Chemotherapie: Zellgifte killen Krebszellen

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Alle Tumorzellen töten, aber die gesunden Körperzellen größtmöglich schonen, so lautet das Ziel der Behandlung verschiedener Krebsleiden mittels Chemotherapie. Dieses Versprechen können die dafür eingesetzten Zytostatika, die die Krebszellen schädigen und in ihrem Wachstum hemmen, leider oft nur teilweise erfüllen. Ein längeres Überleben oder gar eine Ausheilung machen aber so manche gefürchtete Nebenwirkung einer Chemotherapie wett. 

Krebsleiden kann man auf drei Arten behandeln: mit einer Operation, mit einer Strahlentherapie oder mit bestimmten Medikamenten. Welche von den drei Behandlungsoptionen herangezogen wird, hängt vor allem von Art und Stadium des Tumors, aber auch von Vor- oder Begleiterkrankungen, dem allgemeinen Zustand (Größe, Gewicht etc.) und Lebensalter ab und entscheidet sich daher von Fall zu Fall. Für viele Krebsarten taugt die chemische Keule als alleiniges oder zusätzliches Heilmittel. Bei dieser Chemotherapie, genauer gesagt antineoplastischen (antitumoralen) Chemotherapie, denn es gibt auch eine antimikrobielle (Antibiotika), die sich gegen (bakterielle) Infektionen richtet, werden Arzneimittel eingesetzt, die zytostatisch (Zellwachstum hemmend) und zytotoxisch (zellschädigend) wirken. Das soll dem Krebs den Garaus machen, wirkt sich aber leider auch auf so manches gesunde Gewebe aus.

Wie eine Chemotherapie wirkt

Das Wachstum normaler Zellen unterliegt einer strengen Regelung. Das bedeutet, in gesundem Gewebe finden nur so viele Zellteilungen statt, wie für seinen Erhalt und seine Funktionen erforderlich sind. Krebszellen ticken diesbezüglich anders. Sie teilen sich unkontrolliert und wachsen ungehindert, sodass ein Tumor (Gewächs) entsteht. Hier setzen sogenannte Zytostatika (griech.: kytos = Zelle, statikos = zum Stehen bringend, also “Zellstopper“) an. Sie richten sich bevorzugt gegen Zellen, die sich häufig teilen und schnell wachsen, indem sie für die Zellteilung wichtige Prozesse stören, um eine Wachstumshemmung bis hin zu einer Rückbildung des Tumors zu erreichen.

Im Wesentlichen handelt es sich bei für eine Chemotherapie eingesetzte Medikamente um

  • alkylierende Substanzen (Alkylantien) wie z.B. Stickstoff-Lost- oder Nitroso-Harnstoff-Verbindungen (z.B. Cyclophosphamid, Chlorambucil, Busulfan): Sie bauen in die Erbsubstanz der Krebszellen Alkylgruppen ein, sodass in den DNA-Strängen Spaltungen entstehen und sich die Krebszellen nicht mehr teilen können.
  • Platin-Verbindungen (z.B. Cisplatin, Carboplatin): Sie führen in der Krebszellen-DNA zu Querverbindungen, sodass sich das Erbgut nicht verdoppeln kann.
  • Antimetaboliten wie z.B. Folsäure-Antagonisten (z.B. Methotrexat), Purin- (z.B. Thioguanin, Azathioprin, Mercaptopurin) oder Pyrimidin-Analoga (z.B. 5-Fluoruracil): Sie bauen sich bei der Vervielfältigung der DNA der Krebszellen als falsche Bausteine in die DNA ein und zerstören somit die Erbinformation an den jeweiligen Stellen, sodass sich die Krebszellen nicht weiter teilen können.
  • Mitose-Hemmstoffe (Spindelgifte, Naturstoffe) wie z.B. aus dem brasilianischen Vinca rosea-Strauch oder dem europäischen Kleinen Immergrün stammende Vinca-Alkaloide (z.B. Vincristin, Vinblastin), im Maiapfel enthaltene Epipodophyllotoxine (Etoposid, Teniposid) oder aus der Pazifischen Eibe hergestellte Taxane (z.B. Paclitaxel, Docetaxel): Sie blockieren die Ausbildung des Spindelapparats und damit die Aufteilung des zuvor verdoppelten genetischen Materials einer Krebszelle auf die beiden entstandenen Tochterzellen, sodass die Zelle nicht imstande ist, sich zu teilen.
  • Topoisomerase-Hemmer (z.B. Topotecan, Etoposid): Sie machen Reparaturmechanismen der Krebszellen unwirksam, indem sie dazu nötige Enzyme blockieren, sodass die Krebszellen an ihrer DNA entstandene Schäden nicht mehr angemessen reparieren und ihr Überleben sichern können und absterben.
  • Zytostatisch wirkende Antibiotika (“Antitumorantibiotika“) wie z.B. Anthrazykline oder Actinomycine (z.B. Dactinomycin, Bleomycin, Daunorubicin, Mitomycin): Sie verfügen über verschiedene Wirkmechanismen. Manche binden sich an die DNA der Krebszellen und blockieren die DNA-Vermehrung bei der Zellteilung. Andere führen zu Strangbrüchen in der DNA und somit zum Zelltod. Wieder andere mischen sich in den Stoffwechsel der Krebszellen ein.
  • Enzyme: Bei der Behandlung bestimmter lymphatischer Leukämien senkt die Asparaginase die Konzentration der für die Tumorzellvermehrung notwendigen Aminosäure Asparagin.
  • (Anti-)Hormone: Auf bestimmte Hormone ansprechende Tumorarten werden mit Gegenspieler-Hormonen in Schach gehalten, z.B. Brustkrebs mit Antiöstrogenen (z.B. Tamoxifen) oder Prostatakrebs mit Antiandrogenen (z.B. Flutamid).

Häufig werden auch Wirkstoffe aus verschiedenen der genannten Substanzgruppen miteinander kombiniert, um den Therapieerfolg zu erhöhen. Hinzukommen können sogenannte Adjuvantien oder Additiva, selbst ungiftige “Hilfsmedikamente“, die die Wirkung der Zytostatika verstärken.

Wie eine Chemotherapie durchgeführt wird

Chemotherapien erfolgen in der Regel an darauf spezialisierten onkologischen Abteilungen, d.h. Stationen, Tageskliniken oder Ambulanzen in Spitälern. Oft findet der Therapiebeginn zwecks Verträglichkeits- und Nebenwirkungskontrolle in Form eines kurzen Spitalsaufenthalts statt. Danach kann die Behandlung meist ambulant fortgesetzt werden. Die Art der Krebserkrankung, das eingesetzte Zytostatikum und das Behandlungsziel entscheiden darüber, wie häufig, wie lange und in welcher Form (meist intravenöse Infusionen oder Injektionen, seltener Tabletten oder Kapseln zum Schlucken, bei einigen Hauttumoren Salben oder Lotionen) die Chemotherapie verabreicht wird.

Für über einen längeren Zeitraum erforderliche intravenöse Applikationen von Zytostatika ist die Implantation eines Reservoirsystems (Portkatheter, Port-a-Cath, Port) sinnvoll. Bei diesem kleinen chirurgischen Eingriff wird eine über einen dünnen Schlauch mit einer herznahen Vene verbundene, kleine Metall- oder Kunststoffkammer mit Membran unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut eingesetzt. Diese Kammer, deren Membran zwecks Verabreichung der Chemotherapie mithilfe einer Spezialnadel angestochen wird, erspart das sonst jedes Mal aufs Neue notwendige, oft unangenehme (z.B. mehrere Punktionsversuche bei schwer aufzufindenden Venen) Legen eines venösen Zugangs und ist nicht mit möglichen Komplikationen eines peripheren Venenkatheters behaftet wie Venenentzündungen oder versehentlich ins Gewebe statt in die Vene laufenden Infusionen, die Gewebezerstörungen nach sich ziehen können.

In seltenen Fällen findet eine lokale bzw. regionale Chemotherapie statt, die sich auf ein Organ oder eine Körperregion (z.B. bei Lebermetastasen Gabe in die Leberarterie, bei Hirntumor intrathekale Gabe, d.h.in die Gehirn und Rückenmark umgebende Flüssigkeit) beschränkt.

Eine Chemotherapie verläuft nach einem festgelegten zeitlichen Schema (je nachdem, wie lange das jeweilige Zytostatikum im Körper wirkt tägliche, wöchentliche oder monatliche Verabreichung). Denn ebenso wie gesunde Zellen befinden sich auch Krebszellen abwechselnd in Teilungs- und dann wieder in Ruhephasen. Zytostatika wirken jedoch nur gegen sich teilende Zellen und zerstören somit nicht alle Krebszellen. Das Einhalten einer bestimmten zeitlichen Abfolge bei der systemischen (über den Blutkreislauf sich im ganzen Körper verteilend) Gabe der Zytostatika soll gewährleisten, dass möglichst alle Tumorzellen (auch Metastasen = Tochtergeschwülste = vom Tumor losgelöste, im Körper verstreute Krebszellen) absterben. Zwischen den einzelnen Behandlungsphasen werden daher Behandlungspausen eingelegt. Die geben nicht nur übriggebliebenen Krebszellen Zeit, in die vulnerable Teilungsphase einzutreten und somit bei nächster Gelegenheit von den Zytostatika bekämpft zu werden, sondern auch von der Chemotherapie ebenfalls angegriffenen gesunden Zellen die Chance, sich zu erholen. Ein Behandlungszyklus (Zeitraum vom Beginn einer Behandlungsphase bis zum Beginn der nächsten Behandlungsphase) dauert oft einige Wochen. Kontrolluntersuchungen zwischen den Therapiezyklen überprüfen den Behandlungserfolg.

Adjuvant oder neoadjuvant – kurativ oder palliativ

Wird eine Chemotherapie vorbeugend eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens einer Tumorerkrankung etwa infolge einer Ausbreitung kaum nachweisbarer Mikro-Metastasen (kleinste Tumorabsiedelungen) im Anschluss an eine operative Tumorentfernung zu vermindern, handelt es sich um eine sogenannte adjuvante Chemotherapie. Bei manchen Tumorerkrankungen in örtlich begrenztem Stadium (z.B. Brustkrebs, bösartiger Knochentumor), erfolgt die Chemotherapie vor der Entfernung des Tumors, um diesen vor dem Eingriff zu verkleinern und so besser operabel zu machen oder auch um das vom Tumor befallene Organ bei der Operation zu erhalten, was man als neoadjuvante Chemotherapie bezeichnet.

Bei einigen Krebsleiden (z.B. Hodentumore, manche Arten von Blut- oder Lymphdrüsenkrebs) bietet eine Chemotherapie selbst in fortgeschrittenem Stadium, bei Vorliegen großer Tumormassen und einer Metastasierung noch die Chance einer Ausheilung, weshalb man von einer kurativen Chemotherapie spricht. Kann eine Krebserkrankung nicht mittels Chemotherapie zum Verschwinden gebracht, sondern nur vorübergehend zurückgedrängt oder im Fortschreiten gehemmt werden, ist das eine palliative Chemotherapie mit der Zielsetzung, wenigstens tumorbedingte Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität zu erhöhen sowie die Lebenszeit zu verlängern, auch wenn keine vollständige Rückbildung (Remission) des Krebsgewebes mehr möglich ist.

Mögliche Nebenwirkungen einer Chemotherapie

Krebszellen erweisen sich aufgrund ihrer regen Vermehrungsaktivität als anfälliger für eine Chemotherapie als normale Zellen, doch ziehen Zytostatika immer auch normale Zellen in Mitleidenschaft. Natürlich in erster Linie solche mit rascher Zellteilung wie die des blutbildenden Systems, Verdauungstrakts, der Haut und Haarwurzeln. Daraus ergeben sich typische mögliche Nebenwirkungen wie

  • Haarausfall bis hin zum totalen Verlust der Körperbehaarung
  • Magen-Darmbeschwerden (Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung)
  • eine Brüchigkeit oder Rillenbildung der Nägel
  • eine verstärkte Infektanfälligkeit durch die Hemmung der Nachbildung von weißen Blutzellen
  • Schwitzen, Frösteln, Fieber
  • Störungen der Blutbildung und -gerinnung: Neigung zu blauen Flecken und Blutungen
  • Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenbereich
  • Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue) oder auch Depressionen
  • ein Hand-Fuß-Syndrom (Rötung und Schwellung an den Handflächen und Fußsohlen), Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühl an Händen und Füßen
  • eine Ödembildung (Wassereinlagerungen) und Gewichtsveränderungen
  • eine eingeschränkte Fruchtbarkeit oder vorzeitige Wechseljahre
  • Schädigungen verschiedener Organe wie der Leber, Nieren, Lunge, Nerven oder des Herzens

Der Umfang der Chemotherapie-Nebenwirkungen (Tipp: Beschwerdetagebuch führen), von denen manche innerhalb weniger Stunden oder Tage nach Beginn der Behandlung auftreten, andere erst nach Monaten oder Jahren, hängt vor allem von der Art und Dosis der eingesetzten Zytostatika, der Behandlungsdauer sowie der seelischen und körperlichen Verfassung des Erkrankten ab. Allerdings: viele dieser unerwünschten Begleiterscheinungen lassen sich durch diverse Maßnahmen (z.B. Gabe von Antibrechmitteln, psychologische Unterstützung, Misteltherapie zur Stärkung des Immunsystems, Bluttransfusionen) deutlich reduzieren. Einige Folgen der Chemotherapie wie ein etwaiger Haarausfall verschwinden auch von selbst wieder.

 

Weiterführender Link:
Österreichische Krebshilfe: Chemotherapie bei Krebs

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