecht zu halten, bleiben diese in verschiedenen Bereichen un(ter)versorgt. Viele der Folgen des Lebens auf engstem Raum ohne adäquate Pflege kann man getrost als arge Tierquälerei bezeichnen. So leiden die Tiere etwa unter:
- Mangel-und Unterernährung, da es an ausreichendem und/oder artgerechtem Futter und (frischem, sauberem) Wasser fehlt.
- schlechter Betreuung, weil notwendige Pflegehandlungen wie Fell-, Krallen- oder Hufpflege unterbleiben. Daraus resultieren z.B. Hautkrankheiten.
- unhygienischen Unterkünften oder verschlammten Weiden.
- unbehandelten Krankheiten, Infektionen und Parasitenbefall, denn Animal Hoarders lehnen tierärztliche Behandlungen, auch Impfungen, ab oder können sie sich nicht leisten. Selbst unheilbar kranke Tiere werden nicht eingeschläfert.
- fehlenden Rückzugsmöglichkeiten und mangelnden eigenen Schlafplätzen.
- Rangordnungskämpfen mit Bissverletzungen, da sie ohne Berücksichtigung ihrer individuellen Verträglichkeit, ihres Platzbedarfs und Geschlechts zusammen gehalten werden.
- unkontrollierter Vermehrung, da sie meist nicht kastriert sind.
- deutlichen Verhaltensauffälligkeiten.
Viele Tiere – viele Probleme
Werden gesammelte Tiere aus ihrer elenden Situation durch amtstierärztliche Maßnahmen bzw. von Tierschutzorganisationen herausgenommen, bedeutet das zwar eine Verbesserung ihrer Versorgungs- und Gesundheitssituation, aber noch kein Ende der Probleme. Denn abgesehen davon, dass es nicht immer leicht ist, kurzfristig viele Tiere adäquat unterzubringen, sind diese häufig von den Folgen der Verwahrlosung gezeichnet und – aufgrund der fehlenden Bindung zum Tierhalter – nicht zahm, daher schwer vermittelbar.
Keine definierte Krankheit
Animal Hoarding ist kein wissenschaftlich anerkanntes, eigenständiges Krankheitsbild, obwohl beide – Mensch und Tiere – dringend Hilfe brauchen. Es weist aber Parallelen zu Sucht-und Zwangserkrankungen auf und ist häufig auch mit anderen psychischen Störungen vergesellschaftet.
Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit Hirnschäden, denn solche konnten bei Menschen mit Sammelleidenschaft im Präfrontalcortex, einem Bereich der Grosshirnrinde, per Kernspin-Tomographie nachgewiesen werden.
Tierhorten erkennen
Drei Kriterien geben zu erkennen, dass eine Tiersammelsucht vorliegt:
1. Es werden mehr als die durchschnittliche Anzahl (drei Hunde, drei bis vier Katzen, fünf Nager) von Tieren gehalten.
2. Für das vorhandene Platzangebot leben – nach dem Tierschutzgesetz bzw. der Einschätzung des Veterinärs – zu viele Tiere in den Räumlichkeiten/auf dem Gelände.
3. Der Tierhalter besitzt trotz überdurchschnittlich hoher Anzahl von Tieren und zu geringem Raumangebot keinerlei Verständnis dafür, dass der Tierbestand reduziert werden muss.
Tierhorten bekämpfen
Lassen Gestank, Lärm oder andere Anhaltspunkte vermuten, dass Tierhortung vorliegt, ist das örtlich zuständige Veterinäramt oder die Polizei einzuschalten. Mögliche Konsequenzen sind behördliche Auflagen für den Tierhalter, Beschränkungen der Zahl der Tiere und Beschlagnahmung derselben, schlimmstenfalls ein gerichtliches Haltungsverbot von Tieren. Alles Maßnahmen, die letztendlich wenig erfolgreich sind, finden die verzweifelten Tiersammler doch regelmäßig Auswege, erneut Tiere horten zu können (z.B. Wechsel des Wohnortes, Anmeldung von Tieren auf andere Personen etc.) und das Unheil nimmt wieder seinen Lauf. Über das Tierelend entsetzte echte Tierschützer fordern daher einen Eignungsnachweis für Tierhalter und eine gesetzliche Therapie-Verpflichtung für Animal Hoarders.
Datum: 12. August 2014
Kategorien: Psyche & Nerven