Mausarm: Wenn Klicken krank macht

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Längerfristige Computerarbeit fordert ihre Opfer. Immer mehr Bildschirmarbeiter leiden an Symptomen wie Schmerzen und Kraftlosigkeit im Hand- und Armbereich, die Mediziner als Epicondylitis humeri radialis, “Repetitive Strain Injury“ (RSI) oder schlicht Mausarm bezeichnen. Dann ist vor allem eine Änderung der Arbeitstechnik und –mittel angesagt.

Klick, klick und nochmals klick – beständig umklammert die Hand die Computer-Maus. Unermüdlich krümmt sich der Zeigefinger, drückt immer wieder auf die linke Maustaste, streckt sich nach jedem Klick und lässt wieder los. Dieser einseitige Bewegungsablauf, den am Computer Tätige jeden Arbeitstag unzählige Male vollziehen, bleibt oft nicht ohne gesundheitliche Folgen. Denn er überfordert die Muskeln, Sehnen und Gelenke der Hand bzw. des Arms, der die Maus bedient. Dann entwickelt sich ein Mausarm alias Tennisarm, Epicondylitis humeri radialis, Epicondylitis humeri lateralis, Repetitive Strain Injury“ (RSI = Verletzung durch wiederholte Belastung, RSI-Syndrom), Tennisell(en)bogen, Organizerdaumen, Sekretärinnenfinger oder Nintendinitis.

Hauptrisiko Stereotypie

Es sind in erster Linie hochrepetitive (oftmals hintereinander ausgeführte) Bewegungswiederholungen wie Mausklicks oder schnelles Tippen (“speed typing“) auf der Tastatur über längere Zeit (Wochen bis Jahre), die die Entstehung eines RSI-Syndroms begünstigen. Die Gefahr dafür wächst mit der Häufigkeit der stereotypen Bewegungen und der Unnatürlichkeit des Bewegungsablaufs (z.B. Abknicken des Handgelenks und muskuläre Anspannungen bei Betätigung der Eingabegeräte). Das kann oft kaum wahrnehmbare Ko-Kontraktionen (gleichzeitige Zusammenziehung aller Muskeln, die an einem Gelenk ansetzen) einzelner Muskelstränge der Hand/des Arms und damit Mikroläsionen (Gewebsschäden auf zellulärer Ebene) verursachen. Heilen diese infolge unzureichender Erholungsphasen nicht vollständig aus, können sich daraus schmerzhafte Entzündungen wie z.B. eine Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung) oder Epikondylitis (schmerzhafter Reizzustand der Sehnenansätze von Unterarmmuskeln, die am Gelenkknorren = Epicondylus des Humerus = Oberarmknochen entspringen) entwickeln.

Das erklärt aber noch nicht, warum bei vielen von RSI Betroffenen nach einer längeren, beschwerdefreien Arbeitsunterbrechung (z.B. Urlaub, Krankenstand.) bereits wenige Stunden nach Wiederaufnahme der Arbeit am Computer erneut Symptome wie gehabt auftreten. Schuld daran ist das sogenannte Schmerzgedächtnis, das sich ausbildet, wenn ein Reiz (z.B. eine Bewegungssequenz wie Klicken oder Tippen) Schäden und dadurch Schmerz auslöst und daraufhin im Nervensystem eine Verknüpfung der Schmerzempfindung mit diesem Reiz stattfindet. Es sorgt dafür, dass der ursprüngliche Reiz, im Fall des Mausarms also Klicken, zur Aktivierung der Schmerzfasern genügt, auch wenn der eigentliche Schmerzauslöser, d.h. die durchs Klicken hervorgerufenen Läsionen, fehlen. Der Schmerz ist also an bestimmte Bewegungsabläufe gekoppelt, nicht mehr an tatsächliche Schäden.

Mausarm: seine Anzeichen

Ein RSI-Syndrom beginnt meist schleichend und mit unspezifischen Symptomen wie etwa einem leichten Ziehen im Daumen oder Schwächegefühl in der Hand. Zuerst nur während der Ausführung einseitiger Bewegungsabläufe wie z.B. dem Klicken, später auch in Ruhe. Typisch sind Beschwerden wie ein spontaner Verlust an Kraft, Bewegungseinschränkungen, Fehlbewegungen, Muskelkrämpfe, Sensibilitätsstörungen (Taubheitsgefühl) bzw. Missempfindungen (Kribbeln, Ziehen, Kältegefühl) zwischen Fingerspitzen und Ellenbogen, Schmerzen, Schwellungen oder auch Lähmungserscheinungen. Häufig ändern sich mit fortschreitender Erkrankung die Intensität und Lokalisation der Symptome, die schließlich auch bei alltäglichen Handbewegungen wie z.B. Schneiden, Zähneputzen, Bügeln etc. auftreten können.

RSI behandeln

Bei der Entstehung eines RSI-Syndroms sind mehrere Faktoren beteiligt. Deshalb muss seine Behandlung unterschiedliche Behandlungsstrategien umfassen. Nicht empfohlen wird jedoch – mit Ausnahme einer kurzfristigen Ruhigstellung nach einer akuten Verletzung – eine Schonhaltung wie z.B. eine vollständige Vermeidung von PC-Arbeit. Die Einnahme schmerzstillender Medikamente bringt häufig Erleichterung, allerdings nur vorübergehend, wenn nicht gleichzeitig eine grundlegende und langfristige Änderung der Arbeitsabläufe stattfindet. Eine alleinige medikamentöse Behandlung kann sogar eine Chronifizierung des Syndroms fördern, da die durch Analgetika (Schmerzmittel) erzeugte scheinbare Beschwerdefreiheit dazu verleitet, auf notwendige Pausen bei der Arbeit zu verzichten. Vorrangiges Ziel der Therapie ist also die Aneignung von schmerzfreien Bewegungsmustern bei der PC-Arbeit.

Ratsam ist eine begleitende Behandlung beim Physiotherapeuten mit aktivierenden Methoden wie Dehn- und Kräftigungsübungen, Massagen und – abhängig vom Verletzungsstadium – Wärme- oder Kälteanwendungen. Auch sportliche Betätigung, die keine großen Kraftanstrengungen der Arme verlangt (z.B. Joggen, Radfahren) kann eine RSI-Behandlung positiv unterstützen. Ebenso psychotherapeutische Verfahren, die auf eine Neubewertung der Schmerz- und Arbeitssituation (z.B. subjektiver Leistungsanspruch) sowie konkrete Verhaltensänderungen (z.B. Organisation des Arbeitsalltags) abzielen, muskuläre Entspannungstechniken (z.B. Progressive Entspannung nach Jacobson) und Stressreduktion.

Einem Mausarm vorbeugen

RSI-Prävention beinhaltet einerseits eine Umgestaltung der Ausstattung am Bildschirmarbeitsplatz, andererseits Änderungen von Bewegungsmustern und –abläufen sowie der Arbeitsorganisation. Zur ergonomisch günstigen Arbeitsplatzeinrichtung gehören:

  • die Nutzung alternativer Eingabegeräte, die eine natürlichere Handhaltung erlauben (z.B. Vertikal-, Multitouch- oder Joystick-Maus, Trackpad, Trackball, Stift-Tablet) als die übliche PC- Maus, die mit leicht verdrehtem Unterarm bedient wird. Am besten wäre der Wechsel zwischen verschiedenen Eingabegeräten während des Arbeitstages. Das würde einer einseitigen Beanspruchung der Muskeln, Sehnen und Nerven entgegenwirken.
  • die Verwendung einer abgewinkelten Tastatur statt einer herkömmlichen, bei der die Arme im Handgelenk abknicken.
  • die Abstimmung der Höhe von Schreibtisch und Bürostuhl.
  • die Einstellung des Bildschirms auf Augenhöhe sowie Schaffung optimaler Lichtverhältnisse und eines angenehmen Raumklimas.

Änderungen der Arbeitsweise sollten umfassen:

  • die Verwendung von short cuts (Tastenkombinationen für Kurzbefehle) zur Ausführung von Aktionen wie z.B. Kopieren, Drucken etc. statt von Klicks oder gar den noch belastenderen Doppelklicks.
  • bei Betätigung der Maus den Wechsel von der rechten auf die linke Hand und umgekehrt, die Verwendung eines Mauspads mit einer gepolsterten Armabstützung und die Vermeidung einer kalten Auflagefläche des Handgelenks sowie der Benützung des Mausrads.
  • die Einhaltung angemessener Pausen bei der PC-Arbeit (ohne Internet-Surfen!). Ideal für Regenerierungsprozesse sind Kurzpausen (zwei bis drei Minuten lang) alle 30 Minuten.
  • die Beachtung der richtigen Sitzhaltung und deren oftmalige Änderung, etwa durch Verwendung eines Gelkissens, Sitzballs oder dynamischen Sitzmöbels.
  • die Durchführung von Dehn- und Kräftigungsübungen vor Beginn der PC-Arbeit und während der Kurzpausen sowie Einbindung von Entspannungsverfahren in den Arbeitsalltag.
  • die Abwechslung von Computerarbeit mit anderen Tätigkeiten.

 

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Dehnübungen zur RSI-Vorbeugung 

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