Autismus

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Zusammenfassung
Autismus zählt zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und offenbart sich nicht als klar umrissenes Krankheitsbild, sondern kann sehr unterschiedliche Erscheinungsformen aufweisen. Grundsätzlich geht es um unterschiedliche Beeinträchtigungen vorwiegend im sozialen Bereich.

Was ist Autismus?

Was hinter dem Autismus steckt, ist völlig ungeklärt. Es wurden verschiedene Theorien entwickelt. Möglicherweise handelt es sich um die Folge einer nicht näher definierbaren Gehirnschädigung (Dysfunktion), die vor dem Hintergrund einer genetischen Prädisposition (vererbte Veranlagung) auftritt. Die Störung ist unabhängig von intellektuellen, sozio-ökonomischen oder ethnischen Faktoren. Buben sind 4 Mal häufiger betroffen als Mädchen. Die Häufigkeit hängt von den Definitionskriterien ab und wird auf 15–40 je 10.000 Kinder geschätzt.

Grundsätzlich geht es um unterschiedliche Beeinträchtigungen vorwiegend im sozialen Bereich.

Die Störung manifestiert sich häufig bereits in der Kindheit  und betrifft im Wesentlichen folgende Bereiche:

  • soziale Beziehungen,
  • soziale Kommunikation,
  • soziales Verständnis bzw. soziale Vorstellungsfähigkeit.

Daneben findet man aber auch andere Eigenheiten wie erhöhte Lärmempfindlichkeit oder schier unfassbar gutes Hörvermögen selbst für geringe Geräusche wie etwa das Summen einer Stubenfliege, die einen Autisten unsäglich quälen kann. Das lässt sich vielleicht am besten als eine Art „Filterdefekt“ definieren, da Nicht-Betroffene bestimmte Geräusche automatisch ausblenden, während der Autist das nicht tut.

 

Wie entsteht Autismus?

Zu den tatsächlichen Entstehungsmechanismen sind viele Theorien entwickelt worden, zahlreiche Untersuchungen wurden auf verschiedenen Ebenen durchgeführt. Letztlich liegt keine Klarheit über die Ursachen des Autismus vor. Da es sich vermutlich um eine Entwicklungsstörung handelt, geht man von einer hirnorganischen Komponente aus und sie könnte damit in die Kategorie der neurologischen Störungen eingereiht werden.

Die inzwischen obsolete Annahme, dass die Eltern, speziell die Mütter, durch zu wenig gefühlsmäßige Zuwendung die Schuld an autistischen Störungen treffe, ist sowohl durch klinische Erfahrungen als auch durch Forschungsergebnisse widerlegt worden. Statistisch findet man in den Familien der Betroffenen gehäuft Menschen mit Sprachstörungen, Lernschwierigkeiten und kognitiven Beeinträchtigungen. Andererseits weisen Betroffene zu ca. 50 % sogenannte „Inselbegabungen“ auf. Das heißt, sie sind auf einem bestimmten Gebiet weit überdurchschnittlich kompetent. Dies wurde früher als „Asperger-Syndrom“ bezeichnet. Zusammengefasst handelt es sich um eine derzeit nicht näher definierbare Entwicklungsstörung des Gehirns, von der in Österreich rund 48.500 Kinder betroffen sind. Eines der wesentlichen Grundprobleme liegt in der häufig zu späten Diagnose.

Mit Sicherheit falsch ist der Zusammenhang, der immer wieder zwischen dem Auftreten von Autismus und Impfungen hergestellt wurde. Das ist längst wissenschaftlich widerlegt und stand auch nie seriös zur Diskussion, obwohl es in Laien- und insbesondere Medienkreisen immer wieder angeführt wurde.

Aus Aktualitätsgründen sei erwähnt, dass die Universität Ulm kürzlich mit dem Gendefekt 16p11.2 ein Krankheitsbild definiert hat, das neben bestimmten Stoffwechseleigenheiten, die letztlich in extremer Fettleibigkeit enden (das Sättigungszentrum ist gestört), auch gehäuft Autismus-Symptomatik aufweist.

 

Wie erkenne ich Autismus?

Die Diagnose erfolgt meist innerhalb der frühen Kindheit. Man findet ein gestörtes Sprach- und Bewegungsverhalten vor. Ferner zeigt sich „Kontaktarmut“ bis hin zur sozialen Isolation und ein „Nichtverstehen und Akzeptieren“ der äußeren Einflüsse.

Im Detail zeigt sich folgendes Bild:

  1. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion in Form von fehlender sozialer und emotionaler Gegenseitigkeit. D.h., die Kinder können die Gefühle anderer Menschen nicht verstehen und sie daher nicht nachvollziehen. Dadurch können sie das eigene kommunikative und emotionale Verhalten nur schwer auf die soziale Situation einstellen.
  2. Qualitative Auffälligkeiten der verbalen und non-verbalen Kommunikation.
  3. Eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten.

Weitere Kriterien:

  • Eine auffällige und beeinträchtigte Entwicklung bereits vor dem dritten Lebensjahr (häufig Verzögerungen der Sprachentwicklung oder Ausbleiben von Sprache).
  • Das klinische Erscheinungsbild kann nicht einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder einer anderen psychischen Störung zugeordnet werden.

 

Wie erfolgt die Diagnose des Autismus?

Die Diagnose erfolgt durch einen Facharzt für Kinder-/Jugendpsychiatrie, um das Störungsbild von ähnlichen Störungen abzugrenzen. Eine exakte Psychodiagnostik mit standardisierten Untersuchungsinstrumenten stellt im Diagnoseprozess einen wesentlichen Baustein in der ganzheitlichen Erfassung der Symptomatik und Diagnosestellung dar. Folgende andere Störungen müssen ausgeschlossen werden: Intelligenzminderung ohne Autismus, expressive, rezeptive Sprachstörungen und Landau-Kleffner-Syndrom, Deprivation, frühkindliche Schizophrenie, Mutismus, Bindungsstörungen, Angststörungen und andere wie ADHS. ADHS-ähnliche Symptome kommen bei ASS allerdings gehäft vor,. Was gelegentlich zu Verwechslungen führt.

 

Was kann man bei Autismus tun?

Wesentlich ist die möglichst frühe Diagnose durch den Arzt. Die Behandlung folgt einem sogenannten multimodalen Konzept. Das heißt, sie stützt sich auf unterschiedliche Maßnahmen, vorwiegend verhaltenstherapeutisch-psychoedukativer Zielrichtung.

Das Behandlungsspektrum umfasst verschiedene therapeutische Verfahren zur aktiven Veränderung von Verhaltensstereotypien und zum Aufbau von Kompetenzen. Die Schwerpunkte liegen dabei in der Kommunikationsförderung (Sprachaufbau, Bild- und Symbolkommunikation, Gebärdensprache etc.), der Verbesserung des Sozialverhaltens, der Spielförderung, der Wahrnehmungsförderung, der Erweiterung der Handlungskompetenzen sowie der Bearbeitung sekundärer Verhaltensprobleme.

Beispiele für derartige Therapien sind: Verhaltenstherapie, sensorische Integrationstherapie, geführte Interaktionstherapie, lernpsychologisch systemorientierte Methoden oder kreative Verfahren. Am besten evaluiert sind edukative Ansätze wie TEACCH („Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children“) oder ABA („Applied behaviour Analysis“).

Ein innovativer Ansatz ist der Einsatz der medizinisch orientierten tiergestützten Therapie (am Österreichischen Institut für tiergestützte Therapie und Forschung verfügbar), die generell besonders gute Erfolge auf dem Sektor der Verbesserung der Sozialkompetenz für sich in Anspruch nehmen darf. Grundsätzliche handelt es sich um eine Behandlungsform, die die Beziehungsfähigkeit der Patienten stark verbessert.

Je nach Schweregrad besonders belastender Symptome wie Autoaggression, explosiver Aggressivität(Wutanfälle mit Zerstörungsdrang) oder Hyperaktivität kommen auch Psychopharmaka zu Einsatz. Eine Medikation dient allerdings lediglich der Eindämmung von Auffälligkeiten. Zum Einsatz kommen je nach Situation moderne Neuroleptika, Stimulantien und Antidepressiva. Medikamente alleine sind allerdings, wie bei anderen psychischen Störungen auch, der falsche Weg.

 

Wie kann ich Autismus vorbeugen?

Die Vorbeugung gegen eine Entwicklungsstörung ist nicht möglich. Ansätze im Bereich von Ernährung und Diätetik existieren, haben aber keine reale Bedeutung.

 

Wie verläuft Autismus?

Wie sich eine autistische Störung entwickelt, kann man nicht exakt vorhersagen. Generell hängt viel vom Schweregrad der Entwicklungsstörung und möglichen Begleitstörungen ab. Wichtig ist, dass die Störung früh erkannt und die Betroffenen vor allem durch nicht-medikamentöse Therapien entsprechend behandelt und gefördert werden.

Die Symptome der Krankheit sehen in den verschiedenen Altersstufen unterschiedlich aus, in der Kindheit sind sie meist am stärksten ausgeprägt. Im Vorschulalter zeigt sich häufig das volle Spektrum der Störung. Im Schulalter mildert sich häufig die Symptomausprägung. Im Jugendalter und im frühen Erwachsenenalter erreicht etwa die Hälfte der Betroffenen eine deutliche Verhaltensbesserung, während die Störung bei anderen stagniert oder sich die Symptome wieder verstärken. Einige Patienten können mit ambulanter Hilfe gut in die Familie integriert werden, eine/n normale/n Kindergarten bzw. Schule besuchen, evtl. eine Berufsausbildung absolvieren und relativ viele Dinge im Alltag allein verrichten. Bei anderen Betroffenen wiederum ist die Störung so ausgeprägt und die Selbstverletzungsgefahr so groß, dass die Patienten in einer betreuten Wohnform besser aufgehoben sind als zu Hause und dort auch optimal gefördert werden.

Wesentliche Faktoren sind etwa Früherkennung und Behandlung sowie die Frage der Berufswahl – letztlich muss das Leben an die Störung angepasst werden. Als Folge kann das Ergebnis sowohl ein weltberühmter theoretischer Quantenphysiker als auch ein weitestgehender Pflegefall sein. Die beschränkte Fähigkeit zu sozialen Kontakten kann dazu führen, dass daraus eine Soziophobie resultiert, die mit herkömmlichen Mitteln nicht beherrschbar ist.

 

Wann sollte man einen Arzt bei Verdacht auf Autismus aufsuchen?

Sobald ein Kind eines oder mehrere der oben angeführten Entwicklungsstörungen zeigt und dadurch in seiner alterstypischen Entwicklung eingeschränkt ist, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

 

Welche Hausmittel gibt es bei Autismus?

Es gibt keine Hausmittel bei Autismus.

 

Weitere Informationen:

www.autistenhilfe.at

www.autismus.at

www.autismus1.de

www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de

Aarons M., Gittens T.: Das Handbuch des Autismus. Weinheim 2010

Redaktion: Dr. Wolfgang A. Schuhmayer

Fachliche Freigabe: Ass.-Prof.in Dr.in Brigitte Hackenberg, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Univ.-Klinik f. Kinder- und Jugendheilkunde am AKH Wien, 1090 Wien