Hämangiom: wuchernde Blutgefäße als Schönheitsmakel

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Hämangiome (Blutschwämme) beginnen meist als kleine bläulich-rote Hautveränderungen, können aber rasch wachsen und kosmetisch oder auch funktionell stören. Ob die fast immer harmlosen, zur Selbstheilung neigenden Tumore behandelt werden müssen, entscheidet sich von Fall zu Fall.

Ein Blutschwamm (Hämangiom) ist ein gutartiger Tumor, der durch eine Neubildung des Endothels (Innenauskleidung) von Kapillaren (kleinste Blut- und Lymphgefäße) unbekannter Ursache (hormonell? genetisch? Wachstumsfaktoren?) zustande kommt. Er entwickelt sich meist unmittelbar nach der Geburt oder in den ersten Lebenswochen und zeigt oft eine Tendenz zu raschem Wachstum. Frühgeborene weisen deutlich häufiger einen Blutschwamm auf als ausgereifte Neugeborene.

Man unterscheidet zwischen kapillären und kavernösen (erweiterte, blutgefüllte Gefäße) Hämangiomen. Grundsätzlich können sie sich überall am Körper, auch an inneren Organen, bilden. Am häufigsten findet man sie aber im Kopf- und Halsbereich. Sprießen sie auf der Haut oder einer Schleimhaut, werden sie als gut abgegrenzte, rötlich-bläuliche Veränderungen sichtbar. Wachsen sie in inneren Organen, können sie bei entsprechender Größe deren Funktionen behindern. Hämangiome müssen aber nicht zwangsläufig körperliche Auswirkungen haben und verschwinden teilweise von selbst wieder, können aber u.U. Narben oder Pigmentierungen hinterlassen. Bleiben sie, verursachen sie aufgrund ihrer auffälligen Optik bei ihren Trägern oft seelische Probleme.

“High risk“- Blutschwämme

Hämangiome sind nicht in jedem Fall harmlos. Sitzen sie an bestimmten Stellen, können sie zu Komplikationen führen (z.B. in der Luftröhre: Atemnot) und erfordern dann eine rasche Therapie.

Sind – vermutlich aufgrund embryonaler Fehlbildungen – gleichzeitig mehrere Blutschwämme vorhanden, spricht man von einer Hämangiomatose. Sie kann auf seltene, mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbundene Krankheiten hinweisen wie z.B.

das Sturge-Weber Syndrom (SWS, Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom, enzephalotrigeminale Angiomatose, Neuroangiomatosis encephalofacialis, Angiomatosis encephalooculocutanea, Brushfield-Wyatt-Syndrom): Typisch ist ein im Versorgungsgebiet des fünften Hirnnerven (Nervus trigeminus) auftretendes Feuermal, meist kombiniert mit einer Angiomatose der Hirnhäute auf derselben Seite, die oft mit epileptischen Anfällen, Lähmungserscheinungen oder auch einer geistigen Retardierung einhergeht. Wächst an der Aderhaut eines Auges ein Hämangiom, kann es zu einer Hemianopsie (halbseitiger Gesichtsfeldausfall) sowie zu einem Anstieg des Augeninnendrucks (Glaukom, grüner Star) kommen.

das Hippel-Lindau-Syndrom (Von-Hippel-Lindau-Czermak-Syndrom, Morbus Hippel-Lindau, VHL, enzephaloretinale Angiomatose, Angiomatosis cerebelli et retinae, Netzhautangiomatose): Typisch für die autosomal dominant vererbbare Erkrankung (Mutationen am Chromosom 3) sind zahlreiche Angiome in der Retina (Netzhaut) der Augen, im Gehirn (z.B. Kleinhirn, Hirnstamm) und Rückenmark. Oft existieren – in individuell variabler Zahl und Ausprägung – auch Missbildungen innerer Organe wie z.B. Leber-, Nieren- oder Bauchspeicheldrüsenzysten und Nieren-, Nebennieren- oder Lebertumore. Je nach Organbefall zeigen sich Symptome wie Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Seh- oder Gleichgewichtsstörungen, Hirndruckzeichen usw.

das Kasabach-Merritt-Syndrom (Hämangiom-Thrombozytopenie-Syndrom): Riesenhämangiome an den Extremitäten in Verbindung mit einer Verbrauchskoagulopathie (Gerinnungsstörung mit deutlich erhöhter Blutungsneigung) kennzeichnen die familiär gehäuft vorkommende Krankheit, die neben der Entfernung der Hämangiome auch die Gabe von Blutplättchen notwendig machen kann.

Diagnose Blutschwamm: ein Blick genügt

Zur Erkennung eines Hämangioms auf der Haut oder Schleimhaut reicht in der Regel eine Inspektion (optische Begutachtung). Bestehen doch einmal Zweifel, sorgt eine Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) aus dem Tumor mit anschließender mikroskopischer Untersuchung für Klarheit.

Zur Beurteilung der Wachstumsgeschwindigkeit eines Blutschwamms empfiehlt sich das Anlegen einer Schablone oder eine Fotodokumentation. Größen- und Tiefenausdehnung sowie Verlauf (z.B. Rückbildungszeichen: Gewebeverdichtung und rückläufige Durchblutung) zeigen sich im Ultraschall. Wie es mit der Abgrenzung zu benachbarten Organen steht, verrät ein CT (Computertomogramm) oder MRT (Magnetresonanztomogramm). Eine Angiographie (Gefäßröntgen mit Kontrastmittel) klärt, ob größere Gefäße ins Hämangiom münden.

Bestehen mehr als drei Blutschwämme, sollte gezielt per Ultraschall nach Hämangiomen an inneren Organen gesucht werden, damit solche in der Leber, im Herzmuskel oder Gehirn nicht unentdeckt und damit unbehandelt bleiben und so zu schweren Funktionsstörungen führen.

Hämangiom: Nicht immer ist eine Behandlung notwendig

Kleine, kosmetisch nicht störende Hämangiome ohne gesteigerte Wachstumstendenz und Gefahr der Verunstaltung erlauben ein Zuwarten und Beobachten – unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle. Nimmt ein Blutschwamm hingegen schnell an Größe zu, sollte er rasch einer Therapie zugeführt werden. Vor allem, wenn er im Gesicht oder Intimbereich wächst, denn dann kann er u.U. das Sehen, Hören, Essen, Sprechen oder Atmen behindern bzw. Blutungen, Geschwürbildungen, Entzündungen und Infektionen durch Stuhlverschmutzung oder Reibung an der Kleidung oder Windel, vor allem aber Entstellungen hervorrufen. Eine frühzeitige Behandlung bietet zudem den Vorteil, dass sie später notwendige aufwändigere Eingriffe erspart.

Je nach Art, Lokalisation, Ausdehnung und Verlauf der Geschwulst kommen folgende Methoden zur Anwendung:

  • Kryotherapie (Vereisung mit flüssigem Stickstoff): Es können Narben zurückbleiben.
  • Lasertherapie: Liefert meist ein kosmetisch ansprechendes Ergebnis. Es können aber mehrere Behandlungssitzungen erforderlich sein und auch Narben verbleiben.
  • Elektrokoagulation (Verschmoren mit Strom)
  • Sklerosierung (Verödung)
  • chirurgische Verfahren
  • Kortison
  • Interferon: Findet ev. Anwendung bei erfolgloser Kortisontherapie, kann aber spastische Lähmungen verursachen.
  • Betablocker: sofern keine Kontraindikationen (bestimmte Herzfehler, obstruktive Bronchitis, eingeschränkte Nierenfunktion etc.) bestehen und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten, kommt Propanolol bei Hämangiomen in problematischer Lage (Augen, Nase, Lippen, Ohren, Intimbereich) und großen Hämangiomen im Gesicht, am Stamm oder an den Extremitäten zum Einsatz. Timolol-Lösung, auf oberflächliche Blutschwämme aufgetropft, bringt diese zur Rückbildung.

 

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