Evolutionsmärchen Blutgruppendiät: jeder Blutgruppe ihr eigener Speiseplan

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Es klingt so einfach: Menschen haben evolutionsbedingt verschiedene Blutgruppen. Also brauchen sie auch verschiedene Nahrungsmittel, um gesund zu bleiben oder werden. Verzehren sie Nahrungsmittel, die nicht für ihre Blutgruppe taugen, drohen Krankheiten und Übergewicht. Gegen dieses wissenschaftlich unbewiesene bis widerlegte Konzept der Blutgruppendiät laufen Ernährungsexperten Sturm. Was ihre Beliebtheit aber kaum schmälert.

Die Blutgruppe bestimmt die körpereigene Chemie jedes Menschen und damit, wie im Organismus Nahrungsmittel verarbeitet werden. Daher sollte sich die Ernährung nach der jeweiligen Blutgruppe richten. Der zu ihr passende Speiseplan basiert dabei auf den Lebens- und Ernährungsformen der Vorfahren, die der gleichen Blutgruppe angehörten. Das behauptet jedenfalls der Urheber der Blutgruppendiät, der amerikanische Naturheilkundler Peter D’Adamo, der sie als Strategie für ein gesundes Leben ansieht. Als wissenschaftlich belegt kann man ihre behaupteten positiven gesundheitlichen Effekte nicht bezeichnen. Populär ist sie trotzdem.

Vier Blutgruppen – vier Ernährungskonzepte

Die Menschheit verfügt über die Blutgruppen A, B, AB und Null. Wobei man unter dem Begriff Blutgruppe das Vorhandensein (A, B, AB) oder Fehlen (Null) bestimmter Eiweißstrukturen (Galactosamin-Fucose-Moleküle) an der Oberfläche der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) versteht und es mehr Blutgruppensysteme als nur das A-B-0-System gibt (z.B. Rhesus, Kell u.a.m.). D’Adamos Theorie zufolge hatten steinzeitliche Jäger die Blutgruppe Null, entwickelte sich mit der Sesshaftwerdung der Menschen und dem Betreiben von Landwirtschaft die Blutgruppe A, waren Nomadenvölker, die sich hauptsächlich von Milch und Fleisch ihrer Tiere ernährten, Träger der Blutgruppe B und entstand die Blutgruppe AB durch Vermischung der Volksstämme mit den Blutgruppen A und B. Seine historische Reihung der Blutgruppen darf allerdings angezweifelt werden, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Blutgruppe A die älteste.

Nach D’Adamos Dafürhalten bewirken die verschiedenen Blutgruppen, dass der Organismus auf bestimmte Proteine in der Nahrung unterschiedlich reagiert. So sollen sogenannte Lektine (Lectine, Hämagglutinine), wie sie in Hülsenfrüchten und anderem Gemüse vorkommen, dazu führen, dass Blutzellen verklumpen (Agglutination), somit Mikroinfarkte und dadurch bedingte Organschädigungen nach sich ziehen. Ein Vorgang, der Unverträglichkeitsreaktionen nach Verabreichung einer falschen Bluttransfusion ähnelt. Für die jeweilige Blutgruppe “evolutionär nicht geeignete“ Nahrungsmittel, die laut der Blutgruppendiät Gifte für den Körper darstellen, sollen Stoffwechselvorgänge verlangsamen und somit Gewichtsprobleme begünstigen.

Spezielle, auf die jeweilige Blutgruppe abgestimmte Speisepläne, die den Verzehr solcher “falscher“ Lebensmittel verhindern, sollen demnach Krankheiten vermeiden oder sogar heilen können. Zudem soll die Einhaltung des für die jeweilige Blutgruppe passenden Ernährungskonzepts dafür sorgen, dass sich das Körpergewicht auf seinem optimalen Wert einpendelt. Deshalb werden für jede Blutgruppe sämtliche Nahrungsmittel in die Kategorien “sehr bekömmlich“, “neutral“ und “zu meiden“ unterteilt.

Blutgruppe Null: einst Jäger – heute Fleischtiger

Träger der Blutgruppe Null sollten laut Blutgruppendiät, die sie als zähe und starke, tatkräftige und dominante Jäger-Höhlenbewohner-Typen mit robustem Verdauungstrakt, widerstandsfähigem Immunsystem und Abstammung vom steinzeitlichen Cro-Magnon-Menschen sieht, tierische Eiweiße wie sie in rotem Fleisch und Fisch vorkommen, bevorzugen. Sie dürfen auch Obst und Gemüse verzehren, sollten aber auf Getreide (v.a. Weizen wegen des enthaltenen Glutens) und auf Hülsenfrüchte (wegen der enthaltenen Lektine) sowie Milchprodukte (außer Butter, Bauernkäse) verzichten.

Blutgruppe A: einst Ackerbauer – heute Vegetarier

Träger der Blutgruppe A sind der Blutgruppendiät zufolge Nachfahren der Jungsteinzeitmenschen, die – anders als die Jäger und Sammler davor – begannen, sesshaft zu werden und Landwirtschaft zu betreiben und daher vor allem Gemüse und Getreide zu sich nahmen. Sie sollen über ein tolerantes Immunsystem, einen empfindlichen Magen-Darm-Trakt, eine erhöhte Anfälligkeit für Herzleiden, Krebs und Diabetes sowie unterwürfige und überempfindliche Charakterzüge verfügen. Dementsprechend empfiehlt das Ernährungskonzept eine vorwiegend vegetarische Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie Getreide und Hülsenfrüchten, zudem gelegentlich Fisch. Milch- und Weizenprodukte hingegen sind weitgehend verpönt.

Blutgruppe B: einst mongolischer Steppenwolf – heute Mischköstler

Die angeblich besonders anpassungsfähigen Träger der Blutgruppe B mit robustem Verdauungstrakt und starkem Immunsystem führt D’Adamo auf die Mongolen der Steppe Eurasiens vor rund 15.000 Jahren zurück, die Tiere und deren Erzeugnisse wie z.B. Milch oder Käse verspeisten. Daher stehen Milch und Milchprodukte auf dem Blutgruppe B-Speiseplan, außerdem (v.a. grünes) Gemüse, Obst, Eier, Tiefseefisch, Lamm, Wild und Kaninchen. Geflügelfleisch, Getreide, die meisten Hülsenfrüchte, Tomaten und Sesamkörner sollen sich hingegen für Blutgruppe B-Träger als schwer bekömmlich erweisen.

Blutgruppe AB: einst Mischtyp– heute Allesesser

Träger der Blutgruppe AB sind nach D’Adamos Meinung erst innerhalb der letzten 1000 Jahre durch die Vermischung von Blutgruppe A- und B-Trägern entstanden und sollen einen empfindlichen Verdauungstrakt und ein übermäßig tolerantes Immunsystem besitzen, weshalb sie angeblich als einzige Weizenprodukte vertragen. Außer Getreide stehen vor allem Gemüse und Früchte, aber auch Milchprodukte, Eier, die meisten Käse- und Fischsorten, auch manche Hülsenfrüchte sowie – allerdings nur in kleinen Mengen – Fleisch auf dem Speiseplan. Schweinefleisch hingegen nicht.

Ernährungsexperten: Nachteile überwiegen

Ernährungsexperten widersprechen heftig D’Adamos Vorstellungen, denn bislang existieren keine Studien, die die behaupteten Heilsversprechungen der Blutgruppendiät (z.B. positive Auswirkungen auf bestimmte Erkrankungen wie die Verhinderung einer Metastasierung bei Krebs) beweisen würden. Zudem beurteilen sie die meisten Lektine als völlig unschädlich und nur einige wenige – und zwar nur in rohem Zustand (z.B. in Fisolen: zerstören, in größerer Menge roh verzehrt, Rezeptoren in den Darmepithelzellen, was Brechdurchfall, Schleimhautentzündungen und Blutungen im Magen-Darm-Trakt verursacht) – als für den Menschen unverträglich. Auch eine lektinbedingte Verklumpung von Blutzellen wurde bislang noch nie festgestellt. Außerdem: Wie die Vergangenheit zeigt, bleiben viele Menschen trotz jahre- oder gar lebenslanger Verstöße gegen die Regeln der Blutgruppendiät gesund.

Da es mehrere Blutgruppensysteme gibt, würde die Ernährung nur nach dem A-B-0-System auszurichten bedeuten, dass Nahrungsmittel, die für das A-B-0-System richtig sein sollen, für eines oder mehrere der anderen Systeme falsch sein könnten. Und man darf auch nachfragen: Warum sollen ausgerechnet die A-B-0-D-Galactosamin-Fucose-Moleküle die entscheidenden sein?

Abgesehen davon: Viele von D’Adamo für eine bestimmte Blutgruppe empfohlene Lebensmittel entsprechen nicht der von ihm postulierten Blutgruppenspezifität. Zudem gewährleistet die Diät nicht für alle Blutgruppentypen eine gesunde Ernährung (zu fett- und eiweißreich) und für Abnehmwillige auch keine sinnvolle Umstellung ihres Ernährungsverhaltens. Und schon gar keine ausgewogene Nährstoffversorgung, was offenbar auch dem Schöpfer der Diät nicht entgangen ist, denn er empfiehlt die zusätzliche Einnahme diverser – selbstverständlich blutgruppenspezifischer –Nahrungsergänzungsmittel.

Nicht zuletzt: Auch in der praktischen Umsetzung zeigt die Diät einige Nachteile: ein ständiges Checken auf erlaubte und verbotene Nahrungsmittel, so einige schwer nachzukochende Rezpte mit oft sehr exotischen Zutaten und zeitaufwändiger Zubereitung sowie eine schwierige Gestaltung von Mahlzeiten, wenn für Menschen mit verschiedenen Blutgruppen gekocht werden muss sowie eine Verkomplizierung von Restaurantbesuchen.

 

Weiterführende Links:
Blutgruppendiät: Lebensmittelliste 
Rezepte für die Blutgruppe A 
Lebensmittelliste für die Blutgruppe A
Rezepte für die Blutgruppe B 
Lebensmittelliste für die Blutgruppe B 
Rezepte für die Blutgruppe AB 
Lebensmittelliste für die Blutgruppe AB 
Rezepte für die Blutgruppe 0
Lebensmittelliste für die Blutgruppe 0

 

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