Logopädie: wieder korrekt sprechen lernen

Probleme beim Spracherwerb, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken (z.B. nach einem Schlaganfall), unerwünschte Veränderungen der Sprache wie z.B. Stottern und anderes mehr ruft die Logopädie auf den Plan. Eine Behandlungsmethode, die sich vor allem mit der Diagnostik und Therapie von Funktionseinschränkungen der Sprache und des Sprechens befasst.
Sprechen lernen ist ein langwieriger Prozess, der außer intakten Stimmbildungsorganen (z.B. Kehlkopf) und geistigen Fähigkeiten der Förderung durch die Umwelt bedarf. Doch nicht immer gelingt das. Denn manche Kinder leiden unter Sprechstörungen wie z.B. Stottern oder Poltern. Außerdem: Selbst ein ursprünglich noch so tadelloses Sprechvermögen kann später – z.B. durch einen Schlaganfall – wieder ganz oder teilweise verloren gehen. Dann ist die Logopädie (griech.: lógos = Wort, paideia = erziehen, also “Sprecherziehung“) am Zug. Sie beschäftigt sich mit der Diagnose, Therapie, Vorbeugung und Rehabilitation von Sprach-, Sprech-, Stimm-, Hör- und Schluckstörungen und dient somit einer Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen in diesen Bereichen.
Logopädie erforderlich?
Zunächst einmal gilt es, bei Patienten mit Sprach-, Sprech- oder Schluckstörungen deren Art, Ausmaß und Ursache herauszufinden. Hierzu ist eine ärztliche Begutachtung erforderlich, um etwaige krankhafte Prozesse zu diagnostizieren, z.B. im neurologischen, kinderheilkundlichen oder Hals-, Nasen-, Ohrenbereich. Abhängig vom Ergebnis, der ärztlichen Heilmittelverordnung und den jeweiligen persönlichen Erfordernissen führt der Logopäde nach dem Erstuntersuchungsgespräch störungsspezifische Tests oder Screenings durch, die z.B. die Atem-, Stimm- oder Schluckfunktion, Artikulation (Lautbildung), Lese- und Rechenleistung, das Sprachverständnis und den Wortschatz prüfen. Danach richtet sich die Auswahl der Behandlungsmethoden (spezifische Übungen, Gespräche über den Behandlungsverlauf, Anleitung zum selbstständigen Üben) und es werden gemeinsam mit dem Patienten bzw. seinen Bezugspersonen Therapieziele festgelegt und ein individueller logopädischer Behandlungsplan erstellt.
Wann die Logopädie zum Einsatz kommt
Die Logopädie verfügt über ein breites Anwendungsspektrum. Bei Erwachsenen dient sie häufig der Behandlung von
- Aphasien, durch Hirnschäden verursachten, zentralen Sprachstörungen, bei denen typischerweise – wenn auch in unterschiedlichen Ausmaß – alle Sprachbereiche (Sprechen, Sprachverständnis, Abruf von Worten, Grammatik, Lesen, Schreiben) beeinträchtigt sind. Man unterscheidet dabei zwischen einer globalen Aphasie (gestört: Sprachverständnis, Wortbildung, Sprachfluss, Lesen Schreiben, möglich: Äußerung von Sprachautomatismen wie z.B. „so, so“), der Broca-Aphasie (verlangsamter Sprachfluss, erschwerte Wortbildung und Aussprache bei meist relativ intaktem Sprachverständnis sowie Satzverkürzungen bis hin zum “Telegrammstil“), der Wernicke-Aphasie (gestörtes Sprachverständnis, oft Logorrhoe (krankhaft gesteigerter Redefluss), lautliche Wortveränderungen im Sinne eines “Kauderwelsch“, Unvermögen, Begriffe mit dem entsprechenden Wort in Verbindung zu bringen) und der amnestischen Aphasie: (vor allem gestörte Wortfindung, daher Probleme, Gegenstände zu benennen, aber kaum Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis).
- Sprechapraxien: neurologisch bedingte, phonologische (Phonologie: Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das sich mit der Funktion der Laute in einem Sprachsystem beschäftigt) Phänomene, weil zum Sprechen notwendige Bewegungsmuster gestört sind. Das äußert sich in Vertauschungen, Auslassungen oder Hinzufügungen von Lauten sowie Änderungen in Bezug auf Sprechmelodie und -rhythmus, woraus oft eine schwer verständliche Aussprache resultiert.
- Dysarthrien: Störungen in der Sprachbildung (Sprechstörungen) z.B. im Rahmen neurologischer Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, M. Parkinson etc. oder als Folge von Unfällen (Schädel-Hirn-Trauma) bzw. Verletzungen der fürs Sprechen zuständigen Nerven und Muskeln. Die dadurch gestörte Sprechmotorik führt zu einer gepressten, undeutlichen und verwaschenen bis unverständlichen Sprache. Sind außerdem die Atmung und Stimmbildung im Kehlkopf beeinträchtigt, spricht man von einer Dysarthrophonie.
- Dysphonien: Solche Stimmstörungen können funktioneller Natur sein (typisch: Heiserkeit, Räusperzwang), wobei Atmung und stimmbildender Kehlkopf beim Sprechen nicht auf die richtige Weise eingesetzt werden. Oder aber es zeichnen Erkrankungen (z.B. Entzündungen, Lähmungen, Tumore) des Kehlkopfs oder Ansatzrohrs (oberhalb des Kehlkopfs gelegener Teil des Sprechapparates: Rachen-, Mund-, Nasenraum) verantwortlich für Symptome wie z.B. Heiserkeit, eine belegte oder raue Stimme bis hin zum Ausfall derselben, weshalb man dann von einer organischen Dysphonie spricht.
- Dysphagien: Störungen des Schluckaktes, z.B. aufgrund von Muskellähmungen (z.B. nach einem Schlaganfall), Operationen (z.B. Tumorentfernung im Rachenbereich) oder Bestrahlungen in der Mund- und Halsregion. Die Schluckstörungen können die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme erschweren oder gar verunmöglichen.
Bei Kindern und Jugendlichen dient die Logopädie vorwiegend zur Therapie von:
- Sprachentwicklungsstörungen und -verzögerungen (z.B. zweijähriges Kind beherrscht weniger als 50 Wörter, vierjähriges Kind spricht so undeutlich oder fehlerhaft, dass man es nicht versteht, fünfjähriges Kind kann noch keine korrekten Sätze bilden), die meist mit einem erhöhten Risiko, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche zu entwickeln, einhergehen.
- Dyslalien (Artikulationsstörungen): Probleme in der Lautbildung können verschiedene Laute betreffen. Häufig ist es das S, das Schwierigkeiten macht, ausgesprochen zu werden. Dann liegt ein sogenanntes Lispeln vor, das oft mit einer Schwäche der Muskulatur im Mundbereich (“myofunktionelle Schwäche“) und daher mit einem abweichenden Schluckmuster vergesellschaftet ist.
- Stimmstörungen ähnlich wie bei Erwachsenen.
- Hörstörungen: Eine Schwerhörigkeit oder gar Taubheit verzögert sehr oft die Sprachentwicklung (Sprechfähigkeit, Konzeptbildung, Sprachverständnis). Da die Sprechprobleme Folge einer anderen Erkrankung – nämlich der Hörstörung – sind, handelt es sich hier um eine sekundäre Sprechstörung.
- Funktionsstörungen im Mund- und Gesichtsbereich, die die Aussprache beeinträchtigen, aufgrund angeborener Fehlbildungen (z.B. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) oder Fehlfunktionen der am Sprechvorgang beteiligten Muskeln (z.B. durch Zahn-, Zungen- oder Kieferfehlstellungen).
- Redeflussstörungen (z.B. Stottern, Poltern), die sich durch Laut-, Silben- und Wortwiederholungen bemerkbar machen.
Was bei der Logopädie geschieht
Zwecks optimaler Förderung der Kommunikationsfähigkeit des Patienten geht der Logopäde in der Regel – anhand von Behandlungsleitlinien als Orientierungshilfe – systematisch vor und arbeitet in kleinen Schritten, wobei alle Sinne angesprochen werden. Die logopädische Therapie findet der Regel in Einzelsitzungen, in Ausnahmefällen auch in Gruppensitzungen statt. Ihre Gesamtdauer variiert je nach Störungsbild von wenigen Terminen bis hin zu mehreren Jahren.
Die Therapie selbst besteht beispielsweise aus Übungen zur Verbesserung der Artikulation, Atmung, Stimmgebung und des Sprechflusses, Wortschatz-, Wortfindungs- und Grammatik- und Dialogübungen oder der Erarbeitung bestimmter Sprech-, Stimm- und Schlucktechniken. Kommunikationstechniken kommen ebenso zum Einsatz wie das Nachsingen von Tönen und Liedern, Bewegungstherapien, Biofeedback und Computerprogramme. Ein wesentliches Element der Behandlung bildet die Beratung inklusive Anleitung zum Eigentraining. Auch der Angehörigen, wie sie z.B. den Patienten bei seinen Bemühungen, die Störung zu überwinden, unterstützen können.
Weiterführender Link:
Berufsverband der österreichischen Logopädinnen und Logopäden
Verwandter Ratgeber:
Stottern, Poltern und Stammeln: Redestörungen als Kommunikationshindernis
Datum: 14. Juni 2016
Kategorien: Gesundheit allgemein