Reizmagen: krank, obwohl organisch gesund

© leungchopan - stock.adobe.com

Länger anhaltende Schmerzen im Oberbauch, oft verbunden mit Beschwerden wie Übelkeit, Völlegefühl, Appetitlosigkeit u.a.m., ohne erkennbare organische Störung, das sind die Kennzeichen eines Reizmagens. Warum es zu diesem häufigen Krankheitsbild kommt? Anscheinend, weil der Bauch eine Art “eigenes Gehirn“ besitzt. Eine Nervenansammlung, die überempfindlich auf verschiedene Einflüsse reagieren kann. Das lässt oft die Ernährung und noch anderes zum Problem werden.

Funktionelle Dyspepsie (griech.: dys = Störung eines Zustands/einer Funktion, pepsis = Verdauung) nennt der medizinische Fachjargon eine Reihe von Oberbauchbeschwerden, denen keine fassbare organische Ursache zugrundeliegt. Umgangssprachlich ist diese sehr häufige (bis zu 25 % der Bevölkerung, Frauen häufiger als Männer) Störung des Verdauungsapparates besser bekannt als Reizmagen oder nervöser Magen. Der besteht häufig für lange Zeit, im Extremfall über viele Jahre. Und ist manchmal mit anderen Störungen des Verdauungstrakts wie einer Refluxkrankheit oder einem Reizdarmsyndrom verbunden. Doch auch ohne Begleiterkrankungen sorgt ein Reizmagen für eine merkbare Beeinträchtigung des Befindens.

Unklare Ursache

Was genau einem Reizmagen zugrundeliegt, vermag die Wissenschaft bislang noch nicht sicher zu sagen. Feststeht jedenfalls, dass Menschen mit einem Reizmagen über ein überempfindliches Nervensystem im oberen Magen-Darm-Trakt (“Bauchhirn“, enterisches Nervensystem mit Verbinding zu dem für Gedanken und Gefühle zuständigen Teil des Großhirns) verfügen, das den Magen besonders sensibel macht gegenüber äußeren und inneren Reizen.

Als mögliche Auslöser eines Reizmagens gelten

  • eine beeinträchtigte Magenbeweglichkeit, d.h. die Muskulatur der Magenwand ist nicht ausreichend aktiv, wodurch die Nahrung zu lange im Magen verbleibt.
  • sowohl eine zu rasche als auch eine verlangsamte Magenentleerung.
  • eine gestörte Peristaltik (Bewegungsmuster durch Muskeltätigkeit eines Hohlorgans) im oberen Dünndarm.
  • eine erhöhte Empfindlichkeit für Magensäure bzw. ein Aufsteigen von Magensäure in die Speiseröhre.
  • in den Magen fließende Gallenflüssigkeit.
  • eine veränderte Schmerzwahrnehmung.
  • eine (durch das Bakterium Helicobacter pylori bedingte) Magenschleimhautentzündung, die zu Reizungen der Schleimhaut führt.
  • eine gesundheitlich ungünstige Lebens- (Mangel an Bewegung, Entspannung oder Schlaf) oder Ernährungsweise wie zu reichliches und/oder unausgewogenes (z.B. zu viel Fett, Zucker, Kaffee, Alkohol) Essen.
  • Stress, Hektik oder andere psychische Faktoren (“das schlägt mir auf den Magen“, z.B. Ängste, Depressionen).
  • ein Zigarettenkonsum.

In Betracht gezogen werden auch erbliche Einflüsse. Oder ein gestörtes Immunsystem, da sich manchmal ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der funktionellen Dyspepsie und vorangegangenen Infektionen zeigt.

Beschwerdebild Reizmagen

Die Symptome eines Reizmagens entwickeln sich meist schleichend, d.h. im Laufe mehrerer Monate. Sie sind entweder dauernd vorhanden oder kehren mit Unterbrechungen immer wieder. Sie können aber auch nach besonderen Belastungen (z.B. seelisches Trauma) oder Ernährungsfehlern (z.B. sehr einseitige Diät) plötzlich auftreten und in ihrer Intensität wechseln.

Die Krankheitszeichen umfassen hauptsächlich Verdauungsbeschwerden. Besonders typisch sind (oft gürtelförmige oder unbestimmte) Oberbauchschmerzen und ein Druck- und Völlegefühl in der Magengegend. Häufig vergesellschaftet mit

  • einem Völlegefühl
  • saurem Aufstoßen oder auch Sodbrennen
  • Appetitlosigkeit
  • einer Abneigung gegen bestimmte Speisen

Eventuell kommt es auch zu Übelkeit und Erbrechen, Zeichen eines Reizdarms wie Blähungen und Stuhlunregelmäßigkeiten oder auch zu einer Reizblase (Harndrang trotz wenig gefüllter Blase). Begleitend können sich sogenannte vegetative Störungen zeigen wie z.B. Herzstechen, Herzrasen, Kreislaufprobleme (kalte Hände und Füße), vermehrtes Schwitzen (feuchte Hände), Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Muskelverspannungen, eine depressive Verstimmung, schnelle Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Nervosität und bei Frauen Regelschmerzen. Sie entstehen durch Reizung des vegetativen Nervensystems.

Sind die Beschwerden stark ausgeprägt und/oder halten sie lange an, wirkt sich das negativ auf die Lebensqualität aus. Besonders, wenn sie kein normales Essverhalten mehr gestatten, weil viele Speisen nicht mehr vertragen (und damit Restaurantbesuche nahezu verunmöglicht) werden.

Krankheitsfeststellung per Ausschlussdiagnose

Halten genannte Beschwerden im Oberbauch länger als 3 Monate an, ohne dass ein Gastroenterologe eine andere Erkrankung findet, spricht man – laut internationaler Richtlinien – von einem Reizmagen. Das bedeutet, dass – neben einer gründlichen Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) einige Untersuchungen erfolgen müssen, um andere Krankheiten auszuschließen. Und zwar eine Blutuntersuchung, ein Oberbauchultraschall und eine Magenspiegelung mit Entnahme einer Gewebeprobe zum Test auf einen Befall mit dem Bakterium Helicobacter pylori.

Behandlung eines Reizmagens

Milde Beschwerden lassen sich oft durch eine Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten oder auch – so möglich – das Absetzen von Medikamenten, die Verdauungsstörungen verursachen können, lindern. Auch bestimmte Kräutertees (Pfefferminze, Artischocke, Kümmel, Anis, Kamille) sind hilfreich. Reicht das nicht aus, kommen – je nach vorherrschendem Symptom – folgende Medikamente zum Einsatz

  • Antazida (z.B. Aluminiumhydroxid), H2-Rezeptorenblocker (z.B. Famotidin) oder Protonenpumpenhemmer (z.B. Omeprazol) zur Endämmung der Magensäure bei Oberbauchschmerzen oder Sodbrennen.
  • Prokinetika (Motilitätsregulatoren, z.B. Metoproclamid) zur Anregung der Motorik der Magenmuskulatur und damit des Transports des Mageninhalts bei einer Bewegungsstörung des Magens zur Linderung von Völlegefühl, Magendruck, Übelkeit und Brechreiz.
  • Antibiotika, und zwar eine Kombination aus zwei Vertretern verschiedener Substanzklassen, bei nachgewiesenem Helicobacter pylori (inklusive ein Protonenpumpenhemmer).
  • krampflösende Mittel (z.B. Butylscopolamin) bei starken Schmerzen

Auch beruhigende und schmerzlindernde Naturmittel wie z.B. Heilerde können möglicherweise gegen einen Reizmagen helfen. Aber Achtung: einige frei erhältliche Arzneien gegen Beschwerden eines Reizmagens auf pflanzlicher Basis enthalten für einen empfindlichen Magen unverträglichen Alkohol oder sogar zwar krampflösendes, aber potenziell leberschädigendes Schöllkraut.

Bei hartnäckiger funktioneller Dyspepsie sind begleitende psychotherapeutische Maßnahmen überlegenswert.

Nach einer rund sechswöchigen medikamentösen Behandlung verschwinden bei der Mehrzahl der unter einem Reizmagen Leidenden die Beschwerden wieder oder lassen deutlich nach, kehren nach Absetzen der Medikamente aber gern wieder.

Vorsorge: wie man sich vor einem Reizmagen schützt

Ein hundertprozentig wirksames Rezept zur Verhinderung der Entwicklung eines Reizmagens kennt die Medizin zwar nicht, doch gibt es Empfehlungen zur Ernährung und allgemeinen Lebensweise, die die Verdauung positiv beeinflussen und helfen sollen, Beschwerden im Magen-Darm-Trakt zu vermeiden. Wie etwa:

  • mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt essen statt weniger großer.
  • leichte, gut bekömmliche Speisen, die das Verdauungssystem nicht zu sehr belasten, verzehren.
  • auf Nahrungsmittel verzichten, auf die man empfindlich reagiert.
  • Speisen nicht zu stark würzen, d.h. nicht zu scharf essen.
  • täglich frisches Obst, Gemüse und Salat, pro Woche 2 bis 3 Portionen Seefisch und Fleisch nur in Maßen (2 Portionen pro Woche) essen.
  • reichlich trinken (2 bis 3 Liter pro Tag), am besten (nicht zu kaltes) Wasser und Kräu-tertees.
  • Magensäurelockendes wie Alkohol, Kaffee, Süßigkeiten oder Chips etc. nur in maßvollen Mengen zu sich nehmen bzw. wenn der Magen empfindlich darauf reagiert, darauf verzichten.
  • den Zigaretten entsagen.
  • zwecks Stressabbau für regelmäßige Ruhepausen, ausreichend Schlaf und Ent¬spannung (z.B. mit Yoga, autogenem Training) sorgen.
  • regelmäßig Sport, der die Verdauung ankurbelt, treiben.
  • Bei Übergewicht dieses reduzieren.

Doch auch wenn sich ein Reizmagen einstellt, eines ist jedenfalls beruhigend: er führt zu keinen schweren Folgeerkrankungen wie z.B. Magenkrebs und verkürzt nicht die Lebenserwartung.

 

Verwandte Ratgeber:
Reflux, GERD, Sodbrennen
Magengeschwür & Zwölffingerdarmgeschwür: Symptome & Behandlung
Bauchschmerzen
Erbrechen 
Gastritis 
Gastroskopie (Magenspiegelung)
Reizdarmsyndrom (Colon irritabile)