Richtig heben und tragen: eine Frage der Technik

Selbst heute noch machen alle technisch noch so ausgereiften Errungenschaften eines nicht überflüssig: dass in vielen Berufen Gegenstände oder auch Lebewesen zu heben und/oder zu tragen sind. Damit dabei Rücken und Gelenke heil bleiben, ist hierzu die richtige Technik vonnöten.
Auch Transportmittel wie z.B. Rollcontainer oder Hubwagen können es kaum verhindern: In vielen Berufen (z.B. Krankenpflege, Handel, Maschinen- und Anlagenbau, Lagerarbeit, Baustellen) ist noch menschliche Muskelkraft gefragt, weil Dinge gehoben und/oder getragen werden müssen. Nicht alle achten darauf, wie sie das tun. Dann leiden oft die Wirbelsäule, Bandscheiben und Gelenke. Das muss nicht sein. Denn eine korrekte Hebe- und Trageweise schont den Bewegungsapparat. Außerdem geht es mit der richtigen Technik einfach leichter.
Wer darf was heben und tragen?
Welche körperliche Belastung das Heben und/oder Tragen von Gegenständen bedeutet, hängt aber längst nicht allein von der Methode ab, mit der der Kraftakt geschieht, sondern einerseits von den Dingen selbst, v.a. von ihrem Gewicht. Andererseits beeinflussen Faktoren wie Hubhöhe, Transportweg, Haltezeit und Häufigkeit des Vorganges eine Rolle. Natürlich auch Alter, Geschlecht, körperliche Statur und Verfassung (z.B. Trainingszustand) des Lastenhebers bzw. –trägers.
Dementsprechend existieren alters- und geschlechtsspezifische Empfehlungen bezüglich zumutbarer Lasten in puncto Gewicht und Häufigkeit des Hebens und Tragens. Für 19- bis 45-jährige Frauen etwa bedeutet das eine Begrenzung auf 15 kg bei gelegentlichem (= einmal pro Stunde bei einem Transportweg von max. vier Schritten) und 10 kg bei häufigerem (= mind. zweimal pro Stunde, mind. fünf Schritte lang) Heben/Tragen. Für gleichaltrige Männer liegen die Empfehlungen dafür bei höchstens 55 bzw. maximal 30 kg. Für unter 19- und über 45-Jährige gelten niedrigere Werte. Ein Überschreiten der angeratenen Belastungen kann die Gesundheit – vor allem des Bewegungsapparates – gefährden.
Vor dem Kraftakt
Bevor es nun los geht mit dem Lastentransport gilt es, außer auf die Zumutbarkeit auch auf die Ausrüstung der Lastenschlepper zu achten. Vor allem aufs Schuhwerk, das mit weichen Sohlen ausgestattet sein sollte, um Trittsicherheit zu gewährleisten und die beim Transport auftretenden Stöße besser abzudämpfen. Keine starren Sohlen bitte und – das versteht sich wohl von selbst – keine hohen Absätze. Auch keine schiefen. Sonst droht ein Umkippen oder zumindest ein wackeliger Gang, der den Rücken strapaziert. Und natürlich müssen es geschlossene Schuhe sein. Das vermeidet Verletzungen.
Schutz können aber ebenso die Hände gebrauchen. Vor allem bei Gegenständen mit rauen Oberflächen oder vorspringenden Ecken und Kanten verhindern Arbeitshandschuhe Blessuren.
Und auch gewisse Aspekte der Umgebung verdienen die Aufmerksamkeit von Lastenträgern. So muss etwa der Transportweg, sprich Boden oder sonstige Ablageflächen, frei sein von eventuellen Stolperfallen oder Hindernissen, damit es nicht zu – verhinderbaren – Unfällen kommt.
Tipps zum richtigen Heben
Im Gegensatz zu einer falschen Hebetechnik (z.B. mit gebeugtem Rücken), die zu einem keilförmigen Zusammendrücken der Bandscheiben (Folge: viel stärkere Beanspruchung im vorderen Bereich, vermehrte Verschleißerscheinungen, Probleme v.a. in der Lendenwirbelsäule) führt, sorgt eine gute Hebetechnik für deren gleichmäßige Beanspruchung und gleichzeitig durch abwechselnde Zug- und Druckbelastung für den Transport von Nährstoffen in die Bandscheiben, denn die besitzen keine Blutgefäße.
Nun ist es für einen sonst gesunden und kräftigen Rücken kein Drama, beugt man ihn mal zum Heben kleiner Gewichte. Solange es nicht über fünf Kilo hinausgeht und zur dauerhaften Gewohnheit wird. Das Heben größerer Lasten erfordert jedoch eine korrekte, d.h. rückengerechte Haltung. Die beginnt bereits mit der Position des Körpers, die man vor dem eigentlichen Hebevorgang einnimmt: Idealerweise sind die Füße etwa schulterbreit geöffnet, die Fußspitzen leicht nach außen gedreht, was einen breiten und damit stabilen Stand ermöglicht . Der Blick ist geradeaus gerichtet. Und dann:
- Mit geradem Rücken, aufrechtem Oberkörper (also angespannten Bauchmuskeln und stabilisierten Rückenmuskeln), gebeugter Hüfte (Po absenken) und gebeugten Knien möglichst mit beiden Händen und körpernahe die Last fassen und sie gleichmäßig (nicht ruckartig!) anheben. Dabei nicht den Oberkörper bzw. die Wirbelsäule verdrehen.
- An der Last angebrachte Haltegriffe sorgen für mehr Sicherheit.
- Wird einseitiges oder Überkopfheben notwendig, dann nur im Ausfallschritt und mit aufrechtem Oberkörper (Rumpfmuskulatur aktiv anspannen).
- Kein ruckartiges Absetzen oder nochmaliges Abfangen der Last!
- Ist das Gewicht einer Last nicht bekannt, vor ihrem Emporhieven einen kurzen, vorsichtigen Hebeversuch unternehmen.
Tipps zum richtigen Tragen
- Wenn möglich Lasten aufteilen statt zu viel auf einmal tragen und lieber öfter gehen.
- Die Last möglichst nahe am Körper tragen.
- Wird eine Last vor dem Körper getragen, auf freie Sicht, geraden Rücken (kein Hohlkreuz!) und angewinkelte Ellbogen achten.
- Einseitige Belastungen vermeiden. Wird doch ein seitliches Tragen einer Last erforderlich, mehrmals die Seite wechseln, hat sie kein allzu großes Gewicht. Andernfalls sie möglichst auf beide Arme aufteilen.
- Beim Tragen nicht die Wirbelsäule verdrehen. Auf einen stabilen Rücken achten.
- Zum Tragen sperriger Gegenstände Hilfe (einen oder mehrere Kollegen) organisieren und möglichst Tragehilfen (z.B. Tragegurte oder -klemmen, Handmagnete, Saugtragegriffe usw.) einsetzen.
- Für größere Entfernungen Transporthilfen (z.B. Hand- oder Sackkarren) verwenden.
- Die Last gleichmäßig, mit stabilem Rücken und gebeugten Beinen absetzen statt sie kurz vor dem Aufsetzen ruckartig abzufangen.
Wichtig: Schulung und Ausgleich
Neben guter Planung und Organisation von Arbeitsvorgängen, die Heben und Tragen beinhalten (wie viele Träger, wie viel Lasten, wohin etc.), sind – vorbeugend und begleitend – konkrete Einweisungen der Mitarbeiter zur richtigen Technik von elementarer Bedeutung. Günstig ist der Besuch einer Rückenschule, wie sie in Kursen an verschiedenen Einrichtungen angeboten wird.
Zum Ausgleich beruflicher Belastungen durch Lastentransporte dient vor allem sportliche Betätigung. Rückenfreundliche Sportarten sind etwa Walken, Wandern, Schwimmen oder Tanzen. Zu einer umfassenden Schonung des Bewegungsapparates zudem die Vermeidung von Übergewicht und anderen Fehlbelastungen (z.B. High Heels) der Wirbelsäule und Gelenke.
Weiter führende Links:
Broschüre Heben und Tragen
Merkblatt Heben und Tragen
Rückenschule
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Link zu unserem Lexikon:
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Datum: 16. Mai 2014
Kategorien: Gesundheit allgemein