Vergiftung: Was tun bei einer Intoxikation?

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Chemikalien, Medikamente, Drogen, aber auch manche Pflanzen oder Tiere – die Liste möglicher Gifte ist lang. Kommt es zu einer Intoxikation (Vergiftung), hilft fachkundiger Rat. Von der Vergiftungsinformationszentrale mit der Telefonnummer +43 (0)1 406 43 43.

Ein Schluck aus der Limonadenflasche, in der sich jedoch ein Reinigungsmittel befindet. Die versehentliche mehrmalige oder in Selbstmordabsicht getätigte Einnahme von Medikamenten. Oder auch eine defekte Gastherme, aus der Kohlenmonoxid strömt. Vergiftungen lauern überall. Dann ist die Hektik meist groß und guter Rat teuer. Erbrechen auslösen, wie man es mal gelesen hat, oder lieber nicht? Wasser nachtrinken oder doch nicht? Lesen Sie hier, was bei einer Intoxikation zu tun ist.

Vergiftungszeichen: meist wenig charakteristisch

Einige Substanzen (z.B. Schlangengift) sind per se giftig, andere (z.B. Medikamente) nur in höherer Menge. Definitionsgemäß liegt dann eine Vergiftung vor, wenn nach Kontakt mit einem Stoff Symptome aufreten. Und die gestalten sich – je nach Art, Menge und Aufnahmeweg (Mund, Haut, Atemwege) des Giftes – unterschiedlich. Nur zu einem sehr geringen Prozentsatz verursachen bestimmte Gifte unverwechselbare Beschwerden. Die Mehrheit aller Vergiftungen zeigt sich mit unspezifischen Zuständen wie z.B. Durchfall, Verstopfung, Kopf- oder Bauchschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Atemproblemen, Krampfanfällen, Bewusstseinstrübungen u.a.m.

Erste Hilfe bei Vergiftungen

Priorität hat – wie bei jedem Notfall – zuallererst der Eigenschutz des Helfers. Zum Beispiel ohne entsprechende Vorkehrungen in Räumlichkeiten stürmen, um Ohnmächtige zu versorgen, die einem Gasgebrechen zum Opfer gefallen sind, ist eher unklug als heldenhaft. Daher: Den Verletzten bei Bedarf und unter Beachtung des Eigenschutzes aus der Gefahrenzone bringen. Besteht jedoch eine starke Eigengefährdung, lieber einen Notdienst (Feuerwehr: 122, Rettung: 144) rufen, um den Verunglückten zu bergen.

Ist ein gefahrloser Kontakt mit dem Vergifteten möglich, wenn erforderlich (z.B. Bewusstlosigkeit, Herz-, Atemstillstand) Wiederbelebungsmaßnahmen (z.B. Herzdruckmassage) durchführen und die Rettung verständigen (besser: ein weiterer Helfer übernimmt das). Auch hierbei gilt: Selbstschutz hat Vorrang – etwa bei der Mund-zu-Mund-Beatmung, die nach Vergiftung z.B. durch Organophosphate, Cyanide, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Methanol etc. auch für den Helfer schädlich sein kann.

Ist der Verletzte bei Bewusstsein, seinen Zustand laufend überwachen, denn der kann sich jederzeit ändern, aber keine eigenmächtigen ”Entgiftungsmanöver” veranlassen, denn gerade bei Vergiftungen können diese unwirksam bis sogar gefährlich sein. So schadet etwa provoziertes Erbrechen bei bestimmten Vergiftungen doppelt: einerseits durch neuerlichen Kontakt der Mund-, Rachen- und Speiseröhrenschleimhaut mit dem Gift (z.B. Lauge). Andererseits kann saurer Mageninhalt in die Atemwege gelangen und eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) auslösen.

Was wirklich angesagt ist bei einer Vergiftung, hängt von deren Auslöser ab. Und der Art, wie die Substanz an oder in den Körper gekommen ist. Eines aber bleibt bei allen Intoxikationen gleich: Ob und was unternommen werden muss, das klärt man am besten mit fachkundiger Hilfe. Die gibt es rund um die Uhr bei der Vergiftungsinformationszentrale (VIZ). Ihre Telefonnummer – die man ebenso wie andere Notrufnummern immer parat haben sollte – lautet +43 (0)1 406 43 43. Informationen, die die dort arbeitenden speziell geschulten Ärztinnen und Ärzte vor allem benötigen, sind:

Die sechs wichtigen W’s

  • Was? Giftstoff/Produkt: Hersteller, Verpackungsgröße, Konsistenz.
  • Wie viel? Die möglichst exakte Menge (z.B. ein Schluck, ein Kaffeelöffel, Stückzahl usw).
  • Wann? Zeitpunkt der Einnahme bzw. Zeitspanne bis zur Entdeckung der Vergiftung.
  • Wer? Alter, Gewicht, Geschlecht und Allgemeinzustand des Betroffenen.
  • Wie? Art der Giftaufnahme (z.B. über den Mund, die Atemwege, die Haut usw).
  • Warum? Unfall oder Selbstmordversuch (z.B. aufgefundene Medikamentenpackungen).

Giftelimination

Die Giftelimination (Giftentfernung) obliegt ärztlicher Hand. Sie hat zum Ziel, die Giftaufnahme am Einwirkungsort (Haut, Schleimhaut, Magen-Darm-Trakt) zu stoppen oder wenigstens zu reduzieren (primäre Elimination). Das umfasst – je nach Einnahmeart und -menge, den Eigenschaften des Giftstoffes, der Zeitspanne seit dessen Einnahme und dem Zustand des Patienten (z.B. Bewusstseinsgrad) Methoden wie:

  • Gabe von Aktivkohle: Sie wirkt – allerdings nur in sehr hoher Dosis – meist lediglich bis zu einer Stunde nach der Giftaufnahme.
  • Magenspülung: Sie erfolgt nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung (beachtliche Komplikationsrate) und  unter stationären Bedingungen.
  • Beatmung mit 100 Prozent Sauerstoff: Sie ist bei schweren Vergiftungen mit Gasen (z.B. Kohlenmonoxid) erforderlich und wird an Intensivstationen durchgeführt.
  • Antidot-Therapie: Zu einigen Giften und Medikamenten existieren Antidote (Gegengifte), die deren Wirkung aufheben. Sie kommen im Fall einer eindeutigen Intoxikation zur ärztlichen Anwendung (z.B. Naloxon bei Opiat-Überdosis).

War die Giftaufnahme nicht zu verhindern bzw. vermindern, bleibt nur noch die sekundäre Elimination, bei der versucht wird, das Toxin (Giftstoff) bzw. dessen Abbauprodukte aus dem Organismus zu entfernen. Das geschieht v.a. bei hohem Bluspiegel des Giftes, bereits eingetretenen Organschäden (Leber, Niere) oder Nichtansprechen auf schon versuchte Behandlungen. Zu diesem Zweck kommen z.B. eine medikamentöse Anregung der Harnausscheidung, Hämodialyse (Blutwäsche oder Hämoperfusion (Blutfilterung) zur Anwendung.

Vergiftungen verhindern

Das ist sicherlich die beste Methode, aber natürlich nicht immer möglich. Bestimmte Vorsichtsmaßnahmen sollten jedoch vor allem in Haushalten, in denen Kinder leben, auf jeden Fall getroffen werden:

  • Bunte Pillen ähneln Bonbons und verführen daher gern Kinder, davon zu “naschen“. Daher: Arzneien an einem für Kinder unerreichbaren Ort aufbewahren (z.B. absperrbares Medikamenten-Kästchen) und sie dort nach jedem (!) Gebrauch wegschließen.
  • Ebenso Chemikalien wie Putz-, Spül- und Waschmittel an für Kinder unzugänglichen Orten lagern (z.B. in verschließbaren Schränken). Keinesfalls solche Chemikalien in Lebensmittelverpackungen (z.B. Limonadenflaschen) umfüllen. Sonst drohen schwere bis lebensbedrohliche Verätzungen der Speiseröhre. Behälter mit Chemikalien oder anderen Giften immer deutlich kennzeichnen und mit kindersicheren Verschlüssen versehen. Beim Hantieren mit den Chemikalien besondere Aufmerksamkeit walten lassen: Das Gefäß verschließen, wenn man sich einem Kind zuwendet oder abgelenkt (z.B. Telefon) wird.
  • Raucher müssen darauf achten, dass keine Zigarettenstummel und -packungen herumliegen, denn Kleinkinder imitieren gern ihr Verhalten und stecken Zigarettenstummel aus dem Aschenbecher in den Mund. Bereits Tabakreste können bei Kleinkindern Vergiftungen hervorrufen.
  • Alkoholische Getränke sollten nicht frei herumstehen, denn auch sie sind schon in geringen Mengen für Kleinkinder gefährlich. Genauso wie Medikamente, Chemikalien und Tabakwaren sollten Alkoholika an für Kinder unzugänglichen Stellen aufbewahrt und nur mit besonderer Vorsicht konsumiert werden.
  • Balkon- oder Gartenbesitzer sollten darauf achten, dass sich dort keine Giftpflanzen befinden .
  • Unabhängig aller Vorsichtsmaßnahmen ist es ratsam, Kinder früh, altersgerecht und wiederholt über die Gefahren potenzieller Gifte wie Medikamente, Haushaltschemikalien, Giftpflanzen, Zigaretten und Alkohol aufzuklären.

Weiter führende Links:
Erste Hilfe bei Vergiftungen  
VIZ 
Antidotarium