Vermeidbare Embryopathien: Wie Alkohol, Nikotin und Keime Kindern schaden

Mangelhafte Gesundheitsvorsorge und negative Gewohnheiten können dem Nachwuchs einen schlechten Start ins Leben bescheren. Denn werdende Mütter, die rauchen, Alkohol trinken oder sich verhinderbare Infektionen einhandeln, schädigen unwiderruflich die Leibesfrucht.
Sorgen Frauen nicht rechtzeitig, d.h. am besten schon vor Eintritt einer Schwangerschaft, für einen gesunden Lebensstil und Vorsorgemaßnahmen (z.B. Impfungen), kann das fatale Folgen haben. Denn ungeborene Kinder rauchen mit, trinken mit und bleiben auch von Infektionen nicht verschont. In der Folge entwickeln sie Störungen und Fehlbildungen, genannt Embryopathien (Fruchtschädigung).
Röteln: behindert durch virale Infektion
Potenziell gefährliche Keime begleiten zeitlebens jeden Menschen. Einige davon wie z.B. Röteln- und Toxoplasmose-Erreger wirken jedoch besonders problematisch, wenn sich damit Ungeborene anstecken. Deshalb erfolgt im Rahmen der vorgeschriebenen Mutter-Kind-Pass-Checks eine Blutuntersuchung zur Kontrolle von Antikörpern gegen Röteln, Toxoplasmose, Syphilis und HIV.
Während Röteln bei Kindern und Erwachsenen im Normalfall ohne gröbere Komplikationen verlaufen, führen sie bei Schwangeren öfter zum Abort (Abgang der Leibesfrucht). Oder das Ungeborene entwickelt nach Infektion mit dem Virus über die Plazenta (Mutterkuchen) eine Rötelnembryopathie (Rötelnembryofetopathie, Gregg-Syndrom). Und zwar vor allem dann, wenn die Ansteckung im ersten Drittel der Schwangerschaft erfolgt. Sie verursacht – infolge gestörter Differenzierungsprozesse – Fehlbildungen, v.a. eine Trias (Gregg-Syndrom) aus angeborenem Herzfehler (häufig: Ductus Botalli apertus = offen gebliebene Verbindung zwischen Aorta und Lungenarterie), Innenohr- (Schwerhörigkeit bis Taubheit) und Augenschäden (z.B. eine Katarakt = grauer Star). Es kann auch zu einem sog. erweiterten Rubella-Syndrom (engl.: rubella = Röteln) kommen mit einem Ikterus (Gelbsucht), Hautausschlag, einer Thrombozytopenie (verminderte Blutplättchenzahl), Anämie (Blutarmut), Myokarditis (Herzmuskelentzündung), Pneumonie (Lungenentzündung), Enzephalitis (Gehirnentzündung) und Knochenveränderungen. Außerdem zu Entwicklungsstörungen betreffend Wachstum, geistige Fähigkeiten und Gleichgewichtssinn sowie einer Mikrozephalie (kleiner Kopf).
Das Schlimme daran: Gegen eine Infektion des Embryos gibt es keine ursächliche Behandlung. Einzig möglicher Schutz ungeborener Kinder vor Röteln ist ein vor Eintritt einer Schwangerschaft gesicherter Impfschutz (Bestimmung des Antikörper-Titers und bei Bedarf Auffrischungsimpfung).
Toxoplasmose: Parasiten verursachen Missbildungen
Toxoplasma gondii heißt ein weltweit verbreiteter Einzeller, der auch Menschen befällt. Um seine geschlechtsreife Form auszubilden, benötigt der Parasit Katzen als Endwirt, in deren Darm er verschiedene Entwicklungsstadien durchläuft. Als Endprodukt scheiden die Katzen Toxoplasmen-Eier (Oozysten) mit dem Kot aus, die über die Erde auch in Nutztiere (Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Geflügel) gelangen, wo sie in der Muskulatur, Netzhaut der Augen und im Gehirn Zysten bilden. Deshalb bilden Katzenkot und (halb)rohes Fleisch die Quellen menschlicher Infektionen, die meist ohne Beschwerden verlaufen.
Infiziert sich jedoch eine Schwangere mit dem Parasiten, muss das für ihr Kind nicht glimpflich ausgehen, denn je nach ihrer Immunlage, der Anzahl der aufgenommenen Keime und dem Alter der Schwangerschaft können Toxoplasmen in unterschiedlichem Ausmaß das Ungeborene schädigen. Mit der Dauer der Schwangerschaft nimmt zwar die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung des Fetus (erst ab der sechsten bis zehnten Schwangerschaftswoche möglich, vorher ist die Plazenta nicht durchlässig für Toxoplasmen) zu, die Schwere der Beeinträchtigungen aber ab. Eine fetale Toxoplasmose im ersten Schwangerschaftsdrittel geht einher mit einem Hydrozephalus (Wasserkopf), einer Hirn- und Hirnhautentzündung, sowie einer Chorioretinitis (Entzündung der Ader- und Netzhaut der Augen) mit Sehstörungen. Eine spätere Infektion kann eine Frühgeburt, Leber- und Milzschwellungen, eine Thrombopenie mit Einblutungen sowie Lungenveränderungen verursachen. Welche Auswirkungen eine konnatale Toxoplasmose hat, klären Ultraschall-Untersuchungen und eine Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) ab der 16. Schwangerschaftswoche. Behandelt wird die Toxoplasmose mit Antibiotika. So weit muss es aber gar nicht kommen, denn einer Infektion lässt sich vorbeugen durch
- Verzicht auf den Verzehr (auch “nur“ Abschmecken!) von rohem Fleisch wie z.B. Beef tartar, Rohschinken, Mett- oder Teewurst, denn dieses kann Oozysten enthalten. Bei der Zubereitung von Fleischspeisen ist auf ein mindestens mehrminütiges Erhitzen über 70°C zu achten.
- Konsequente Küchenhygiene: Beim Kochen müssen für Fleisch und Salat/Gemüse unterschiedliche Küchenutensilien verwendet werden. Sonst können Toxoplasmose-Erreger vom Fleisch auf andere Lebensmittel übertragen werden. Schneidbretter, Messer, Arbeitsflächen usw. sowie Hände sind nach dem Hantieren mit Fleisch zu reinigen. Obst und Gemüse sollte man vor dem Verzehr waschen.
- Meiden von Kontakt mit Katzenkot: Das Reinigen eines Katzenklos und Gartenarbeit überlassen Schwangere am besten anderen oder erledigen es mit Handschuhen. Aufs Streicheln von und Schmusen mit Katzen sollten Schwangere ebenfalls lieber verzichten, da sich dank der Katzenwäsche Toxoplasmen auch im Fell finden können.
Alkohol in der Schwangerschaft: Benachteiligung fürs ganze Leben
Genussgifte werden in besonderer, aber negativer Weise ihrem Namen gerecht, müssen Ungeborene sie mitkonsumieren. Das geschieht immer dann, wenn werdende Mütter rauchen oder Alkohol zu sich nehmen. Ist eine Schwangere alkoholkrank, verpasst sie nämlich ihrem Kind via Mutterkuchen die gleiche Blutalkoholkonzentration wie sich selbst, was auch für ihren Nachwuchs Folgen, genannt Alkoholembryopathie (Fetales Alkoholsyndrom, FAS), hat, denn das Zellgift Alkohol verursacht individuell verschieden schwer ausgeprägte Schäden. Typisch sind ein Minderwuchs, Untergewicht, eine psychomotorische Retardierung (z.B. Sprach- und Lernstörungen), Mikrozephalie und Verhaltensauffälligkeiten (z.B. Hyperaktivität, Distanzlosigkeit, Autismus, Aggressivität, emotionale Instabilität) sowie Gesichtsanomalien wie z.B. ein schmales Lippenrot, hoher Gaumen, tief sitzende Ohren, ein Epikanthus (Hautfalte am inneren Augenwinkel), eine Blepharophimose (Verengung der Lidspalte), eingesunkene Nasenwurzel und Mandibulahypoplasie (unterentwickelter Unterkiefer). Eine muskuläre Hypotonie kann auftreten, eine Klinodaktylie (seitlich-winklige Abknickung von Fingergliedern), Handfurchen-, Zahn- und Skelettanomalien (z.B. Hüftluxation, Trichterbrust), Herzfehler und Fehlbildungen im Harn- und Geschlechtstrakt. Auch Entzugserscheinungen sind möglich. Zusätzlich haben betroffene Kinder ein erhöhtes Risiko, selbst eine Sucht zu entwickeln.
Da Alkohol unumkehrbar die Zellen schädigt, ist eine Heilung nicht möglich. Allerdings lassen sich einige körperliche Organfehlbildungen operativ korrigieren und Hirnfunktions- sowie Verhaltensstörungen durch verschiedene Maßnahmen (z.B. Pädagogik, Verhaltenstherapie, Medikamente etc.) bessern. Dennoch bleiben nachteilige Folgen bis ins Erwachsenenalter erhalten.
Rauchen während der Schwangerschaft: Fraglicher Genuss mit bitterer Reue
Tabak enthält zahlreiche gesundheitsschädliche, zum Teil sogar krebserregende Stoffe. Sie beeinträchtigen das Wohl Nikotinsüchtiger, aber auch das Befinden unfreiwillig Mitrauchender wie z.B. bei ungeborenen Kinder rauchender Schwangerer. Dennoch schaffen es viele werdende Mütter nicht, dem blauen Dunst zu entsagen. Folge: Die Schadstoffe gelangen über die Plazenta auch in den kindlichen Organismus und verursachen unter dem Begriff “Fetales Tabaksyndrom“ Symptome wie
- ein geringeres fetales Wachstum und niedrigeres Geburtsgewicht
- häufigere Plazentastörungen, Früh- und Totgeburten
- eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion und Häufung von Atemwegserkrankungen (z.B. Bronchitis, Lungenentzündung, Asthma) sowie Mittelohrentzündungen
- eine Erhöhung des Risikos für SIDS (Sudden Infant Death Syndrome, plötzlicher Säuglingstod), Herz-Kreislauf-Leiden, kindliches Übergewicht, Schielen, die Ausbildung einer Lippenspalte und einen späteren Diabetes mellitus
- mentale Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten (z.B. ADHS) und eine Neigung zu Substanzen-Missbrauch (z.B. Alkohol)
Weiter führende Links:
Toxoplasmose
Online-Selbsthilfegruppe Fetales Alkoholsyndrom
Fetales Tabaksyndrom
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Datum: 14. April 2014
Kategorien: Frauengesundheit & Schwangerschaft, Kindergesundheit