Berufskrankheiten: Krank durch Arbeit

„Arbeiten macht krank“ ist nicht unbedingt nur die Ausrede notorischer Faulenzer. In etlichen Berufszweigen sind Arbeitnehmer nämlich tatsächlich nachweislich gesundheitsschädlichen Einflüssen (z.B. Staub, Lärm, Chemikalien) ausgesetzt. Bestimmte daraus entstehende Leiden gelten als gesetzlich anerkannte Berufskrankheiten. Wie z.B. Pneumokoniosen (Staublunge).

Die nur durch Meidung des Auslösers (schlimmstenfalls nötig: Berufswechsel) heil- oder besserbaren Krankheiten ziehen eine Reihe von Untersuchungen nach sich, gewährleisten aber auch den Anspruch auf gewisse Leistungen (z.B. Umschulung) der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitsbedingte Erkrankung oder Berufskrankheit?

Gleich vorweg: Nicht jede (potenziell) durch ungünstige Arbeitsbedingungen verursachte Gesundheitsschädigung gilt automatisch als Berufskrankheit. Damit ein Leiden gesetzlich als Berufskrankheit anerkannt wird, muss ein medizinisch eindeutig nachgewiesener Zusammenhang zwischen einer bestimmten Arbeitsbelastung und den jeweiligen Beschwerden bestehen. Die – laufend aktualisierte – Berufskrankenliste gibt Auskunft darüber, welche Erkrankungen nach österreichischem Recht zu den Berufskrankheiten zählen. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann sie schon allein deshalb nicht erheben, weil nicht bei jedem Leiden ein zweifelsfreier Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen erkennbar ist. Zudem vergeht bei manchen Schadstoffen zwischen dem Kontakt mit ihnen und dem Ausbrechen von Krankheitssymptomen viel Zeit.

In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei Berufskrankheiten um chronisch verlaufende Erkrankungen. Sie entstehen infolge gesundheitsgefährdender Arbeitsverfahren oder des Kontakts mit schädlichen Substanzen. An der Spitze aller Berufskrankheiten stehen laut Statistik Austria die Lärmschwerhörigkeit, Hautkrankheiten (z.B. Ekzeme) sowie Atemwegs- und Lungenerkrankungen (z.B. allergisches Asthma, “Staublunge“, Lungentumore). Ursachen von Berufskrankheiten sind z.B.:

  • Stoffe wie Blei, Toluol, Trichlorethan, Arsen, Benzol, Phosphor, Quecksilber
  • physikalische Einwirkungen wie Lärm, dauernde Druckbelastung, Erschütterungen, Strahlung
  • Keime wie z.B. Hepatitis-Viren (z.B. in Gesundheitsberufen) oder Salmonellen
  • Stäube wie Quarzstaub, Asbest oder Hartmetallstaub
  • Auslöser allergischer Atemwegserkrankungen wie z.B. Mehlstaub (z.B. Bäcker)

Bei Verdacht auf eine Berufskrankheit muss der behandelnde Arzt oder kann auch das Unternehmen eine Berufskrankheitsmeldung per von der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) ausgearbeiteten Formularen machen. Es folgt ein Begutachtungsverfahren.

Pneumokoniosen: Staub, der krank macht

Egal, welcher Arbeit man nachgeht, atmen muss man überall. Dieser automatische und lebensnotwendige Vorgang wird jedoch zur Gesundheitsgefahr, befinden sich in der Luft Partikel bestimmter Substanzen, die sich in der Lunge ablagern und dort Reizzustände usw. hervorrufen.

Quarzstaub ist z.B. so ein Stoff. Mit ihm kommen v.a. Beschäftigte der Glas- und Keramik-Industrie und Steinbrucharbeiter (Kohlen- und Quarzstaub) regelmäßig in Kontakt. Seine winzigen Kristalle können die Alveolarmakrophagen (Fresszellen in den Lungenbläschen) nicht abbauen und gehen daran zugrunde. Das setzt die Kristalle frei, die – wieder und wieder – von anderen Makrophagen einverleibt werden, die in ihrem Versuch, den Staub zu vernichten, ebenso erfolglos bleiben. Entzündungsreaktionen sind die Folge, eine Fibrosierung der Lunge (Vermehrung des Bindegewebes zu Lasten des für die Atmungsfunktion zuständigen Gewebes, bis zu 15 Jahre nach der Staubexposition) und schließlich ein narbiger Umbau des Organs. Da Quarzstaub von der Immunabwehr nicht beseitigt werden kann, schreitet die Silikose (Quarzstaublunge) auch nach Beendigung der Staubbelastung (z.B. bei Berufswechsel) weiter fort.

Ähnliche Vorgänge passieren bei einer Asbestose, die durch das regelmäßige Einatmen von aus winzigen kristallisierten Fasern bestehendem Asbeststaub bei Beschäftigten in der Asbestherstellung und -verarbeitung zustande kommt. Je nach Ausmaß der Asbestbelastung dauert es bis zu 30 Jahre, bis die Krankheit diagnostiziert wird. Ebenso wie die Silikose setzt auch die Asbestose sich nach Ende des Kontakts mit dem Auslöser fort. Und erhöht das Risiko, einen Lungenkrebs sowie ein Mesotheliom (Lungenfell-Tumor) zu entwickeln. Weitere Pneumokoniosen (Staublungen) entstehen z.B. durch Talkum (Talkose), Berylliumstaub (Berylliose), Eisenstaub (Siderose), Aluminiumstaub (Aluminose) und Kohlenstaub (Anthrakose).

Exogen-allergische Alveolitis: Lungenkrank durch Überreaktion des Immunsystems

Gelangen bestimmte Substanzen (bislang sind rund 300 bekannt, meist Mikroorganismen, tierische Proteine oder Chemikalien) in die Lunge und führen dort zu einer überschießenden Reaktion der körpereigenen Abwehr mit Entzündung der Lungenbläschen (Alveolen), spricht man von einer exogen-allergischen Alveolitis (EAA= Hypersensitivitätspneumonie). Dabei handelt es sich um eine immunkomplexbedingte, hypererge Reaktion der Lunge (Allergie Typ III nach Coombs und Gell).

Diese Allergieauslöser respektive die Berufe, in denen sie eine Rolle spielen, geben den Krankheiten meist ihren Namen. So gibt es beispielsweise eine sogenannte Vogelzüchterlunge (Vogelhalterlunge, Taubenzüchterlunge), die durch Allergene in Kot und Federn von Vögeln hervorgerufen wird, eine von Schimmelpilzsporen in Heu und Getreide verursachte Farmerlunge, eine durch Käseschimmel ausgelöste Käsewäscherlunge und eine Staublungenerkrankung bei Zuckerrohrarbeitern namens Bagassose. Abhängig von der Kontaktdauer mit dem Allergen verläuft eine exogen-allergischen Alveolitis

  • akut mit Husten, Atemnot, Fieber und Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen drei bis sechs Stunden nach der Exposition, wobei die Symptome bei sofortiger Unterbrechung des Kontaktes mit dem Allergieauslöser binnen kurzer Zeit wieder abklingen.
  • chronisch, wenn das krankheitsauslösende Antigen nicht gefunden oder nicht gemieden wird. Dann schreiten die Entzündungsprozesse fort, führen zu einer Lungenfibrose und damit zu irreversiblen Schäden mit Beschwerden wie Husten, Luftnot und einem Cor pulmonale (Lungenherz; Hochdruck im rechten Teil des Herzens bzw. im Lungenkreislauf) mit Zyanose (bläuliche Haut-, Lippen- und Schleimhautverfärbung durch Sauerstoffmangel).

Diagnostiziert wird eine EAA anhand von Veränderungen bestimmter Laborwerte (Antikörper-Nachweis, Leukozytose, beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit, im Akutstadium Neutrophilie, bei chronischer EAA erhöhter Lymphozyten-Anteil) und Merkmale im Röntgenbild der Lunge (fleckige Verschattungen bzw. Infiltrate). Therapie der Wahl ist die strikte Meidung des Kontakts mit dem verantwortlichen Allergen sowie – bei der chronischen Form – die Gabe von Kortison.

Keine Staublunge oder EAA im klassischen Sinn, aber trotzdem eine Belastung der Atemwege stellen Berufskrankheiten wie etwa die Byssinose dar, die bei der Verarbeitung von Sisal, Rohbaumwolle oder Flachs in Form eines nicht allergischen Bronchospasmus (Verkrampfung der Muskulatur der Bronchien) auftritt. Langanhaltender Kontakt mit den Pflanzen erzeugt eine chronische Bronchitis mit vermehrter Schleimsekretion und Belastungsdyspnoe (Atemnot bei Anstrengung). Die Krankheit heißt auch Monday disease, weil die Beschwerden in der arbeitsfreien Zeit – also gewöhnlich am Wochenende – abklingen, bei neuerlicher Exposition – also montags – aber wiederkehren.

Vorbeugen ist besser als heilen

Droht bekanntermaßen eine Berufskrankheit bei Ausübung einer Tätigkeit, werden die Arbeitsbedingungen untersucht, Gefährdungen am Arbeitsplatz (z.B. Lärmpegel, Schadstoffkonzentration) gemessen und analysiert und deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand bedrohter Dienstnehmer periodisch kontrolliert (z.B. Prüfung des Hörvermögens, Ermittlung der Schadstoffkonzentration im Körper). Ziel ist die Abschätzung der Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz und vor allem die Vorbeugung (z.B. kostenlose FSME-Impfung bei Landwirten und Forstarbeitern) von Berufskrankheiten, etwa durch Betriebliches Gesundheitsmanagement.

 

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