Vegetarismus: mit Pflanzenkost zu mehr Gesundheit?

Zivilisationskrankheiten, Lebensmittelskandale und schockierende Massentierhaltung sind nur einige Gründe, warum Menschen beschließen, sich vorwiegend pflanzlich zu ernähren. Nur auf Fleisch zu verzichten, geht dabei aber einigen nicht weit genug, sodass es unter den verschiedenen Arten von Vegetarismus auch gesundheitlich eher bedenkliche Kostformen gibt.
Vegetarische Ernährung ist keine Erfindung der Neuzeit. Sie nimmt ihren Ursprung beim Gelehrten Pythagoras (um 570 bis 500 vor Christus), der die Ansichten vertrat: „Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück.“ und „Solange der Mensch Tiere tötet, wird er auch Menschen töten.“ Er postulierte deshalb, dass Nahrung pflanzlich sein sollte. In den letzten Jahren erfreut sich der Vegetarismus (lat.: vegetare = beleben, engl.: vegetable = Gemüse) aus verschiedenen Gründen steigender Beliebtheit, wobei er unterschiedlich gehandhabt wird – vom weitgehenden Verzicht auf bis hin zur völligen Ablehnung von tierischen Produkte. Immer aber ist diese Ernährungsform Ausdruck einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem Thema Nahrung.
Von Flexitarier bis Frutarier
Vom Vegetarismus gibt es mittlerweile verschiedene Formen. Je nachdem, ob man sich dafür entscheidet, nur bestimmte tierische Produkte zu essen oder sich rein pflanzlich zu ernähren sowie nach Art und Zubereitung der Pflanzenkost unterscheidet man zwischen:
- Ovo-Lakto-Vegetarismus: Gegessen werden außer pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen tierische Erzeugnisse wie Honig, Eier, Milch und Milchprodukte aber kein Fleisch, kein Fisch, keine Meeresfrüchte oder Produkte von toten Tieren (z.B. Schmalz, Gelatine).
- Lakto-Vegetarismus: Der Speiseplan entspricht demjenigen des Ovo-Lakto-Vegetarismus, aber es wird zusätzlich auf Eier verzichtet.
- Ovo-Vegetarismus: Der Speiseplan entspricht dem Ovo-Lakto-Vegetarismus, aber es wird auf Milch und Milchprodukte verzichtet. Der Ovo-Vegetarismus wird oft aus gesundheitlichen Gründen (z.B. Milchallergie oder Laktose-Unverträglichkeit) eingehalten.
- Veganismus: rein pflanzliche Ernährung, ohne tierische Lebensmittel, zu denen auch Honig gehört. Strenge Veganer vermeiden auch außerhalb der Ernährung jegliche tierische Produkte wie Leder, Wolle, Daunen, Pelz oder Seide.
- Frutarismus (engl.: fruit = Frucht): Hier sollen weder Tiere noch Pflanzen leiden. Deshalb ist nur der Genuss von Pflanzenprodukten erlaubt, deren Gewinnung die Pflanzen nicht schädigt oder tötet (z.B. Äpfel, Beeren, Tomaten, Bohnen, Erbsen). Ebenso Fallobst, Nüsse und Samen. Tabu sind demnach Wurzeln, Knollen, Blätter oder Stängel, d.h. Gemüse wie Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln oder Kohl sowie Getreide, da dieses in Monokulturen angebaut wird. Manche Frutarier (Fruganer) möchten aber nicht auf Honig, pflanzliche Öle oder Getreide verzichten. Die Bemühungen, Pflanzen zu schonen führt auch dazu, dass Holz nicht als Werkstoff genutzt wird – es sei denn, es stammt von einem von selbst umgestürzten Baum.
Zudem gibt es Ernährungsformen wie den Flexitarismus (“Teilzeitvegetarismus“, zeitweiliger Verzicht auf Fleisch), Pescetarismus (Fisch-, Honig- und Milch-, ev. auch Meeresfrüchtegenuss ist erlaubt) oder Pollo-Vegetarismus (Hühnerfleisch ist erlaubt), die jedoch streng genommen keinen echten Vegetarismus darstellen, da ja Fleisch oder Fisch verzehrt wird.
Eine nicht empfehlenswerte Art pflanzlicher Ernährung ist der sogenannte Pudding-Vegetarismus, dessen Bezeichnung vermutlich auf den häufigen Verzehr von Süß- und Mehlspeisen zurückgeht und eine Umschreibung für die unvorteilhafte, weil einseitige Handhabung der vegetarischen Lebensweise darstellt, bei der meist nur wenig vitalstoffreiche Lebensmittel und viele verarbeitete Produkte gegessen werden.
Warum wird jemand Vegetarier?
Einem Teil der Menschheit, z.B. in Entwicklungsländern, stehen hauptsächlich pflanzliche Lebensmittel zur Verfügung, sodass sie zwangsläufig Vegetarier sind. In den Industrienationen hingegen entschließen sich – zunehmend mehr – Menschen freiwillig zu einer vegetarischen Lebensweise, bilden jedoch keine einheitliche Menschengruppe, da sie sich in ihren Beweggründen und Zielen, die sie mit ihrer Ernährung verbinden, unterscheiden. Häufige Motive, sich vorwiegend oder ausschließlich pflanzlich zu ernähren sind:
- gesundheitliche Aspekte, z.B. Vegetarismus als therapeutische oder vorbeugende Maßnahme gegen Zivilisationskrankheiten wie z.B. Übergewicht, Diabetes oder Gicht. Auch die Angst vor durch Tiere bzw. deren Fleisch übertragbare Krankheiten wie BSE, Vogelgrippe oder die Gammelfleischskandale bewegen Menschen des Öfteren zum Verzicht auf Fleisch.
- ökologische Aspekte wie die Schonung natürlicher Ressourcen (z.B. Rettung des Regenwaldes, der zur Gewinnung von Weideland und Futtermittel-Anbauflächen gerodet wird oder Eindämmung der überbordenden klimaschädigenden Methangaserzeugung durch Massentierhaltung) oder auch der Wunsch nach einer Verringerung der Schadstoffaufnahme (z.B. in der Tierzucht verwendete Hormone oder Antibiotika) durch eine gezielte Auswahl der Nahrungsmittel.
- religiöse Aspekte: z.B. Verzicht auf Schweinefleisch im Judentum, da Schweine als unrein erachtet werden oder Verzicht auf Rindfleisch im Hinduismus, da Kühe als heilig gelten.
- ethische Aspekte, z.B. Tiere nicht für die menschliche Existenz töten oder Tierquälereien durch Massentierhaltung, Tiertransporte, Käfighaltung und stressige Schlachtungen verhindern wollen, gemäß dem Spruch: „Tiere sind meine Freunde und meine Freunde esse ich nicht.“ Oder auch einen Beitrag leisten wollen zur Bekämpfung des Hungers in der Welt, denn Nutztiere fressen viel pflanzliche Nahrung, um wenig tierische Nahrung zu produzieren. Pflanzliche Nahrung, die die gesamte Weltbevölkerung satt machen würde.
- eine Allergie gegen, Unverträglichkeit von oder Abscheu vor Fleisch oder anderen tierischen Lebensmitteln.
Vor- und Nachteile
Unter bestimmten Voraussetzungen bietet überwiegend pflanzliche Kost gesundheitliche Vorteile wie:
- eine Normalisierung des Körpergewichts bzw. Abbau von Übergewicht.
- eine Vorbeugung, Besserung oder Heilung von Zivilisationskrankheiten, die sonst als Folge einer falschen Ernährungsweise auftreten wie z.B. Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- eine Normalisierung oder Verbesserung der Blutfettwerte durch den geringeren Fett- und Cholesteringehalt pflanzlicher Kost.
- eine Regulierung der Verdauung durch die Ballaststoffe in der Pflanzenkost und somit eine Reduktion des Darmkrebsrisikos durch die Verhinderung von Verstopfungen.
Eine streng vegetarische Ernährungsweise kann aber auch – verhinderbare – nachteilige Folgen haben:
- Wird Obst und Gemüse hauptsächlich naturbelassen verzehrt, erhöht das das Risiko für allergische Reaktionen auf diese pflanzlichen Nahrungsmittel, weil die sonst oft beim Kochen erfolgende Denaturierung der allergieauslösenden Stoffe unterbleibt.
- Wahllos konsumierte pflanzliche Kost birgt die Gefahr einer Unterversorgung mit Eiweiß. Um dem vorzubeugen, müssen v.a. Veganer auf den Verzehr von genügend eiweißreichen Nahrungsmitteln wie Nüssen, Samen Sojaprodukten, z.B. Tofu, Tempeh (Weichkäse), Miso (Gewürzpaste), Sojasaucen, -kaffee, -milch oder –mehl, Seitan (= Weizenprodukt) oder Quorn-Nahrungsmittel (= Pilzprodukte) achten. Eine Verbesserung der Verwertbarkeit pflanzlicher Eiweiße gelingt durch die Kombination unterschiedlicher Proteinquellen (z.B. Ei mit Kartoffeln, Soja, Weizen oder Mais, Milch mit Weizenmehl oder Kartoffeln und Ei mit Milch).
- Ähnliches gilt für eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen (vor allem Vitamin 12, Vitamin D, Eisen, Kalzium), die ebenso eine geeignete Lebensmittelauswahl sowie abwechslungsreiche Kost und damit ein gutes Ernährungswissen erfordern. Mangelerscheinungen zeigen sich in Symptomen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, einer Abwehrschwäche bzw. erhöhten Infektanfälligkeit, einem Gewichtsverlust oder einer Osteoporose.
- Auf den Trend zu pflanzlicher Ernährung reagieren inzwischen auch die meisten Supermarktketten und widmen zumindest eine Ecke vegetarischen Produkten wie fleischlosen Schnitzeln, Würsten und Brotaufstrichen, die es aber nicht überflüssig machen, die Zutatenliste zu studieren, denn nicht alle halten das Versprechen ein, wie angekündigt tatsächlich vegetarisch oder vegan zu sein.
- Der Vegetarismus, mehr noch Veganismus oder gar Frutarismus eignet sich nach Ansicht vieler Ernährungsexperten nicht für bestimmte Bevölkerungsgruppen, allen voran Babys und Kleinkinder, deren Entwicklung infolge Eiweiß- oder Vitalstoffmangels darunter leiden kann (z.B. neurologische Störungen). Zumindest nicht ohne Konsultation einer Ernährungsfachkraft, um die Zufuhr energie- und nährstoffreicher Lebensmittel sicherzustellen. Gleiches ist ratsam für Jugendliche, Schwangere, Stillende und Senioren, die sich rein pflanzlicher Kost zuwenden wollen.
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Datum: 23. Januar 2015
Kategorien: Ernährung & Fitness