Bulimie (Ess-Brechsucht, Bulimia nervosa)

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Zusammenfassung
Bulimie bezeichnet die Zufuhr großer Mengen hochkalorischer Nahrung, gefolgt von Maßnahmen, um eine Gewichtszunahme zu verhindern.

Was ist eine Ess-Brech-Sucht?

Bulimia nervosa ist eine psychiatrische Erkrankung und betrifft in 90 bis 95 Prozent der Fälle Mädchen und Frauen, ganz besonders im Alter von 15 bis 30 Jahren. Charakteristischerweise kreisen bei der Essstörung die Gedanken ständig um das Thema Essen und Körpergewicht.

Von Bulimie spricht man, wenn im Rahmen von Essattacken große Mengen hochkalorischer Nahrung aufgenommen werden und man anschließend versucht, eine Gewichtszunahme zu verhindern, z.B. durch Erbrechen der Nahrung, Sport, Fasten, die Einnahme von Abführmitteln, Appetitzüglern.
Wird eine Bulimie behandelt, wird rund die Hälfte der Patienten wieder gesund, bei ungefähr einem Viertel bessert sich die Erkrankung deutlich.

 

Welche Folgen hat eine Bulimie?

Körperliche Folgen betreffen unter anderem:

  • Verdauungstrakt: Der Magen kann mit einer Entzündung (Gastritis) oder Veränderungen (z.B. Erweiterung, Riss) reagieren. Auch Verstopfungen sowie Schleimhautreizungen im gesamten Verdauungstrakt sind möglich.
  • Speiseröhre, Mundbereich: Die Säure beim Erbrechen greift die Zahnsubstanz an und verursacht in der Speiseröhre ein brennendes Gefühl, manchmal kommt es hier auch zu Blutungen oder einem  Riss. Weiters führt häufiges Erbrechen zum Anschwellen der Speicheldrüsen.
  • Körpergewicht: Zwar liegt das Gewicht meist im Normbereich, es kann sich aber auch zwischen leichtem Unter- oder Übergewicht bewegen.
  • Insbesondere durch den Gebrauch von Abführmitteln kommt es zu Mangelerscheinungen, etwa bei lebenswichtigen Salzen wie Kalium; Herzrhythmusstörungen und Nierenerkrankungen sind mögliche Folgen.

Psychische Folgen:

Die Erkrankung geht oft einher mit großem Leidensdruck, mit Schuld- oder Schamgefühlen, Ängsten und Depressionen sowie der Tendenz zur sozialen Isolation. Der Kontrollverlust bei der Nahrungsaufnahme und der spezielle Umgang mit den Lebensmitteln erzeugt z.B. bei vielen Betroffenen ein schlechtes Gewissen.
Eine Bulimie wird manchmal jahrelang verheimlicht, und oft wird erst spät Hilfe in Anspruch genommen. Mitunter kommt es im Verlauf zu weiteren Suchterkrankungen, z.B. einer Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit, auch das Suizidrisiko ist erhöht.

 

Was sind Ursachen einer Bulimie?

Wie bei anderen Essstörungen geht man auch bei der Ess-Brechsucht davon aus, dass mehrere Faktoren bei der Entstehung der Erkrankung zusammenwirken.

  • Psychische Faktoren: Stress, Kränkungen, geringer Selbstwert, Versagensängste bzw. eine Depression können Ursachen sein oder die Krankheit aufrechterhalten. Psychische Spannungen werden durch Essattacken möglicherweise kurzfristig abgebaut, aus Angst vor der Gewichtszunahme werden Gegenmaßnahmen ergriffen.
  • Soziale Faktoren: Eine Essbrechsucht beginnt nicht selten in der Pubertät, einem Alter, in dem die Beschäftigung mit dem Aussehen wichtig ist. Unzufriedenheit mit der eigenen Figur, Vergleiche und Leistungsdruck können Ursachen sein. Hinzu kommt in westlichen Ländern das gesellschaftliche Schönheitsideal vom schlanken bzw. mageren Körper – entsprechend stark ist Bulimie hier verbreitet.
  • Körperliche Faktoren: Auch Unterzucker, Mangelzustände nach Diäten oder andere körperliche Erkrankungen können Heißhungerattacken auslösen. Weiters haben Hormone, Neurotransmitter und verschiedene Medikamente einen Einfluss auf das Essverhalten.

 

Wie wird eine Bulimie festgestellt?

Richtlinien zur Diagnosestellung (nach internationaler Klassifikation ICD-10): Wiederkehrende Essanfälle, bei denen in kurzer Zeit eine definitiv größere Nahrungsmenge als die meisten Menschen essen, zu sich genommen wird mit dem Gefühl von Kontrollverlust sowie unangemessenes Kompensationsverhalten sind erste Kriterien. Essanfälle und Kompensationsmethoden müssen im Schnitt mindestens zweimal wöchentlich für die Dauer von wenigstens drei Monaten auftreten. Ein weiteres Kennzeichen: Die Selbstwahrnehmung ist unangemessen stark auf Figur und Gewicht bezogen.
Eine gleichzeitige Anorexie (Magersucht) muss ausgeschlossen werden.

 

Wie wird eine Bulimie behandelt?

Eine gründliche ärztliche Untersuchung ist ratsam, um bereits entstandene Folgeschäden zu erkennen und zu behandeln. Dazu zählen: Blutabnahme (Untersuchung der Elektrolyte u.a.), Kontrolle der Nierenfunktion, Untersuchung des Verdauungstraktes, eine zahnärztliche Untersuchung. Fehlende Nährstoffe und Elektrolyte sollten ausgeglichen werden.
Die eigentliche Behandlung erfolgt in Form einer Psychotherapie, z.B. einer kognitiven Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, Familientherapie.
Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe ist mitunter hilfreich.
Bei schweren Formen kann eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Psychosomatischen Klinik – stationär oder ambulant – notwendig werden.

Ein Arzt oder Psychiater kann eine gleichzeitig bestehende  Depression erkennen und gegebenenfalls ein Antidepressivum verschreiben.

 

Weitere Informationen:

Tschiedl S., Bailer U.: Zum Kotzen. Wien 2010

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Redaktion: Mag. Alexandra Wimmer

Fachliche Freigabe: Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz, Facharzt für Psychiatrie, Neurologie sowie für Kinder- und Jugendneuropsychiatrie und Leiter der Spezialambulanz für Essstörungen am AKH Wien