Bakterielle Ruhr: Durchfallerkrankung mit hoher Ansteckungsgefahr

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Shigellen heißen die Bakterien, die heutzutage bei uns selten, v.a. in Entwicklungsländern aber immer noch häufig zu lebensbedrohlichen Durchfällen führen. Bakterielle Ruhr nennt man die durch sie ausgelöste Krankheit, die die Gefahr ernster Komplikationen birgt. Gute Hygiene beugt der Infektion vor. Antibiotika heilen sie.

Vor allem, wenn Menschen durch Hunger und Armut geschwächt sind und/oder in schlechten hygienischen Verhältnissen und/oder auf engem Raum zusammenleben wie z.B. in Entwicklungsländern oder Kriegszeiten, kommt es immer wieder zu durch Shigellen ausgelösten Epidemien, die zu wässrig-schleimigen bis blutig-schleimig-eitrigen Durchfällen, Bauchkrämpfen, Fieber und Erbrechen führen. Deshalb ist die hochansteckende und meldepflichtige Shigellose (Shigellendysenterie, Shigellenruhr, Bazillenruhr, bakterielle Ruhr) in unseren Breiten nur eher selten anzutreffen. In Indien oder Afrika hingegen fordert die Ruhr regelmäßig viele Todesopfer.

Auslöser: Bakterien

Vier Gruppen (Serotypen) von weltweit vorkommenden, gramnegativen Bakterien der Gattung Shigella (früher: Shiga Bacillus, Namensgeber: japanischer Mikrobiologe Kiyoshi Shiga), die geographisch unterschiedlich verteilt sind, erweisen sich als humanpathogen (für den Menschen krankheitsauslösend) und fungieren als Verursacher der Durchfallerkrankung Ruhr:

  1. Gruppe A: Shigella dysenteriae: v.a. in tropischen und subtropischen Regionen
  2. Gruppe B: Shigella flexneri: weltweit
  3. Gruppe C: Shigella boydii: v.a. in Vorderasien und Nordafrika
  4. Gruppe D: Shigella sonnei: v.a. in Mitteleuropa

wobei in unseren Breiten die Erreger meist in Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Pflegeheimen) auftreten, etwa wenn Hygienemaßnahmen nicht ausreichend Beachtung finden.

Shigellen sind eng verwandt mit Colibakterien, unbeweglich und sehr empfindlich gegenüber Austrocknung. Sie werden durch “Schmutz- und Schmierinfektion“, meist direkt von Mensch zu Mensch (fäkal-oral: “vom Kot zum Mund“, z.B. beim Schütteln unzureichend gereinigter Hände) übertragen, da der menschliche Magen-Darm-Trakt beinahe das einzige Reservoir für Shigellen darstellt. Aber auch indirekt via infizierte (stuhlhaltige) Gegenstände (z.B. Handtücher), verunreinigte Lebensmittel, kontaminiertes Trinkwasser, verseuchte Badegewässer oder die gemeinsame Benutzung von Toiletten sowie Verschleppung von Stuhlpartikeln durch Fliegen. Deshalb verwundert es nicht, dass schlechte sanitäre Verhältnisse (z.B. mangelhafte Abwasserentsorgung) die Ausbreitung von Shigellose-Epidemien begünstigen. Zumal aufgrund der fehlenden Säureempfindlichkeit (daher: keine Inaktivierung durch die Magensäure) schon kleinste Mengen des Erregers für eine Ansteckung ausreichen. Ebenso aber fördert warmes Klima die Infektion, sodass Shigellosen bei uns häufiger nach Reisen in entsprechende Gebiete (z.B. Türkei, Nordafrika, Indien) auftreten.

Dass es zu entzündlichen Reizungen der Schleimhaut vornehmlich im Dickdarm kommt, dafür sorgen giftige Bestandteile der Zellmembran der Shigellen, sogenannte Endotoxine, bei Shigellen der Gruppe A zusätzlich das hitzeunbeständige entero-, zyto- und neurotoxische Exotoxin Shiga-Toxin, sodass bei Infektionen mit Shigella dysenteriae ein schweres toxisches Krankheitsbild droht.

Zeichen & Nachweis einer Shigellose

Da heimische Fälle von bakterieller Ruhr in erster Linie durch nicht Shiga-Toxin produzierende Shigella flexneri und Shigella sonnei verursacht werden, verlaufen sie meist ebenso mild wie andere einfache Durchfallerkrankungen. Konkret: Nach einer Inkubationszeit (Zeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der ersten Symptome) von 12 Stunden bis zu vier Tagen kommt es zu wässrigen Durchfällen.

Die Infektion kann aber ähnlich schwerwiegend bis lebensbedrohlich werden wie wenn sie durch Shigella dysenteriae hervorgerufen wird, wenn das Immunsystem geschwächt ist oder die Erkrankung nicht ausreichend behandelt wird. Dann kommt es zu Bauchkrämpfen, Tenesmen (Episoden von schmerzhaftem Stuhldrang), Fieber, blutig-schleimig-eitrigen Durchfällen und damit einem Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Eiweißverlust, der in einer Dehydratation (Austrocknung) und Bewusstseinsstörungen, einem Kreislaufkollaps oder auch Koma enden kann. Schlimmstenfalls entwickeln sich herdförmige Dickdarmgeschwüre, ein toxisches Megacolon (Lähmung der Darmwand mit Darmaufweitung) oder gar eine Darmperforation (Darmdurchbruch).

Vereinzelt entwickeln sich infolge der Schädigung der Schleimhautbarriere im Darm (Folge: Verteilung anderer Bakterien im Organismus) Komplikationen, die andere Organe als den Dickdarm betreffen wie

  • ein wahrscheinlich durch Shigatoxine hervorgerufenes hämolytisch-urämisches Syndrom mit Nierenversagen und Zersetzung der roten Blutkörperchen
  • eine Infektarthritis (Gelenksentzündung)
  • ein Reiter-Syndrom: Kombination aus Arthritis großer Gelenke, Harnröhren- und Bindehautentzündung

Übrigens:

  • Mit Shigellen Infizierte sind ansteckend, solange sich die Keime im Stuhl nachweisen lassen (“Ausscheider“), auch wenn sie sich beschwerdefrei fühlen (asymptomatische Bazillenträger). Also in der Regel ein bis vier Wochen. Manchmal aber siedeln sich die Shigellen dauerhaft im Dickdarm an und machen ihre Träger zu Langzeitausscheidern (Dauerausscheidern).
  • Dass die Bakterien schuld an den Beschwerden sind, lässt sich mit einer Stuhluntersuchung beweisen.
  • Nach Überstehen der Infektion besteht eine – allerdings zeitlich begrenzte – Immunität und kein lebenslanger Schutz vor einer Neuinfektion.

Therapie & Vorbeugung einer Shigellose

Bei Menschen in gutem Allgemeinzustand können bei leichten Verlaufsformen der Ruhr u.U. allgemeine Maßnahmen wie Schonung, Diät halten und reichliche Flüssigkeitszufuhr (besonders wichtig bei Kindern, Senioren und chronisch Kranken) genügen. Schwerere Verlaufsformen erfordern auf jeden Fall zusätzlich die Gabe von Antibiotika. Sie verkürzen die Erkrankungsdauer, mindern die Keimausscheidung und damit die Ansteckungsgefahr sowie beugen Komplikationen vor. Um die Wirksamkeit der Antibiotika sicherzustellen, kann vor der Verabreichung im Labor ausgetestet werden, gegen welche Antibiotika die im Stuhl nachgewiesenen Shigellen keine Resistenz (Unempfindlichkeit) entwickelt haben (Antibiogramm: Labortest zur Bestimmung der Empfindlichkeit von Krankheitskeimen gegenüber Antibiotika). In schweren Fällen ist ein Krankenhausaufenthalt unvermeidlich.

Um einer Ansteckung mit Shigellen vorzubeugen ist vor allem wichtig

  • eine konsequente Händehygiene an den Tag zu legen, d.h. regelmäßig die Hände gründlich mit Seife waschen, sie gegebenenfalls auch zu desinfizieren, insbesondere nach dem Zubereiten von Speisen und nach jedem Toilettengang.
  • im Umgang mit Lebensmitteln und Trinkwasser auf entsprechende Hygiene zu achten, v.a. in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen. Das bedeutet: dort Wasser und Nahrungsmittel vor dem Verzehr abkochen und auf alle nicht erhitzten, gekochten oder geschälten Lebensmittel (z.B. Salat) verzichten bzw. nur industriell abgefülltes Wasser aus originalverschlossenen Flaschen verwenden.
  • die strenge Einhaltung der Hygienevorschriften von Ruhr-Patienten und deren Kontaktpersonen, d.h. mit den Keimen kontaminierte Bekleidung und Bettwäsche nur mit Schutzbekleidung berühren sowie eine sorgfältige Händedesinfektion nach jedem Kontakt durchführen.

 

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