Ösophagusdivertikel: Therapie hängt vom Beschwerdebild ab

Verbleiben Nahrungsreste in der Speiseröhre (Ösophagus), können Divertikel dahinter stecken. Diesen Ausstülpungen der Ösophaguswand lässt sich zwar kaum vorbeugen. Sie sind aber meist gut behandelbar.
Die Speiseröhre ist ein rund 25 cm langer, innen mit Schleimhaut ausgekleideter, außen von Bindegewebe ummantelter muskulärer Schlauch, der den Speisebrei vom Rachen zum Magen befördert. Großer Druck (Pulsion) von innen oder Zug (Traktion) von außen kann an Stellen mit eingeschränkter Stabilität Ausbuchtungen (Divertikel) der Ösophaguswand entstehen lassen. Bestimmte Abschnitte der Speiseröhre sind dafür besonders prädestiniert. Vor allem bei Männern in höherem Lebensalter. Es gibt aber auch angeborene Ösophagusdivertikel.
Was sind Divertikel?
Divertikel (lat.: diverticulum = Abweg) nennt man Ausstülpungen der Wände von Hohlorganen wie z.B. dem Darm oder der Blase. Erworbene, d.h. im Lauf des Lebens sich entwickelnde Divertikel treten am häufigsten am Dickdarm auf, weshalb mit den Begriffen Divertikulose und Divertikulitis (Entzündung der Aussackungen) in der Regel Dickdarmdivertikel gemeint sind. Die bläschen-, pilz-, birnen- oder sackförmigen Ausbuchtungen entstehen hauptsächlich an Schwachstellen der Organwände. Wölben sich alle Schichten der Organwand in der Ausstülpung vor, spricht man von einem echten Divertikel. Buchtet sich nur die Schleimhaut aus und schlüpft durch die Muskelschicht (Schleimhautprolaps), handelt es sich um ein sogenanntes falsches Divertikel (Pseudodivertikel).
Ursache: Druck oder Zug
Ein erhöhter Druck in der Speiseröhre, etwa durch eine große Nahrungsmenge, gepaart mit einer Schwäche der Speiseröhrenwand fördert die Entwicklung von Pulsionsdivertikeln (lat. pulsatio = Stoßen). Bevorzugter Ort für diese unechten Divertikel ist das obere Drittel der Speiseröhre, wo die Rachen- in die Ösophagusmuskulatur übergeht und aufgrund der unterschiedlich verlaufenden Muskelfasern eine Schwachstelle, genannt Killian-Muskellücke, bildet. Dort sitzende Aussackungen heißen Zenker-Divertikel (hypopharyngeale Divertikel), die häufigste Form von Ösophagusdivertikeln. Sie beruhen auf einer Funktionsstörung des oberen Schließmuskels der Speiseröhre, der sich beim Schluckakt vermutlich vorzeitig schließt und so im unteren Rachen einen Stau des Nahrungsbreis, d.h. Druck, erzeugt. Folge: Die Schleimhaut wird durch die Muskellücke gequetscht und nach außen gestülpt. Die Aussackung gewinnt oft an Größe und drängt deshalb die Speiseröhre nach vorne.
Deutlich seltener kommt es am unteren Ende der Speiseröhre zur Bildung von Pulsionsdivertikeln, die aufgrund ihrer Lage oberhalb des Zwerchfells (phren) als epiphrenale (griech.: epi- = darüber) Divertikel bezeichnet werden. Sie kommen durch eine Störung des Schluckvorgangs (verspätete Öffnung des unteren Schließmuskels der Speiseröhre) oder Engstellen (Strikturen) im unteren Ösophagusabschnitt und den dadurch auftretenden Stau der verzehrten Nahrung zustande.
Zerren außerhalb der Speiseröhre liegende Strukturen (z.B. entzündlich veränderte Lymphknoten) an ihrer Wand, kann das sogenannte Traktionsdivertikel (lat. tractio = Zugkraft) erzeugen. Diese echten Divertikel treten v.a. im mittleren Teil des Ösophagus – nahe der großen Atemwegsäste (Bronchien) – auf, weshalb man von parabronchialen Divertikeln spricht. Der Zug von außen dehnt und verzieht die Speiseröhrenwand und lässt so – zumeist kleine und trichterförmige – Aussackungen entstehen.
Nur zum Teil symptomatisch
Da nicht alle Speiseröhrendivertikel Beschwerden hervorrufen, bleiben sie teilweise unerkannt oder werden nur zufällig – bei Röntgenuntersuchungen oder Endoskopien (z.B. Magenspiegelung) – entdeckt (häufig bei parabronchialen Divertikeln). Manche Ausbuchtungen aber entzünden sich und verursachen Symptome wie Schmerzen oder Schluckbeschwerden. Das gilt vor allem für Zenker-Divertikel, die sich gelegentlich sogar außen am Hals abzeichnen können, wenn sie sich mit Nahrungsbrei füllen. Neben einem Fremdkörpergefühl im Hals und häufigem Räuspern können sie beim Sprechen ein Glucksen, beim Trinken ein gurgelndes Geräusch und – aufgrund in der Aussackung verbleibender Speisereste – intensiven Mundgeruch (foetor ex ore) und Aufstoßen erzeugen. Kommt die unverdaute Nahrung nachts beim Liegen wieder hoch (Regurgitation), landet sie auf dem Kissen. Sie kann aber auch in die Atemwege gelangen (Aspiration) und eine Lungenentzündung bzw. einen Lungenabszess hervorrufen.
Epiphrenale Ösophagusdivertikel verursachen eher unspezifische Symptome wie Oberbauch- oder nächtliche retrosternale (hinter dem Brustbein) Schmerzen, ev. auch Schluckbeschwerden und Regurgitationen sowie einen Reflux (Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre), der auf Dauer die Schleimhaut der Speiseröhre derart schädigen kann, dass dort schwere Entzündungen oder auch Krebs entsteht.
Divertikel erkennen
Aussagekräftigste Untersuchung zur Erkennung von Speiseröhrendivertikeln aller Art ist der Ösophagus-Breischluck, eine Röntgenaufnahme mit Kontrastmittel, das sich in Divertikeln sammelt und sie so zur Darstellung bringt. Bewegungsstörungen und damit Divertikel der Speiseröhre können auch im Rahmen einer dynamischen Videofluoroskopie, einer röntgengestützten Videoaufzeichnung des Schluckvorgangs, erkannt werden.
Da Pulsionsdivertikel durch erhöhten Druck innerhalb der Speiseröhre entstehen, ist auch eine Ösophagus-Manometrie, eine Messung des Drucks im Ösophagus beim Schlucken, sinnvoll. Eine pH-Metrie, die mehrstündige Messung des Säuregrades in der unteren Speiseröhre, erlaubt Rückschlüsse auf die Bewegungsfähigkeit des dortigen Schließmuskels und einen möglichen Reflux. Eine Endoskopie (Spiegelung) der Speiseröhre gestattet einen direkten Einblick in vorhandene Aussackungen, wird aber vor allem zum Ausschluss eines etwaigen zusätzlichen Tumors durchgeführt.
Nicht alle brauchen eine Therapie
Behandlungsbedürftig sind epiphrenale und parabronchiale Divertikel nur dann, wenn sie mit störenden Symptomen, einer enormen Größenzunahme oder Komplikationen (Fistelbildung, Blutung, Perforation) einhergehen. Bei epiphrenalen Divertikeln kann es auch genügen, die verursachenden Engstellen operativ aufzuweiten oder endoskopisch mit einem Ballon aufzudehnen.
Die komplikationsträchtigen Zenker-Divertikel hingegen erfordern häufig einen chirurgischen Eingriff, bei dem der Divertikelsack abgetragen (Resektion) und die Lücke verschlossen wird. Entweder per Divertikulopexie, bei der die Speiseröhre im Halsbereich operativ freigelegt wird oder minimal invasiver endoskopischer Divertikulotomie.
Zum Thema Darmgesundheit/Verdauung haben wir auch noch diese Ratgeber für Sie:
Nahrungsmittelallergien/Nahrungsmittelintoleranzen
Blähbauch: Meist helfen Hausmittel
Darmverschluss: Anzeichen eines Ileus erkennen ist lebenswichtig
Datum: 25. Oktober 2013
Kategorien: Magen & Darm