Vegane Ernährung im Kindes- und Jugendalter: Nutzen oder Schaden?
Vegane Ernährung – regelmäßig auf den notwendigen täglichen Nähr- und Vitalstoffgehalt hin überprüft – lässt kaum Mangelerscheinungen befürchten. Doch eignet sich die Kost ohne jegliche tierische Produkte auch für Kinder und Jugendliche?
Vegane Ernährung ist in. Gilt als Zeichen für Tierliebe. Und bewusste Lebensführung. Sofern erwachsene Veganer darauf achten, dass sie alle wichtigen Nährstoffe in ausreichender Menge erhalten, trifft das auch zu. Animiert eine Mutter aber ihren Nachwuchs zu der von tierischen Produkten freien Kost, scheiden sich die Geister über Nutzen und Schaden dieses Ernährungsstils.
Divergierende Meinungen
Selbst Experten werden sich nicht einig, geht es um die Frage, ob vegane Ernährung in jedem Lebensalter sinnvoll und gesund ist. So hält etwa die American Dietetic Association (ADA) eine gut geplante vegane und andere vegetarische Ernährungsweisen für alle Phasen des Lebenszyklus, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, früher und späterer Kindheit sowie der Pubertät für geeignet.
Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) und ihre deutsche Schwesterngesellschaft (DGE) hingegen sehen eine rein vegane Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie im gesamten Kindes- und Jugendalter als nicht imstande an, eine adäquate Nährstoffversorgung und damit die Gesundheit des Nachwuchses zu gewährleisten. Auch nicht bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl. Sie wittern die Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Risiken, z.B. im Zusammenhang mit der Entwicklung des kindlichen Nervensystems. Dennoch entschließen sich zahlreiche Veganerinnen dazu, diesen Ernährungsstil auch ihrem Nachwuchs schmackhaft zu machen.
Vegane Ernährung von Geburt an?
Vegane Mütter beschäftigen sich in der Regel intensiv mit dem Thema Ernährung. Sie wissen, dass eine fleischlastige und fettreiche Kost das Risiko für die Entwicklung von Übergewicht und die Entstehung sogenannter Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Gicht oder Bluthochdruck erhöht, ein Speiseplan mit reichlich Obst und Gemüse hingegen dieses Risiko hintanhält. Und dass spätere Essgewohnheiten bereits in jungen Jahren ihre Prägung erfahren.
Nun erfüllt für die ersten fünf Monate Muttermilch alle ernährungstechnischen Bedürfnisse des Babys, sodass die Mutter im Wesentlichen nur auf ihre eigene Ernährung achten muss. Zugleich bietet das Stillen dem Kind Schutz vor späterem Übergewicht und Allergien. Lediglich die Zufuhr eines pflanzlichen Vitamin-D-Ergänzungsmittels kann notwendig werden, vor allem wenn das Kind nicht genug Sonnenlicht abbekommt, das die Vitaminbildung aktiviert. Außerdem die Verabreichung von Vitamin B 12, das in pflanzlicher Kost kaum vorkommt. Ist Stillen nicht möglich, bietet der Markt Muttermilchersatz aus Soja, der allerdings ein gewisses allergenes Potenzial besitzt.
Ist ein Kind fünf bis sechs Monate alt, braucht es weiche Beikost. Dann sollte man ihm Schritt für Schritt im Intervall von ein bis zwei Wochen ein neues Nahrungsmittel nach dem anderen anbieten. Als erstes etwa mit Eisen angereichertes Getreide wie z.B. Reisbrei mit etwas Muttermilch, später Hafer, Gerste bzw. von Natur aus eisenreiche und zugleich glutenfreie Getreidesorten wie Hirse, Amarant und Quinoa, um dem nun sinkenden, ursprünglich hohen Eisenspeicher zu begegnen. Aufgewertet durch Zugabe von ein wenig hochwertigem Raps-, Lein- oder Hanföl, das eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren sicherstellt. Aufgrund seines allergenen Potenzials Weizen erst ab dem achten Monat geben.
Dann sollte auch gut gekochtes und püriertes Gemüse auf dem Speiseplan stehen wie Kartoffeln, Pastinaken, Zucchini, Brokkoli, Karfiol, Kürbis und Fenchel. Und Obst wie z.B. zerdrückte Bananen, pürierte Pfirsiche oder Birnen sowie Apfelmus. Mit acht Monaten können die Babys Cracker, Brot und trockene Cerealien essen. Außerdem gekochte und pürierte eiweißreiche Nahrungsmittel wie Tofu oder Hülsenfrüchte (z.B. rote Linsen, Kichererbsen). Weniger günstig und deshalb sparsam anzuwenden sind nitratreiche Gemüsesorten wie Spinat oder Mangold, die bei Säuglingen den Sauerstofftransport im Blut behindern können, weil sich eine Methämoglobinämie (veränderter roter Blutfarbstoff mit durch Oxidation drei- statt zweiwertigem Eisen, das den Sauerstoff nicht ins Gewebe abgeben kann) entwickelt. Den Flüssigkeitsbedarf decken am besten Wasser und Tee (z.B. entblähender Fencheltee). Ab einem Jahr kann das Kind langsam zu – sparsam gewürzter! – Erwachsenenkost übergehen.
Vegane Klein- und Schulkinder
Ebenso wie für Erwachsene empfiehlt sich auch für Kinder eine abwechslungsreiche Kost mit viel frischem Gemüse, Obst, Salat, Nüssen, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten und hochwertigen Ölen. Allerdings ist auf eine ausreichende Kalorienzufuhr zu achten, da kleine Kinder aufgrund ihrer kleinen Mägen u.U. zu wenig davon aufnehmen. Nüsse und Nussmus, Samen, Avocados, Sojaprodukte und Trockenfrüchte liefern Fette und damit konzentrierte Energie. Da Pflanzen kaum Vitamin B12 liefern, muss dieses in Form von Vitamin-B12-Supplementen und angereicherten Lebensmitteln zugeführt werden. Dasselbe gilt für Vitamin D im Winter. Und im Sommer, wenn keine tägliche Sonnenexposition möglich ist. Die Nahrung sollte auch im Hinblick auf einen ausreichenden Gehalt an Eisen, Kalzium, Zink und Omega-3-Fettsäuren (z.B. ½ – 1 TL Leinöl pro Tag) zusammengestellt werden.
Wie sieht nun ein Tagesernährungsplan für ein- bis dreijährige Kinder aus, der den Bedarf an möglichst allen Nähstoffen deckt? Er sollte enthalten:
- 150 g Getreide: z.B. Brot, Nudeln, Reis, Haferflocken
- 100 g Hülsenfrüchte: z.B. Tofu, Seitan
- 100 g Nüsse und Samen
- 300 – 500 ml angereicherte Sojamilch
- 3 TL Fett, davon ½ TL Leinöl oder 2 TL Rapsöl
- mindestens 2 mittelgroße Früchte
- mindestens 200 g – 300 g Gemüse
Vegane Teenager
Im Jugendalter besteht ein hoher Energie- und Nährstoffbedarf, der idealerweise mit einer abwechslungsreichen Kost aus Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten, Nüssen und Samen sowie Obst und Gemüse (grünes Blattgemüse!) gedeckt werden sollte. Für die Vitamin B12- und Vitamin D-Zufuhr gelten dieselben Empfehlungen wie im Kindesalter. Zusätzlich benötigen Teenager ein Kalziumpräparat, wenn sie nicht genügend von dem Mineralstoff aus der Nahrung (z.B.
angereicherte Sojamilch, Sesam, Mohn, grünes Gemüse, Mineralwasser) aufnehmen. Auch eine ausreichende Eisenzufuhr ist wichtig – etwa aus grünem Gemüse (z.B. Grünkohl, Brokkoli, Petersilie), Amarant, Quinoa, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Samen, Nüssen und Trockenfrüchten. Gleichzeitig verzehrtes Vitamin C aus frischem Obst oder Gemüse verbessert die Eisenaufnahme.
Vegan in jungen Jahren: mögliche Vorteile
Nach Ansicht der American Academy of Pediatrics „zeigen Kinder bei den meisten lakto-ovo-vegetarischen und veganen Kostformen ein gutes Wachstum und Gedeihen, wenn diese gut geplant und angemessen supplementiert werden“. Dieser Meinung folgt die einheimische Ernährungswissenschaft zwar nicht unwidersprochen, doch zeigt sich, dass pflanzlich ernährte Kinder und Jugendliche im Vergleich zu mit einer Mischkost ernährten einen niedrigeren Body Mass Index (BMI), einen geringeren Hüftumfang und eine niedrigere LDL-Cholesterin-Konzentration im Blut aufweisen. Alles Risikofaktoren für die Entwicklung von Übergewicht, manchen Krebsarten und vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall), der Todesursache Nummer eins in den Industrieländern.
Vegan in jungen Jahren: mögliche Nachteile
Studien an vegan ernährten Kindern sind Mangelware. Allerdings wurden bei makrobiotisch-vegan ernährten Kleinkindern Ernährungsmängel, Wachstums- und Entwicklungsstörungen beobachtet.
Um das zu vermeiden und dem Körper alle notwendigen Nährstoffe in entsprechenden Mengen zuzuführen, ist eine sehr gezielte Zusammenstellung der Mahlzeiten unumgänglich. Das setzt gute Kenntnisse in puncto Nährstoffgehalt von Lebensmitteln und eine tagtägliche sorgfältige Planung voraus, ohne die ein vegan ernährtes Kind sonst Gefahr läuft, gesundheitliche Nachteile zu erleiden. Unterstützung bei dieser schwierigen Aufgabe bieten eine kompetente Ernährungsberatung und regelmäßige medizinische Überprüfungen der Nährstoffversorgung (z.B. im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bzw. regelmäßige Bluttests) sowie bei Bedarf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln.
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Datum: 25. März 2015
Kategorien: Ernährung & Fitness, Kindergesundheit