Hypotonie: Was tun bei niedrigem Blutdruck?

©panthermedia.net, Severin Schweiger

Im Gegensatz zum erhöhten stellt ein erniedrigter Blutdruck (niedriger Blutdruck, Hypotonie, Hypotension, Hypotonus) in den meisten Fällen kein Gesundheitsrisiko dar. Ein “Leben auf Sparflamme“ hat aber auch so seine Tücken…

Ein Hypotonus liegt vor, wenn die Blutdruckwerte unterhalb von 100/60 mm Hg liegen. Viele wissen gar nicht, dass sie niedrigen Blutdruck haben, weil er oft keine Beschwerden hervorruft. Andere wieder spüren vor allem bei sommerlichen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit bzw. Wetterumschwüngen, dass das Blut mit verminderter Power in den Gefäßen zirkuliert. Denn eine Hypotonie kann mit unangenehmen Begleiterscheinungen einhergehen wie Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Sehstörungen (“Schwarzwerden“ oder “Flimmern“ vor den Augen), Antriebslosigkeit, rascher Ermüdbarkeit, einer Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, einem Kältegefühl (kalte Hände und Füße), Herzklopfen, Gangunsicherheit oder sogar einer Neigung zur Ohnmacht.

Erst wenn der Blutdruck zu weit absinkt, droht eine Mangeldurchblutung wichtiger Organe wie Herz oder Hirn. Spätestens nun ist es Zeit für kreislaufstützende Maßnahmen, denn dann kann die ursprünglich harmlose Abweichung vom Normalzustand zu unter Umständen gefährlichen Komplikationen (z.B. Sturz infolge des Schwindels) führen.

Ursache: meist harmlos, manchmal ernst

Je nach Auslöser unterscheidet man zwischen einer primären (Ursache unbekannt), sekundären (durch krankhafte oder äußere Faktoren bedingt) und orthostatischen (beim schnellen Übergang vom Liegen zum Stehen Absacken des Blutes in die Beine) Hypotension.

Körperbau, Gewicht und Trainingszustand eines Menschen bestimmen mit, wie hoch dessen Blutdruck ist. So neigen insbesondere Jugendliche, schlanke junge Frauen, Schwangere und hagere Senioren zu niedrigem Blutdruck. Zudem weisen viele Hochleistungssportler eine sogenannte vagotone Hypotonie auf – bei Durchtrainierten kein krankhafter, sondern ein physiologisch normaler Zustand. Auch Stress bewirkt bei manchen Menschen einen Blutdruckabfall.
Einer sekundären Hypotonie können hormonelle Störungen zugrunde liegen wie z.B. eine Nebennierenunterfunktion (M. Addison) oder Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Oder bestimmte Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie

  • ein Karotissinus-Syndrom: arteriosklerotische oder tumorös bedingte Verengung im Anfangsteil der inneren Kopfschlagader
  • ein Vena-cava-inferior-Syndrom (untere Einflussstauung): Behinderung des venösen Blutrückstroms z.B. infolge Kompression der unteren Hohlvene durch einen Tumor im Bauchraum oder eine Verlegung der Hohlvene bei einer Beckenvenenthrombose
  • ein Perikarderguss: Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel
  • Kardiomyopathien: Herzmuskelleiden, oft verbunden mit einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)

Ein erniedrigter Blutdruck kann auch im Rahmen von Infektionen oder Vergiftungen auftreten oder Folge einer Hypovolämie (verminderte Blutmenge im Kreislauf, z.B. nach größerer Blutung) oder eines Drogenmissbrauchs sein.

Nicht zuletzt gibt eine Reihe von Medikamenten (z.B. Psychopharmaka), die den Blutdruck senken. Allen voran Antihypertensiva, die zur Behandlung eines zu hohen Blutdrucks eingesetzt werden, bei Überdosierung aber eine Hypotonie hervorrufen können.

Hypotonie erkennen

Eine einzige Messung, die niedrige Blutdruckwerte ergibt, macht noch keine Hypotonie. Zu ihrem Beweis sind wiederholte Blutdruckmessungen bzw. eine 24 Stunden-Blutdruckmessung (Blutdruckprofil über einen Tag) erforderlich. Eine Ergometrie (Herz-Kreislauf-Belastungstest) gibt Aufschluss über das Blutdruckverhalten unter Belastung und den Trainingszustand. Sie deckt auch etwaige Durchblutungs- oder Rhythmusstörungen des Herzens auf, die den Blutdruck beeinflussen. Blut- und Harnanalysen zeigen, ob blutdrucksenkende Stoffwechsel- oder Hormonstörungen (z.B. Hypothyreose) vorliegen.

Eine orthostatische Hypotonie erkennt der Arzt mittels Schellong-Test, der auf die Beurteilung der Regulationsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems abzielt. Bei dem Test werden mehrere Messungen von Blutdruck und Puls in aufeinander folgendem Liegen und Stehen durchgeführt. Fällt der Blutdruck im Stehen um mehr als 20 mm Hg systolisch und 10 mm Hg diastolisch bzw. treten Symptome wie Bewusstseinsstörungen oder Schwindel auf, sind das Anzeichen für eine orthostatische Hypotonie.

Nicht immer Handlungsbedarf

Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als Risikofaktor für verschiedene Herz-Kreislauf-Leiden wie z.B. Schlaganfall, führt er doch zu vermehrten arteriosklerotischen Gefäßveränderungen. Er muss zur Vermeidung solcher u.U. lebensbedrohlichen Komplikationen adäquat behandelt werden. Anders der zu niedrige Blutdruck, sofern dahinter keine ernste Erkrankung steckt. Er bedarf in der Regel nur dann einer Therapie, wenn er Beschwerden verursacht, was nicht zwingend der Fall ist. Bereitet er doch Probleme, sind nicht gleich chemische Keulen notwendig.

Zu niedriger Blutdruck – was tun?

Die Behandlung einer Hypotonie hängt von ihrer Ursache ab. Tritt sie im Rahmen einer Krankheit (z.B. Schilddrüsenunterfunktion) auf, muss diese therapiert werden. Ist weder ein Medikament noch eine Erkrankung schuld am zu niedrigen Blutdruck, lautet das Ziel der Behandlung, dem Versacken einer größeren Blutmenge in die untere Körperhälfte vorzubeugen und die Regulationsfähigkeit der Gefäße anzukurbeln. Wirksam sind:

  • Wechselduschen (abwechselnd warm und kalt, zuletzt kalt)
  • Bürstenmassagen in Richtung Herz
  • regelmäßiger Sport (z.B. Schwimmen, Radfahren, Wandern, Tanzen, Gymnastik)
  • eine eher salzhaltige Ernährung
  • eine ausreichende tägliche Flüssigkeitszufuhr (Mineralwasser, Kräuter- und Früchtetees,  Obst- und Gemüsesäfte)
  • Schlafen auf erhöhtem Kopfende
  • Strategien zur Stressbewältigung wie z.B. Entspannungstechniken (z.B. Yoga, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson)
  • bei Krampfadern das Tragen von Stützstrümpfen oder Bandagen
  • die Meidung von Hitze, sofern möglich

Helfen genannte Maßnahmen nicht, bringen pflanzliche Stimulantien (z.B. Crataegutt®) oder bestimmte Medikamente wie z.B. Etilefrin (Effortil®) den Kreislauf wieder in Schwung.

 

 

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