Medikamentenfälschungen: gefährliche Billig-Pillen aus dem Internet
Einfach per Mausklick bestellen und das womöglich billig – der Internet-Versandhandel mit Medikamenten blüht. Was sie oft wirklich kosten, ist die Gesundheit. Denn häufig bekommt man andere Substanzen als erwartet. Das können sogar Gifte sein.
Der Handel mit gefälschten Produkten floriert. Das macht auch vor Medikamenten nicht halt. Doch während es bei nachgemachten Taschen, Kleidern oder Uhren hauptsächlich um wirtschaftliche Einbußen geht, schaden gepanschte Arzneimittel unserem wichtigsten Gut – der Gesundheit.
Nichtsdestotrotz boomen Bestellungen von Medikamenten per Internet. Auch in Österreich. Das Angebot ist riesig, das Ordern der Arzneien schnell und einfach. Der Weg zum Arzt fällt weg. Ein Rezept ist nicht erforderlich. Obendrein sind viele Präparate auch noch billiger. Was dann – sofern der Zoll die in der Regel im Ausland (z.B. Asien, Osteuropa) hergestellten Produkte nicht beschlagnahmt – beim Kunden ankommt, hat mit einem Heilmittel oft nur wenig zu tun.
Medikamente aus dem Internet: Was ist drin?
Medikamente gelten als Heilmittel, d.h. sie sollen die Gesundheit fördern. Das tun sie auch – wenn sie echt sind, also den deklarierten Wirkstoff in der angegebenen Dosierung auch wirklich enthalten. Ohne Beimengungen, die nicht angegeben werden.
Medikamentenfälschungen können durchaus ebenso den zu erwartenden Wirkstoff enthalten. Aber nicht immer ist er dort auch in der richtigen Menge vorhanden. Er kann in zu hoher oder zu niedriger Dosierung abgefüllt sein, aber auch ganz fehlen. Begleitend oder stattdessen finden sich in vielen gefälschten Arzneien andere Wirkstoffe und/oder ungefährliche, zugleich aber wirkungslose Stoffe wie Mehl oder Zucker, manchmal jedoch auch Schadstoffe wie Kot, Insektizide, Arsen oder Rattengift. Gemixt wird anscheinend alles, was man sich nur vorstellen kann: Straßenfarbe, Schuhputzmittel, Klebstoff, Lack usw. usf. Dann ist nicht nur die Gesundheit in Gefahr. Dann kann es sogar ums Überleben gehen.
Welche Inhaltsstoffe in den Tabletten oder Kapseln stecken, darüber erhält der Konsument aber meist keinerlei Informationen, denn die Produkte werden oft ohne Arzneimittelinformation (Beipackzettel) geliefert. Ebenso fehlen Informationen zu ihrer Dosierung oder gar zu potenziellen Nebenwirkungen und Einschränkungen ihrer Anwendung.
Rein optisch lassen sich die – meist in Klein- und Kleinstsendungen verschickten – gefälschten Medikamente in der Regel nicht von echten unterscheiden. Was in einer via Internet bezogenen Arznei wirklich drin steckt, können nur aufwändige Analysen in Speziallabors klären.
Was wird gefälscht?
Ursprünglich waren hauptsächlich sogenannte Lifestyle-Produkte wie z.B. Haarwuchs-, Doping- und Schlankheitsmittel (“Diätpillen“), vor allem aber Potenzmittel betroffen. Inzwischen erstreckt sich die Palette nachgemachter Medikamente auf Antibiotika, Antirheumatika, Herz-Kreislauf-, Schmerz- und Verhütungsmittel, Krebsmedikamente und viele andere rezeptpflichtige Arzneien. Auch psychoaktive, suchtgiftrezeptpflichtige Stoffe wie z.B. Morphiumpräparate. Und nicht zugelassene Präparate.
Zehn Prozent der im globalen Pharmahandel vertriebenen Arzneimittel sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefälscht, in Entwicklungsländern deutlich mehr. Jedes zweite im Internet bestellte Präparat soll gefälscht sein. Weltweit sind das Milliarden von Medikamenten.
Hersteller: astronomische Gewinne – minimales Risiko
Jahr für Jahr werden Millionen gefälschter Tabletten, Pulver und Ampullen von den Zollbehörden beschlagnahmt. Dennoch bleibt der Handel mit den meist in ausländischen Hinterhöfen, Werkstätten oder Garagen unter unhygienischen Bedingungen produzierten Arzneimittel-Plagiaten ein äußerst lukratives Geschäft. Tendenz stark steigend und Dunkelziffer unbekannt. Schließlich locken satte Gewinnspannen. So sprechen Experten z.B. von Verkaufserlösen bis zu 23.000 Euro pro Kilogramm illegales Potenzmittel – bei Herstellungskosten von nur 40 bis 50 Euro für die skrupellose Medikamentenmafia. Bei solchen Größenordnungen erscheint das Risiko für die Fälscher, erwischt zu werden, vernachlässigbar. Das ist es auch, denn in vielen Ländern verläuft die Strafverfolgung solcher Delikte wenig effektiv. Zudem gehen die Vertriebswege oft verschlungene Wege, z.B. über mehrere Länder, sodass sich die Verfolgung der Lieferkette schwierig gestaltet. Erschwerend kommt hinzu, dass längst nicht jedes Land über eine effektive Arzneimittelkontrolle verfügt. Das öffnet der Produktpiraterie Tür und Tor.
Konsumenten: doppelter Schaden
Die negativen Folgen tragen allein die Verbraucher der Arzneimittel-Imitate: Zuerst opfern sie ihr Geld für die wirkungslosen bis schädlichen Substanzen, dann auch ihre Gesundheit. Bestenfalls bleiben sie unbehandelt, schlechtestenfalls werden sie vergiftet. Wer unkontrollierte Medikamente aus solch dubiosen Quellen schluckt, setzt sich also der Gefahr einer Körperverletzung bis fahrlässigen Tötung aus. Abgesehen davon bedeutet dieser Schwarzmarkt für Medikamente finanzielle Verluste für die Wirtschaft.
Medikamentenfälschungen lauern nicht nur im Internet. Vor allem in Teilen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas kann man davor auch bei in Apotheken oder Krankenhäusern erhältlichen Präparaten nicht sicher sein. Oft bleiben – z.B. in Entwicklungsländern – die dadurch Geschädigten unerkannt, weil sie keine Möglichkeit haben, sich entsprechend zu artikulieren oder gar zu wehren. Immer mehr Auswirkungen gefälschter Arzneien finden dennoch Erwähnung in den Medien – wie etwa der Tod von 2.500 Menschen in Niger, denen während einer Meningitis-Epidemie 1995 ein gefälschter Impfschutz gespritzt worden war. Oder das Versterben von 89 Kindern in Haiti im selben Jahr, die mit Frostschutzmittel versetzten Hustensirup erhielten.
Wege zu mehr Sicherheit
Das strenge Zulassungsverfahren für Arzneimittel hierzulande und deren Bezug aus Apotheken gewährleistet eine weitgehende Medikamentensicherheit in Österreich. Probate Kontrollen sorgen dafür, dass gefälschte Arzneimittel möglichst nicht über den legalen Vertriebsweg, also die Apotheken, zu den Kunden gelangen.
Um Fälschungen zu erschweren bzw. aufzuzeigen, kommen offene und verdeckte Kennzeichnungen zur Anwendung wie etwa Hologramme, farbändernde Tinte oder irisierende Oberflächen. Zur Rückverfolgung und Authentizitätsprüfung jeder seriösen Medikamentenpackung dienen Seriennummern in Kombination mit einer 2D-Daten-Matrix (als Muster von Punkten in einer quadratischen Fläche sehr kompakt codierte Informationen), was vor der Abgabe an den Kunden vom Apotheker geprüft wird. Bis 2017 soll die Kontrolle per Barcode europaweit eingesetzt werden.
Zudem sorgen intensive Kontrollaktionen an den Grenzen für die Auffindung und Vernichtung vieler Plagiate durch die Zollbehörden. Denn bleiben gefälschte Medikamente an Flughäfen oder in Paketzentren unentdeckt, gelangen sie zu den arglosen Konsumenten und die einzigen Nutznießer, sprich Hersteller bzw. Vertreiber der gesundheitsschädlichen Ware bleiben unbehelligt. Übrigens: Mindestens 95% der von österreichischen Zollbeamten aufgegriffenen, vermeintlich echten Medikamente sind Imitate.
Zudem gibt es internationale Bestrebungen, einfach zu handhabende Analysegeräte und –methoden zu entwickeln, die feststellen können, ob ein Präparat einen Wirkstoff enthält und wenn, wieviel.
Unsere deutschen Nachbarn setzen auf ein Qualitätssiegel, in dem vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) alle seriösen (in drei Schritten prüfbar) Versandapotheken gelistet sind, die das offizielle Sicherheitslogo auf ihrer Seite zeigen dürfen.
Der sicherste Schutz vor der Verwendung respektive dem Erwerb von online erworbenen gefälschten Arzneimitteln ist jedoch das nötige Wissen beim Konsumenten. Offenbar fehlt es den Österreichern daran. So zeigt eine Studie (Cracking Counterfeit Europe, 2009 ), dass 77% eine beängstigende Sorglosigkeit an den Tag legen, geht es um die Echtheit per Internet gekaufter Arzneien.
Fazit: Wer auf qualitativ hochwertige Medikamente, sprich auf seine Gesundheit Wert legt, bezieht sie aus der Apotheke.
Weiter führende Links:
Informationsoffensive “Auf der sicheren Seite“
Cracking Counterfeit Europe
Registrierte Versandapotheken
Datum: 6. Mai 2014
Kategorien: Medikamente