Osteomyelitis: was Bakterien im Knochen anrichten können

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Wenn Keime wie Bakterien, Viren oder Pilze sich im Knochenmark ansiedeln und Infektionen auslösen, kommt es zu einer Osteomyelitis (Knochenmarkentzündung). Sie erfordert eine ehestbaldige adäquate Behandlung. Denn wird sie erst einmal chronisch, bedeutet das oft einen jahrelangen Leidensweg. 

Eine Weichteilverletzung, ein Knochenbruch, eine Operation oder auch nur eine scheinbar vernachlässigbare Bagatellentzündung können den Startschuss bilden zur Entwicklung einer schweren Knocheninfektion, die gar nicht so selten chronisch wird.

Entstehungswege der Osteomyelitis

Die Auslöser von Knochenmarkentzündungen, meist Bakterien, können auf verschiedenen Wegen in die Knochen gelangen. Entweder sie werden direkt von außen über die Haut in sie eingebracht. Dann handelt es sich um eine sogenannte exogene (griech.: exo = außen) Osteomyelitis, wie sie bei einer Verletzung/einem Knochenbruch (posttraumatische Osteomyelitis) oder einer Operation (postoperative Osteomyelitis) bzw. beim diabetischen Fuß (= Sonderform der chronisch-exogenen Osteomyelitis) vorkommt. Oder – seltener – wandern die Keime von einem Infektionsherd im Organismus in Gebeine ein, sodass eine endogene (griech.: endo = innen) Osteomyelitis entsteht. Das geschieht in der Regel über den Blutweg (griech.: haima = Blut, daher: hämatogene Osteomyelitis). Oder es greift eine Infektion der umgebenden Weichteile auf Knochen über (fortgeleitete Osteomyelitis).

Postoperative Osteomyelitis: Knochenmarkentzündungen nach chirurgischen Eingriffen bilden die häufigste Form von Osteomyelitis, von der Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr oder chronischen Erkrankungen (z.B. Diabetes, Dutrchblutungsstörungen) häufiger befallen werden als andere, aber auch Männer aus ungeklärten Gründen öfter als Frauen. Man unterteilt postoperative Osteomyelitiden nach ihrem zeitlichen Auftreten in Frühinfektionen, die sich innerhalb von drei Monaten nach dem Eingriff bemerkbar machen und Spätinfektionen, die erst mehr als drei Monate nach der Operation auftreten. Die größte Infektionsrate zeigen offene Knochenbrüche, die mit Platten und Nägeln stabilisiert werden müssen, doch auch Gelenkersatz-Operationen (z.B. Hüftendoprothese) bergen ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko.

Hämatogene Osteomyelitis: Die hämatogene (endogene, innere) Osteomyelitis tritt vorwiegend im Kindes- und Jugendalter auf, wo die Knochen besonders gut durchblutet sind. Ihren Ausgangspunkt bilden z.B. Furunkel, Entzündungen im Zahn- und Kieferbereich, Nagelbett-, Nasennebenhöhlen- oder Mandelentzündungen. Von dort gelangen im Rahmen einer Sepsis (“Blutvergiftung“) auf dem Blutweg Bakterien ins Skelett, (meistens Oberschenkelknochen oder Schienbein). Bei akuten Infektionen meist solche der Gattung Staphylococcus aureus (z.B. MRSA), Streptokokken oder Pneumokokken. Wird die Osteomyelitis chronisch, können sich Bazillen wie Staphylococcus epidermidis, Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli u.a. hinzugesellen. Liegt eine Immunsuppression (Unterdrückung des Abwehrsystems) vor, sind die Übeltäter oft Pilze wie Candida albicans oder Aspergillus. Meist ist keine vollständige Genesung zu erreichen, sondern nur eine Defektheilung. Unbehandelt verläuft die Erkrankung oft tödlich.

Spezifische Osteomyelitis (Knochentuberkulose): Sie ist eigentlich auch eine Art von hämatogener Osteomyelitis, entsteht aber im Rahmen einer Tuberkulose, wird also durch das Mycobakterium tuberculosis hervorgerufen und befällt hauptsächlich die Wirbelkörper bzw. bei ihrer Sonderform, der Gelenkstuberkulose vorwiegend die Knie-, Hüft- und Kreuzdarmbeingelenke.

Fortgeleitete Osteomyelitis: Bei dieser Form der Knochenmarkentzündung gelangen die Krankheitserreger – meist ein Gemisch aus Staphylokokken und beta-hämolysierenden Streptokokken – aus einer Infektion der umgebenden Weichteile in den Markraum von Knochen. Auf die Art führt recht häufig ein Abszess am Zahn zu einer Osteomyelitis des Kieferknochens.

Abakterielle Sonderformen: Nicht bakteriell bedingte chronische Entzündungen von Knochen, Gelenken und Weichteilen, die jedoch die typischen Symptome einer Knochenmarkentzündung aufweisen, kennzeichnen die nicht-bakterielle Osteomyelitis (chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis, CRMO, SAPHO-Syndrom). Die Erkrankung unbekannter Ursache tritt u.a. im Zusammenhang mit Hautleiden (Schuppenflechte, Akne) und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf und erstreckt sich vorwiegend auf Röhrenknochen (Arme, Beine), die Wirbelsäule, den Schultergürtel und das Becken. Ebenso gibt es Knochenmarkentzündungen im Kindes- und Jugendalter, für die sich zum Teil keine Ursache finden lässt. Sie fallen unter den Begriff “chronische nicht bakterielle Osteomyelitis“ und bedürfen einer rheumatologischen Betreuung.

Kennzeichen einer Osteomyelitis

Bei einer akuten Knochenmarkentzündung, die kürzer als sechs Wochen dauert, sind eine Rötung, Schwellung, ev. Erwärmung, ein schweres Krankheitsgefühl sowie ein Klopf- bzw. Druckschmerz im betroffenen Gebiet, auch Fieber und Schüttelfrost typische Symptome. Wird sie – etwa durch unterbliebene oder nicht rechtzeitige Behandlung – chronisch, was bei Erwachsenen häufig der Fall ist, versucht der Organismus, selbst die Bakterien zu besiegen und bildet deshalb eine Art Kapsel um das entzündete Gebiet, in der allerdings die Bakterien weiterleben.

Charakteristisch für dieses Stadium sind – hauptsächlich nächtliche – Schmerzen, außerdem Bewegungseinschränkungen in mitbetroffenen Gelenken (mögliche Folgen: Gelenkversteifung, Verkürzung der Gliedmaße). Manchmal bilden sich Fisteln, d.h. Verbindungsgänge vom Ort des Geschehens zu anderen Organen oder zur Hautoberfläche, sodass sich aus dem Inneren der Kapsel Eiter nach außen entleeren kann. Oder die Krankheitsauslöser streuen ins Blut. Eine chronische Osteomyelitis verläuft gern wechselhaft, d.h. mit Ruhephasen und akuten Schüben und sie neigt zur Wiederkehr. Sie ist meist mit heftigen Umbauprozessen im Knochen verbunden, der deshalb an Belastbarkeit einbüßt und leichter bricht. Und sie spricht oft nicht wie erhofft auf die Behandlung an.

Die bei einer Knochenmarkentzündung auftretenden Symptome bzw. die von ihr befallenen Regionen hängen außer von ihrer Ursache vom Alter des Erkrankten ab. So kommt es bei Säuglingen (akute hämatogene Säuglingsmyelitis), da ihre Knochenenden keine eigene Blutversorgung besitzen, sondern über die Blutgefäße des Knochenschafts ernährt werden, gern zu einer Mitbeteiligung von Gelenken (v.a. Hüfte), d.h. einem eitrigen Gelenkerguss, ev. auch einer Gelenksverformung oder Wachstumsstörungen. Bei Kindern hingegen verfügen Knochenenden über eigene Blutgefäße und die nicht durchblutete Epiphysenfuge (Wachstumszone) zwischen Knochenschaft und -ende bildet eine Barriere zwischen den beiden Teilen. Über die hinweg können sich Infektionen nicht so leicht ausbreiten, was die Gelenke großteils vor Schäden schützt. Nach dem Wachstumsabschluss schließlich verbindet sich infolge der Verknöcherung der Epiphysenfuge die Blutversorgung von Knochenschaft und -ende und eine Osteomyelitis kann wieder Kurs in Richtung Gelenk nehmen.

Diagnostik einer Osteomyelitis

Die Grundlagen der Erkennung einer Osteomyelitis bilden die Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte: vorausgegangene Infektion/Operation/Verletzung?) und der Lokalbefund sowie die typischen Entzündungszeichen (Leukozytose, erhöht: CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit) im Blut. Gesichert wird die Diagnose mittels bildgebender Verfahren wie Röntgenaufnahmen (fleckige Aufhellungen, Abhebungen der Knochenhaut vom Knochen, Verkalkungen, ev. neugebildetes Knochengewebe als heller Saum), Ultraschall (Gelenkerguss, Abszess) oder einer Szintigraphie, bei der eine radioaktiv markierte Substanz in den Blutkreislauf gespritzt wird und sich an Orten mit hoher Stoffwechselaktivität, wie sie bei einer Osteomyelitis auftreten, anreichert. Manchmal auch durch eine Feinnadelpunktion zur Gewinnung und Untersuchung einer Gewebeprobe aus dem Knochen. Welcher Keim für die Infektion verantwortlich zeichnet, wird per Abstrich und Blutkultur ermittelt.

Behandlung einer Osteomyelitis

Die Entzündung eindämmen, Schmerzen lindern und die Funktionen der von der Krankheit betroffenen Region so weit wie möglich zu erhalten, so lauten die Behandlungsziele bei einer Osteomyelitis. Therapie der Wahl ist – neben einer entsprechenden Schmerzmedikation – eine mehrwöchige, hochdosierte Antibiotikagabe, die bei frühzeitiger Anwendung zur Ausheilung akuter Osteomyelitiden führen kann. Doch kommt es häufig vor, dass diese medikamentöse Behandlung allein nicht genügt, auch weil die schlechte Durchblutung des erkrankten Knochens dazu führt, dass die verabreichten Antibiotika nicht in ausreichender Menge den Entzündungsort erreichen.

Dann wird eine chirurgische Sanierung erforderlich, bei der entzündetes/eitriges oder gar nekrotisches (abgestorbenes) Gewebe am befallenen Knochen oder auch den umgebenden Weichteilen ausgeräumt werden muss. Dabei entstandene Lücken im Knochen werden mit gesundem Knochenmaterial – meist aus dem Beckenkamm – aufgefüllt (“Knochentransplantation”, Spongiosaplastik). Unter Umständen müssen auch als Infektionsquellen drohende Fremdkörper wie Gelenkprothesen, Platten und Schrauben entfernt bzw. ausgetauscht werden. Um wieder stabile Verhältnisse herzustellen, sind oft mehrere Eingriffe nötig. Können ausgedehnte Operationen etwa aufgrund eines reduzierten Gesundheitszustandes nicht durchgeführt werden, beschränkt sich die Therapie einer chronischen Osteomyelitis auf die Linderung der Beschwerden mit z.B. Schmerzmanagement, Antibiotikagabe Ableitung von Eiter mittels Drainagen usw.

Einer Osteomyelitis vorbeugen

Eine Vermeidung von Knochenmarksentzündungen ist nur begrenzt möglich. Wichtigste vorbeugende Maßnahmen sind eine zeitgerechte, angemessene Versorgung von Verletzungen bzw. optimale Behandlung akuter Wundinfektionen, um einen chronischen Verlauf zu verhindern. Außerdem ist es wichtig, dass besonderes Augenmerk auf Hygiene in Operationssälen gelegt wird und vor Eingriffen am Skelett Antibiotika gegeben werden.

 

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