Leistungssport & Gesundheit: Nutzen oder Schaden?

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Leistungssport betreiben bedeutet, bei Wettkämpfen Topleistungen erbringen, sportliche Erfolge erringen und dafür Preise gewinnen zu wollen. Das heißt für den Rest der Zeit sich (fast) täglich zu schinden, auf vieles zu verzichten und sich zu stählen. Denn Spitzensport ist ein harter Job. Manchmal so hart, dass Körper und/oder Seele daran zerbrechen.

Bewegung ist gesund, denn sie hält das Wohlbefinden aufrecht und beugt vielen Krankheiten vor. Außerdem macht es Spaß, sich sportlich mit anderen zu messen. Manchen aber reicht sogenannter Breitensport nicht. Sie wollen Spitzenleistungen erbringen, erfolgreich Wettkämpfe (z.B. Weltmeisterschaften, Olympische Spiele) bestreiten, Ruhm, Ehre und wenn möglich auch Trophäen einheimsen. Darum betreiben sie Leistungssport (Spitzensport). Ein beinharter Job, der zeitlich, körperlich und mental viel abverlangt. Vernünftig ausgeführt ermöglicht er, topfit zu sein und Karriere zu machen. Falsch angepackt hingegen führt das auf Siege fokussierte intensive Training zu Überforderungen und gesundheitlichen Schäden, die unter Umständen auch das Karriereende überdauern können.

Aus dem Alltag eines Leistungssportlers

Den Lebensrhythmus eines Leistungssportlers bestimmen neben den Wettkämpfen …. richtig –  Training, Training und nochmals Training! Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Denn anders kann er die einmal erreichte Form kaum halten oder gar toppen. Und die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Daher ist seine Zeit meist durchstrukturiert. Sein Ernährungsplan oft auch. Hinzu kommen medizinische Untersuchungen, Dopingtests und Interventionen (z.B. Entspannungsmethoden, Massagen) zur Verbesserung der körperlichen und mentalen Verfassung. Und das alles um nach Rekorden zu streben, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern sowie persönliche Grenzen zu überwinden.

Gratwanderung: vom Nutzen zum Schaden

Keine Frage: Mit Augenmaß betriebener Sport ist eine Wohltat für Körper, Seele und Geist. Und zwar eine nachhaltige. Das gilt auch für den strapaziösen Leistungssport. Sowohl bei Breiten- als auch Spitzensport liegt die Betonung aber auf dem Wort “Augenmaß“. Denn auch wenn der Körper über eine enorme Anpassungsfähigkeit verfügt, muss er über Jahre hinweg achtsam und systematisch aufgebaut werden, um durch das für den Spitzensport nötige intensive Training möglichst keinen Schaden zu nehmen. Den Knackpunkt dabei bilden die individuellen Leistungsgrenzen. Werden sie überschritten, winken ernsthafte gesundheitliche Nachteile wie z.B. Verletzungen. Dass Limits gern ignoriert werden, dafür sorgt leider allzu oft übermäßiger Ehrgeiz, mit dem die tatsächliche Leistungsfähigkeit nicht Schritt halten kann. Er verleitet dazu, Warnsignale zu missachten, indem etwa Schmerzen “weggespritzt“ und/oder Dopingmittel zur körperlichen und/oder mentalen “Überlistung“ eingesetzt werden. Der Preis dafür kann (zu) hoch sein.

Leistungssport: Risiken

Dass eine dauerhafte, sehr harte Beanspruchung des Körpers, wie sie beim Leistungssport stattfindet, negative Folgen zeitigen kann, lässt sich kaum bestreiten. Doch wie sehen nun eigentlich die Risiken aus, die das Streben nach “citius, fortius, altius“ (lat.: schneller, stärker, weiter) birgt? Nun – einige unterscheiden sich kaum von denen beim Breitensport wie etwa:

  • Fehlerhaft ausgeführte Bewegungsabläufe können Schäden an z.B. Gelenken, Sehnen oder Muskeln verursachen.
  • Übertraining führt gern zum Gegenteil von dem, was man sich dadurch erhofft: Die Leistungsfähigkeit sinkt statt sich zu verbessern, weil der Organismus dienotwendigen Regenerationsphasen vermisst.
  • Sportverletzungen (z.B. Ermüdungsbrüche, Tennisellenbogen, Skidaumen, Boxernase) können bleibende Schäden hinterlassen.
  • Eine unausgewogene, d.h. nicht dem Training angepasste Ernährung kann zu Mangelerscheinungen führen.

Leistungssport enthält aber Dimensionen, die beim Breitensport kaum relevant sind. Bei ihm dreht es sich darum, Grenzen auszuloten bzw. zu überschreiten, um der Konkurrenz zuvorzukommen. Unter Ausnutzung sämtlicher Möglichkeiten und fast um jeden Preis, auch wenn der Gesundheit heißt. Denn der Druck ist enorm hoch. Und geht nicht nur vom Sportler aus. Schließlich steckt im Spitzensport jede Menge Geld. Schlapp machen gilt da nicht. Deshalb beißt so mancher Leistungssportler die Zähne zusammen, fühlt er sich mal nicht wohl, nur um einen Wettkampf bestreiten zu können bzw. bei Mannschaftssportarten aufgestellt zu werden und seinen Platz nicht an einen Mitstreiter zu verlieren. Oder er lässt sich “fitspritzen“. So wird aus dem einen oder anderen Leistungssportler ein Dopingsünder. Und aus seinen Betreuern (z.B. Ärzten) Erfüllungsgehilfen einer dank immer höherer Anforderungen erbarmungslosen Maschinerie, bei der es nur noch darum geht, die Belastung erträglich zu halten, damit die Teilnahme am nächsten Wettkampf bzw. der Erfolg nicht gefährdet ist.

Sensibel: Gelenke – Herz – Psyche

Nun führen diverse Sportarten zu unterschiedlichen Belastungsszenarien, verschleißen z.B. die Gelenke in verschiedenem Ausmaß. So leiden etwa bei Fußballprofis besonders die Knie, bei Handballern die Schultergelenke und bei Boxern die Handgelenke. Warum? Weil sie besonderen Beanspruchungen ausgesetzt werden. Und zwar vielfach höheren als normal. Folge: Es entstehen häufiger und in stärkerem Ausmaß Arthrosen, d.h. Abnützungserscheinungen (z.B. Risse) an den Gelenkknorpeln infolge der chronischen Druckbelastung. Sportverletzungen wie Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen, Verdrehungen oder Knochenbrüche beschleunigen das Fortschreiten der Knorpelschäden. Fehl- und Überbelastungen (z.B. durch falsches Schuhwerk, unzureichendes Trainingsgerät, ungeeigneten Boden) leisten der Arthrosebildung ebenso Vorschub wie das Ignorieren notwendiger Regenerationsphasen.

Zur Vermeidung von Gelenkproblemen bei belastungsintensiven Sportarten wie Alpinskilauf, Volley- oder Fußball, Tennis, Squash, Snowboarden oder Skaten empfiehlt sich daher ein gezieltes ausgleichendes Muskeltraining. Beispielsweise bei Fußballspielern der Muskulatur der Oberschenkel- Rückseite, die in der Regel schwächer ausgebildet ist als die an der Vorderseite, wodurch die Kniegelenke einseitig belastet werden. Nach Gelenkverletzungen darf das Training und die damit verbundene Gelenkbelastung nur langsam gesteigert werden.

Was sich bei sportlicher Betätigung auf jeden Fall auch verändert, ist das Herz-Kreislauf-System. Und zwar üblicherweise zum Positiven hin. Es machen aber immer wieder Berichte über einen plötzlichen Herztod bei Spitzenathleten die Runde. Dieses Phänomen wurde lange Zeit auf vorbestehende Herzprobleme (z.B. angeborene Herzfehler, Herzmuskelentzündung nach Infekten) zurückgeführt. Nun ist es allgemein so, dass bei regelmäßiger sportlicher Ertüchtigung das Herz an Größe zunimmt (“Athletenherz“), was an und für sich noch keinen Krankheitswert besitzt. Wird aber Sport im Übermaß betrieben, kann das zentrale Pumporgan ein kritisches Gewicht von ca. 500 Gramm erreichen (“Cor bovinum“ = lat.: Rinderherz), sodass sich die Herzkranzgefäße mit der Sauerstoffversorgung des Herzmuskels schwertun. Zudem kann extremer Ausdauersport – oft lange Zeit symptomlos – die Herzarchitektur verändern, z.B. dauerhafte Narben oder Überdehnungen der rechten Herzhälfte hinterlassen. Vermutlich weil die außergewöhnliche Belastung das Herz stresst, wodurch freie Radikale entstehen, die die Zellen schädigen und das Immunsystem dazu veranlassen, Botenstoffe freizusetzen, die eine Umwandlung von Vorläuferzellen zu Bindegewebszellen bewirken (= Vernarbung). Narben können die Erregungsleitung stören – das Herz gerät leichter außer Takt (Herzrhythmusstörungen). Oder bleibt sogar stehen.

Nicht zuletzt: Leistungssport ist außer für den Körper auch für die Seele extrem anstrengend. Tägliches hartes Training – oft neben alltäglichen Verpflichtungen wie Schule oder Beruf – und der ständige Druck von innen (Ehrgeiz, anderen etwas beweisen wollen) und von außen (Trainer, Verband, Kollegen, Gegner), seine Leistungen zu verbessern, belasten die Seele. Das setzt manchem Athleten so zu, dass er diesen Strapazen nicht standhält oder gar Depressionen entwickelt und seine Sportlerkarriere vorzeitig beendet. Denn um Erfolge zu erzielen, braucht es seelische Stärke, innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit mit sich selbst. Und das muss gefestigt werden, etwa durch Ansprechpartner, um sich Selbstzweifel, Ängste und Stress von der Seele reden zu können (z.B. sportpsychologische Betreuung) und familiären Rückhalt bei Rückschlägen.

Besonders heikel: Kinder und Leistungssport

Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene, müssen aber oft für deren Vorstellungen oder Wunschträume herhalten. Das ist in der Kunst so und um Sport nicht anders. Wenn etwa ein Elternteil, dem selbst eine sportliche Karriere versagt blieb meint, sein Spross müsse erreichen, was er nicht geschafft hat. Hier sind Probleme fast schon vorprogrammiert. Denn dann entspringt das Siegesstreben nicht eigenem Antrieb oder gar die Sportart vielleicht noch nicht mal eigenen Neigungen. Dass die Überwindung zu täglichem hartem Training dennoch häufig anhält liegt daran, dass Kinder ihre Bezugspersonen gerne stolz machen und keinesfalls enttäuschen möchten, auch wenn sie lieber spielen und Freizeit haben wollen. Sie geben sich selbst die Schuld, wenn es mit erwarteten Erfolgen nicht klappt und strengen sich dann noch mehr an. Kein Wunder, wenn sie seelisch in Schieflage geraten und den Druck nicht aushalten. Letzteres trifft übrigens oft auch auf ihre Muskeln, Gelenke und Sehen zu, die – im Kindesalter noch unausgereift – den enormen Belastungen nicht immer standhalten und Schäden davontragen.

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