Volvulus: wenn der Darm sich verdreht

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Eigentlich sollte jedes Organ den für ihn vorgesehenen Platz einnehmen und nicht mehr davon abweichen. Vor allem der Darm gehorcht diesem Gebot aber nicht immer, sodass sich – aus verschiedenen Gründen – Teile von ihm um seine Achse drehen, was im medizinischen Fachjargon Volvulus heißt. Oder sich abschnittsweise ineinanderstülpen, was Heilkundler eine Invagination oder Intussuszeption nennen. Beides gilt als ehebaldigst behandlungspflichtiger Notfall.

Unter dem Begriff Volvulus (lat.: volvere = drehen) versteht man genau genommen eine angeborene oder erworbene Verdrehung eines Organs. Meist betrifft dieses Geschehen Bestandteile des Verdauungstrakts (z.B. Magen, Dünndarm, Blinddarm), sodass mit Volvulus in der Regel eine Darmverschlingung gemeint ist. Ihre Folgen können dramatisch sein.

Darmverschlingung & Darmeinstülpung

Dreht sich ein Darmabschnitt krankhaft um seine eigene Achse, spricht man von einem Volvulus (Darmverschlingung). Stülpt sich ein Darmteil in ein benachbartes Darmstück ein, nennt man das eine Invagination (lat.: in = in, vagina = Scheide; Intussuszeption), die mit einem Blutstau und Schwellungen des lädierten Darmbereichs einhergeht. Beides kann einen teilweisen oder vollständigen Ileus (Darmverschluss), eine Peritonitis (Bauchfellentzündung, weil Bakterien aus dem Darm in den Bauchraum gelangen) oder gar – infolge der verminderten Blutzufuhr zum betroffenen Darmabschnitt – eine lebensbedrohliche Darmgangrän (Nekrose, Absterben des Darmteils) oder einen Kreislaufschock zur Folge haben.

Dementsprechend lauten die Symptome eines Volvulus

  • geblähter, aufgetriebener, druckempfindlicher Oberbauch bei eingefallenem Unterbauch
  • Verstopfung
  • gallig-grünliches Erbrechen
  • krampfartige Bauchschmerzen
  • Blut im Stuhl

Die Diagnose kann sich schwierig gestalten, sind manch andere Darmerkrankungen doch mit ähnlichen Symptomen verbunden. Sie basiert auf einer gründlichen körperlichen Untersuchung und bildgebenden Verfahren (Röntgen – ev. mit Kontrastmittel, Ultraschall – ev. mit Dopplermessung der Durchblutung), wo sich eine auffällige Gasverteilung zeigt sowie bei einem Volvulus des hinteren Dickdarms oft ein “Kaffeebohnenzeichen“ (überblähter Darmteil hat die Kontur einer Kaffeebohne) erkennbar ist. Im Blut findet sich eine Laktatazidose (Milchsäureanstieg).

Eine Invagination tritt vor allem im ersten Lebensjahr bzw. bei Kleinkindern unter drei Jahren auf und zeigt sich mit Symptomen wie

  • heftige, wellenförmig verlaufende Bauchschmerzen (schmerzhafte und schmerzfreie Phasen)
  • Schonhaltung: Anziehen der Beine
  • Erbrechen
  • zuerst Durchfall, später Verstopfung
  • blasse, schweißbedeckte Haut
  • im Spätstadium Austritt von himbeergeleeartigem Schleim aus dem After

Bei der Bauchuntersuchung ist die Intussuszeption häufig als walzenförmiger Wulst fühlbar. Bei der Tastuntersuchung des Enddarms findet sich oft Blut am Finger. Auf Röntgenaufnahmen des Bauches sieht man bei einem Ileus die typischen Spiegelbildungen bzw. in der Frühphase einer Invagination luftleere, eingestülpte Darmabschnitte, im Ultraschall das Kokardenphänomen (beim Querschnitt des Darms sichtbare Doppelringstruktur).

Warum es zu einer Darmverschlingung oder -einstülpung kommt

Häufig sind Darmverschlingungen angeboren. Die natürlichen Entwicklungsprozesse im Mutterleib umfassen nämlich normalerweise bestimmte Drehungen des Darms um den Gekrösestiel (Bauchfellfalte mit zu- und abführenden Blutgefäßen). Werden sie ungenügend oder fehlerhaft ausgeführt (Malrotation), kann die daraus resultierende Lageveränderung des Organs zu einem Volvulus oder einer Invagination führen.

Sonst fungieren als Verursacher von Darmverschlingungen

  • bakteriell, chemisch, allergisch, durch Bestrahlung oder eine Immunreaktion entstehende Darmentzündungen
  • Darmkrebs
  • Adhäsionen (Verklebungen) oder Verwachsungen: Darmabschnitte haften aneinander, wobei sich Briden (bindegewebsartige Stränge) zwischen Darmabschnitten, die normalerweise keine Verbindung zueinander haben, bilden können. Als Ursache werden abgelaufene Entzündungen (z.B. Peritonitis = Bauchfellentzündung), zurückliegende Operationen (z.B. durchgebrochene Appendizitis = Blinddarmentzündung) oder Reaktionen auf einen Fremdkörper diskutiert.
  • Operationen
  • Mukoviszidose (erblich bedingte Veränderung der Körpersekrete): Der zähe Darminhalt kann nur unzureichend weiterbefördert werden.
  • anatomische Besonderheiten wie ein schmaler Mesenterialstiel, ein Sigma oder Colon elongatum (zu langer Dickdarm) oder Ladd-Bänder (Verbindungen zwischen Blinddarm und Bauchseitenwand).
  • Mesenterium ileocolicum commune (Mesenterium dorsale commune): Fortbestand der embryonalen, für Dünn- und Dickdarm gemeinsamen Form des Gekröses, weil die Verlötung des Mesocolons (Gekröse des Dickdarms) mit der hinteren Bauchwand unterblieben ist, was zu einer abnormen Beweglichkeit der Darmschlingen führt.

Die Ursache von Intussuszeptionen ist bis dato unbekannt. Am häufigsten findet man jedenfalls eine ileokolische (Ileum ins Colon = Krummdarm in den Dickdarm) Invagination, seltener eine ileoileale (Ileum ins Ileum), wobei auch mehrfache Einstülpungen möglich sind.

Behandlung eines Volvulus

Eine Darmverschlingung ist lebensgefährlich, da sie zu einem lebensbedrohlichen Darmverschluss führt. Deshalb ist sie als Notfall einzustufen und sofort zu behandeln. Das gelingt in der Regel nur per Operation, bei der der verdrehte Darmabschnitt schnellstmöglich (sonst kommt es zur Darmgangrän) wieder in die ursprüngliche bzw. normale Position gebracht und dort befestigt wird, um eine wiederholte Verdrehung zu verhindern. Ist der verdrehte Darmabschnitt schon zu sehr geschädigt und mit einer Normalisierung seiner Funktion nicht mehr zu rechnen, kann eine Darmteilresektion (Entfernung des lädierten Darmabschnitts), manchmal auch das Anlegen eines Enterostomas (künstlicher Darmausgang) notwendig werden.

Behandlung einer Invagination

Im Frühstadium lässt sich eine Invagination oft durch gezielte Einläufe mit Lagerungswechseln (hydrostatische Evagination) oder eine Bauchmassage lösen (Kontrolle: Ultraschall), sofern noch kein Ileus oder Schockzustand besteht. Andernfalls muss chirurgisch eingegriffen werden, um die Intussuszeption zu beseitigen (operative Desinvagination) und den eingestülpten Darmteil (Invaginat) in seine ursprüngliche Position zurückzubringen. Ist der Darmverschluss bereits so weit fortgeschritten, dass er eine Schädigung der Darmwand verursacht hat, wird das eingestülpte Darmstück entfernt (Darmresektion).

Seltenere Verdrehung: Magenvolvulus

Diese Komplikation einer paraösophagealen Hiatushernie (Zwerchfellbruch mit teilweise oder ganz in den Brustraum verlagertem Magen) oder einer Fundoplicatio (Operation zur Behebung der Refluxkrankheit, bei der Anteile des Magenfundus locker um die Speiseröhre gewickelt werden) entsteht durch die Verdrehung des über dem Zwerchfell zum Liegen gekommenen Magenteils, die von einer Magenüberblähung, Schmerzen, Aufstoßen, Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit begleitet wird und einen Verschluss der Speiseröhre sowie eine Nekrose (Absterben) der Magenwand nach sich ziehen kann. Behoben wird ein Magenvolvulus durch eine chirurgische Repositionierung und Fixierung des Organs in seiner normalen Lage.

 

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