Rizinus: giftige Samen, heilsames Öl

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Rizinusöl ist der wertvollste Bestandteil einer hübschen Zierpflanze, der vor allem gegen Darmträgheit und Hautleiden hilft. Einen Rizinusstrauch im Garten zu setzen sollte man sich trotzdem gut überlegen. Denn einen Haken hat der Wunderbaum und der lautet: giftige Samen, die schon so manchem Menschen oder Tier das Leben gekostet haben.

Der Rizinus (wissenschaftlich: Ricinus communis; lat.: ricinus = Zecke, denn Rizinussamen ähneln vollgesogenen Zecken) ist ein im Nahen Osten und Afrika beheimateter, in subtropischen bis tropischen Gegenden (v.a. in Indien, China, Thailand, Paraguay, Brasilien) angebauter, weltweit als Zierpflanze geschätzter Strauch, der zur Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) gehört. Grabbeigaben und schriftliche Dokumente aus Ägypten belegen, dass er bereits seit mehreren tausend Jahren angepflanzt wird.

Unter optimalen Bedingungen wächst der Rizinus so schnell, dass er schon innerhalb weniger Monate bis zu 5 Meter (Endgröße: 2 bis 12 Meter) hoch werden kann, was ihm die Bezeichnung Wunderbaum beschert. Kräftige Wurzeln sorgen mit ihren starken Verzweigungen für den nötigen Halt des Strauchs.

Die mehrjährige Wildpflanze, die halbwegs sonnige Standorte und humusreiche, feuchte Böden, aber keine Staunässe mag, kann auch längere Dürreperioden (z.B. auf Schuttplätzen und an trockenen Wegrändern) überstehen. Ihr oberirdischer Teil stirbt im Winter ab, um – sofern der Winter nicht zu frostig war – im darauffolgenden Frühling erneut auszutreiben. Als Kulturpflanze ist der Rizinus hingegen meist einjährig.

Die wechselständig bis spiralartig wachsenden, schildartigen, in 5 bis 9 tiefe lanzettliche, gezähnte Abschnitte geteilten, violett-grünen Blätter des Rizinus sind handförmig und 30 bis 50 cm breit. Sie sitzen auf ebenfalls grün-violett gefärbten aufrechten und unbehaarten, bei der Wildform baumartig verholzten Stielen.

Von Juli bis Oktober treten in den Blattachseln in rispenartigen Trauben stehende Rizinusblüten (unten: männliche Blüten mit verzweigten, gelben Staubblättern, oben: weibliche Blüten mit intensiv roten Narben) in Erscheinung. Aus ihnen entwickeln sich bis in den Spätherbst in weichen, stacheligen 2 cm breiten, dreifächrigen Fruchtkapseln bohnenförmige, rotbraun-grauweiß marmorierte, glatte, glänzende Samen mit sehr harter Schale und einer Caruncula (wurzelartiges Anhängsel). Diese auch Castorbohnen genannten, schnell keimenden (daher: rasche Ausbreitung der Pflanze) Samen werden von September bis November gesammelt und geschält, um durch kalte Pressung das wertvolle, wenn auch nicht gerade toll schmeckende Rizinus-Öl (Ricini oleum) zu gewinnen. Sie enthalten außer dem Öl auch Proteine.

An Inhaltsstoffen bietet der Rizinus außer dem Öl, das Bestandteile wie Öl-, Linol-, Palmitin-, Stearinsäure und Tocopherole umfasst, Alkaloide, Bitterstoffe, ätherisches Öl, Glyceride, Pyridin-Alkaloid, Ricin, Rizinolsäure, Toxalbumin und Tririzinolein.

Wirkorte: Darm & Haut

Die Naturheilkunde schreibt dem Rizinus, auch genannt Christuspalme (Palma Christi), Hundsbaum, Läusebaum, Römische Bohne oder Wunderbaum, abführende, erweichende, entzündungshemmende, milchtreibende und wurmaustreibende Eigenschaften zu und setzt ihn bzw. sein Öl gegen Hautleiden wie Pickel, Schuppen, Warzen, Altersflecken, Abzesse, Eiterbeulen, Geschwüre und Narben ein, außerdem gegen Augen- oder Gelenkentzündungen, Verstopfung, Wurmbefall und zur Weheneinleitung sowie zum Vertreiben von Insekten (z.B. Küchenschaben).

Heilsames Rizinusöl

Im alten Ägypten wurde das fast geruchlose, farblose bis gelbliche, dickflüssige Öl aus den Rizinussamen für Medizin, Schmuck, Lampen und Kosmetika (z.B. Haaraufhellungs-, Haarwuchsmittel) verwendet. Die Samen wurden gekaut, um den Darm zu entleeren, was wohl des Öfteren zu einer (tödlichen) Vergiftung inklusive so schlimmen Symptomen wie Erbrechen, blutiger Durchfall, Koliken, einer Nierenentzündung, Leberschäden und Kreislaufproblemen geführt hat.

Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte man schließlich, dass das Rizinusöl in der Karibik zur Anregung der Verdauung genutzt wird, ohne Vergiftungserscheinungen auszulösen. Seither findet es als Abführmittel Einsatz, etwa in Form eines Trunks (Geschmacksverbesserung durch Kühlung, Zusatz von Fruchtsirup oder Zitronensaft, warmer Milch oder Kaffee), Klistiers oder fertiger Rizinus-Öl-Kapseln. Die abführende Wirkung geht auf die Ricinolsäure zurück, die bei der Verdauung durch die Einwirkung von Galle und Bauchspeicheldrüsensekret aus ihrem Triglycerid, dem Triricinolein, entsteht und natürliche Histamine freisetzt, die die Darmmuskulatur auf Vordermann bringen. Teilweise führen die aktivierten Histamine auch zu einer Bildung von Prostaglandin E2 (PGE2), das Kontraktionen (Muskelzusammenziehungen) des Darms, aber auch der Gebärmutter (daher: Nutzung als “Wehencocktail“) sowie eine vermehrte Sekretion von Elektrolyten und Wasser in den Darm auslöst.

Das zweite Organ, das neben dem Darm vom Rizinusöl profitiert, ist die Haut. Denn das Öl glättet und schützt sie, macht sie weicher, soll sogar die Kollagen-Produktion fördern und – z.B. in Form von Hautwickeln oder -auflagen – helfen, dass Hautverletzungen rascher heilen und Hautreizungen abklingen. Allerdings tritt – selten, aber doch – ein Jucken oder Brennen nach seiner Einwirkung auf, was seine Anwendungsdauer verkürzt.

Schmerzhafte Arthrosen und Leberbeschwerden zählen zu weiteren Einsatzgebieten von Rizinusöl. Meist in Form eines Rizinuswickels.

Heute nutzt die Industrie Rizinusöl vorwiegend zur Herstellung von Kosmetika (Haar-, Hautpflegemittel, Massageöl), Farben, Schmiermittel, Fasern, Papier und als Schmieröl (Castorwachs = hydriertes Ricinusöl).

Neben dem wenig attraktiven Geschmack bietet Rizinusöl an Nachteilen mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Koliken. Schwangere, Stillende, Frauen mit heftigen Menstruationsblutungen, Kinder unter 10 Jahren sowie Menschen mit einem Darmverschluss, Entzündungen im Magen-Darm-Trakt (sonst: weitere Reizung), sensiblem Magen, Gallensteinen (sonst: Koliken), Störungen der Fettverdauung, einem schweren Flüssigkeitsmangel oder solche, die Antihistaminika einnehmen, verzichten daher besser darauf.

Eine zu langfristige Anwendung kann – genauso wie bei anderen Abführmitteln – zu Verstärkung einer bestehenden Darmträgheit oder auch einer Hemmung der Aufnahme fettlöslicher Vitamine führen.

Auch bei Vergiftungen empfiehlt sich – entgegen öfter zu findender anderslautender Ratschläge – sein Einsatz nicht, da manche Gifte sonst vom Organismus sogar noch schneller aufgenommen statt eliminiert werden. Ähnliches gilt für Medikamente, die im gleichen Zeitraum eingenommen werden. Sie können in ihrer Wirkung durch das Öl verstärkt und abgeschwächt werden. So führt etwa ein Dauergebrauch oder eine zu hohe Dosis von Rizinusöl infolge eines Kaliummangels zu einem erhöhten Effekt von Herzglykosiden (Herzmuskel-stärkende Arzneimittel) oder zu einer Beeinflussung von Antiarrhythmika (Mittel gegen Herzrhythmusstörungen).

Jedenfalls gehört das Öl vor Licht, Luft und Feuchtigkeit geschützt gelagert, d.h. am besten bei normaler Zimmertemperatur in einer braunen Flasche oder in einem dunklen Schrank aufbewahrt.

Vorsicht: giftige Samen

Anders als das Rizinusöl sind die Samen (Ricini semen), denen das Öl entstammt, hochgiftig. Für diese starke Toxizität (tödlich: 0,25 mg reines Ricin, entspricht dem Verzehr von 1 bis 3 Samen bei Kindern, rund 5 bis 10 bei Erwachsenen) verantwortlich ist das in Öl unlösliche Lektin Rizin, das nach dem kalten Auspressen der Samen – neben dem ebenfalls giftigen und als potentes Allergen (CB-1A) wirkenden Pyridin-Alkaloid Ricinin – in den Pressrückständen verbleibt. Dieser “Presskuchen“ wird per Wasserdampf erhitzt, um die letzten Spuren der toxischen Eiweiße zu denaturieren, sodass er bedenkenlos als Tierfutter und organischer Dünger verwendet werden kann.

Gegen Rizin, das die Proteinbiosynthese hemmt und so zum Absterben von Zellen führt (daher: Antitumoraktivität), ist bislang kein Gegengift bekannt. Deshalb empfiehlt es sich, Rizinus an für Kinder, Haus- und Nutztieren nicht zugänglichen Orten anzupflanzen und darauf zu achten, dass die Haut beim Sammeln und Verarbeiten der Pflanze nicht mit den Samen in Kontakt kommt, um keine (allergischen oder toxischen) Hautreizungen (Rötungen, Juckreiz) oder andere Vergiftungserscheinungen, die sich auch erst nach mehreren Stunden oder Tagen zeigen können, zu riskieren.

Letztere äußern sich in Unwohlsein mit Blässe, Fieber, Zittern, Schwindel, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Brechreiz, bei schweren Vergiftungen in einem massiven Flüssigkeitsverlust und Kreislaufzusammenbruch, einer Bewusstseinsverminderung, Krampfanfällen und Herzrhythmusstörungen. Als erste Maßnahmen gegen eine Vergiftung mit Rizinussamen dienen die Gabe von Aktivkohle zur Bindung des Giftstoffs bzw. ein herbeigeführtes Erbrechen sowie eine Magenspülung.

Vorsicht geboten ist auch bei Halsketten aus tropischen Samen, worunter sich solche des Rizinus befinden können, die hier, da durchbohrt, ihr Gift via mögliche Hautverletzungen in den Organismus einbringen.

 

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