Gesund reisen: auf Tour mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie dem Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa steht und fällt die Reisetauglichkeit oft mit den Symptomen, die sie gerade verursachen. Zieht es ihre Träger in die Ferne, ist deshalb eine sorgfältige Urlaubsplanung unerlässlich. Wichtige Aspekte dabei sind die Kost und die hygienischen Verhältnisse am Ferienort.
Werden die beiden Begriffe Reisen und Durchfall in einem Atemzug genannt, denkt man unwillkürlich an “Montezumas Rache“, eine Darminfektion, die man sich in fernen Gefilden holt, meist weil es dort um die Wasser- oder Nahrungsmittelhygiene nicht sonderlich gut bestellt ist. Nun plagen aber manche Menschen schon vor Antritt einer Reise Darmbeschwerden. Sie leiden unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) wie etwa einer Colitis ulcerosa oder einem Morbus Crohn (Enteritis regionalis). Diese Krankheiten verlaufen schubhaft, wobei auf Reisen – z.B. infolge der veränderten Kost – ein erhöhtes Schubrisiko besteht. Dann ist eine gute Reisevorbereitung das A und O und auch am Ziel gibt es einiges zu beachten.
Unerlässlich: Reiseplanung
Vor dem Antritt einer Reise empfiehlt sich die Absolvierung eines ärztlichen Checks inklusive Abklärung der Reisetauglichkeit. Am besten bei einem Spezialisten für Krankheiten der Verdauungsorgane, also einem Gastroenterologen. Abgesehen davon sollte rechtzeitig vor der Abreise der landestypisch notwendige Impfschutz aufgefrischt und der Versicherungsschutz (z.B. Reiseversicherung, Rückholdienst) geklärt sein. Außerdem vorsorglich die medizinische Versorgung am Urlaubsort gecheckt werden wie etwa die Anschrift eines leicht erreichbaren Facharztes, des nächstgelegenen passenden Krankenhauses sowie einer Apotheke für den Bedarfsfall. Hilfreich ist hierbei die internationale Zusammenarbeit mit Partner-Selbsthilfeorganisationen im Rahmen der EFCCA (European Federation of Crohn’s and Ulcerative Colitis Association), die in vielen Ländern Ansprechpersonen bereithält, die bei Problemen über örtliche Spezialkliniken Auskunft geben können.
Im Ausland besonders wichtig ist das Mitführen einer mehr als ausreichenden Notfalls-, Bedarfs- und Dauermedikation sowie wichtiger Unterlagen, d.h. ärztliche Atteste (z.B. beim Mitführen von Spritzen oder bestimmten Arzneien), die Diagnosen und allfällige andere Informationen – möglichst in der Sprache des jeweiligen Urlaubslandes, zumindest aber in englisch – enthalten im Handgepäck. Und deren Vorzeigen bei Sicherheitskontrollen (z.B. am Flughafen). Bei Trägern eines Stomas (künstlicher Darmausgang) auch die Mitnahme entsprechender Materialien in reichlicher Menge, verteilt in verschiedenen Gepäckstücken, um auch bei einem Verlust eines Koffers genügend Vorrat zu haben. Für Medikamente, die dauerhaft gekühlt zu lagern sind ohne Gefahr einzufrieren, gibt es spezielle Kühltaschen. Eine vorab ärztlich festgelegte Medikamentenkombination und Dosierungsvorgabe vereinfacht das Management ev. im Urlaub auftretender Krankheitsschübe. Die Wirkstoffe der Medikamente notieren erleichtert es, wenn nötig, im Urlaubsland adäquate Präparate, die anderswo oft andere Handelsnamen aufweisen als daheim, zu erwerben.
Bei Flugreisen gilt zu beachten, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen die Gefahr für das Auftreten thromboembolischer Ereignisse (“Reisethrombose“) erhöhen, sodass eine entsprechende medikamentöse Vorbeugung derselben mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden sollte. Außerdem kommt es Untersuchungen zufolge auf Flügen bei CEDs häufig zu Bauchschmerzen, weil infolge des geringeren Luftdrucks Blähungen im Magen-Darm-Trakt entstehen (Boyle-Marriott-Gesetz: das Ergebnis von Druck x Volumen muss konstant sein). Außerdem lässt ein reduzierter Luftdruck, wie er in Flugzeugen aber auch im Hochgebirge herrscht, die Sauerstoffsättigung des Blutes sinken, was bei zu Darmentzündungen neigenden Menschen proinflammatorische (entzündungsförderliche) Reaktionen auslösen kann.
Da die Notwendigkeit zur WC-Benützung bei CEDs von zentraler Bedeutung ist, besteht die Möglichkeit, bei der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) gegen Vorlage eines aktuellen ärztlichen Befundes über die Erkrankung oder eines Behindertenausweises einen euro-key, einen Generalschlüssel für Behindertentoiletten, zu bestellen, der in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie einigen weiteren europäischen Ländern in vielen Städten Autobahn- und andere öffentliche Toiletten sperrt.
Reiseziele: Krankheitsaktivität als zentraler Knackpunkt
Wohin es gehen soll, entscheidet sich bei CEDs danach, wie aktiv die Erkrankung gerade ist. Sind die Beschwerden unter Kontrolle, d.h. ist es bereits seit mindestens drei Monaten zu keinem Krankheitsschub gekommen, lässt sich der Urlaub ganz nach den jeweiligen persönlichen Wünschen gestalten. Andernfalls kann es je nach Ausprägung der Symptome notwendig oder besser sein, die Reise zu verschieben. Denn auch bei nur geringer Krankheitsaktivität gilt es zu bedenken, dass eine lange An- bzw. Abreise sehr anstrengend werden kann. Zumindest aber sollte das Ferienziel an die Erkrankung angepasst werden. Bei einem Krankheitsschub oder nach einer größeren Operation etwa ist es günstiger, der Urlaub findet im Heimatland oder dem nahe gelegenen Ausland statt. Dann gibt es im Notfall keine Sprachhindernisse und das Aufsuchen einer Spezialambulanz bzw. eine Heimreise ist leichter möglich.
Andere Länder – andere Speisen
Geht es zu weiter entfernten Zielen, ist es ratsam zu versuchen, schon zuhause die Mahlzeiten auf die landestypische Küche umzustellen, um die Verträglichkeit der lokalen Spezialitäten auszutesten, die sich bei jedem Menschen mit einer CED unterschiedlich gestaltet und eine gewisse Vorsicht mit ungewohntem Essen gebietet. Viele Hotels bieten aber auch internationale Gerichte oder eine spezielle Kost an für den Fall, dass Gäste bestimmte Speisen nicht vertragen, was beim Reiseanbieter oder dem Hotel selbst zu erfragen ist. Ebenso bieten viele Fluggesellschaften spezielle Speisen für Fluggäste mit speziellen Diäterfordernissen an, deren Inanspruchnahme aber rechtzeitig bei der jeweiligen Fluglinie bekanntgegeben werden sollte. Reizen ungewohnte Speisen, die sich auf die Verdauung auswirken können, unwiderstehlich zum Genießen, davon zunächst nur kleine Portionen probieren.
Wichtig: Schutz vor Infekten
Da Menschen mit einer CED durch ihre Erkrankung besonders anfällig sind für bakteriell oder viral ausgelöste Magen-Darm-Infekte, sind für sie die hygienischen Bedingungen ihres Umfelds von elementarer Bedeutung. Deshalb sollte diesbezüglich bei der Wahl des Domizils auf hohen Komfort Wert gelegt werden. Die Buchung einer Ferienwohnung statt eines Hotelzimmers z.B. erlaubt es, speziellen Bedürfnissen in puncto Kochen und Hygiene besser gerecht werden zu können.
Entspricht der Hygienestandard des Ziellandes nicht dem heimischen, sollte besonders streng beherzigt werden, was schon gesunden Reisenden geraten wird, um Magen-Darm-Infekte zu vermeiden:
- Keine rohen oder lauwarmen (z.B. Milch, Milchprodukten, Mayonnaise, Gemüse, Salat, Obst), sondern nur abgekochte Speisen verzehren. Folgend der Grundregel: „Boil it, cook it, peel it or forget it!“ (koch es, gare es, schäle es oder vergiss es).
- Früchte zuerst waschen, dann Hände waschen, dann die Früchte schälen.
- Nur Getränke und Wasser (auch fürs Zähneputzen) aus original verschlossenen Flaschen nehmen. Kein Leitungswasser!
- Auf Eis und Eiswürfel verzichten.
- Auf konsequente Händehygiene achten.
Vorsicht Sonne!
Bei Aufenthalten in warmen Gebieten lauert eine weitere Unpässlichkeit: Einige Arzneien wie etwa Methotrexat, Ciclosporin, Azathioprin oder Sulfasalazin, die bei CEDs gern zur Anwendung kommen, lassen die Haut auf Sonneneinstrahlung empfindlich reagieren. Deshalb erfordert deren Einnahme das regelmäßige Auftragen eines Sonnenschutzmittels mit hohem Sonnenschutzfaktor.
Weiter führende Links:
Österreichische Morbus Crohn-Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV)
Liste der Toiletten-Standorte & Bestellformular für den Generalschlüssel
Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH)
European Federation of Crohn’s and Ulcerative Colitis Association (EFCCA)
Links zu unserem Lexikon:
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Morbus Crohn
Künstlicher Darmausgang
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Datum: 5. August 2015
Kategorien: Gesund reisen, Magen & Darm