Vegan leben: vegan abnehmen
Schnellt der Zeiger der Waage in die Höhe, kommt unweigerlich die Einsicht: Der Speck muss weg. Am besten nicht nur der auf den Rippen, sondern auch der am Teller, fügen überzeugte Veganer hinzu. Denn auf alle tierischen Produkte zu verzichten hilft beim Abnehmen. Doch auch bei veganer Kost gibt es Stolperfallen auf dem Weg zum Wunschgewicht.
Veganismus – das klingt für viele nach freudlosem Knabbern an Salatblättern, nach Selbstkasteiung und militantem Tierschutz. Sich vegan zu ernähren heißt aber eigentlich nur eines: bewusst zu leben. Denn die Kostform erfordert naturgemäß, sich mit dem Essen, mit dessen Zusammensetzung und Nährstoffgehalt auseinanderzusetzen. So kommt es, dass Veganer angeblich – und zwar ohne klassischen Diätplan – leichter abnehmen sollen. Ein paar Fakten müssen aber auch sie beachten, soll ungeliebtes Hüftgold – möglichst für immer – verschwinden.
Stolperfalle 1: Abnehmen “wie von selbst“
Zweifellos – ein Speiseplan ohne tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Käse und Honig kann bestimmt einiges an Fettpölsterchen zum Verschwinden bringen, enthalten diese Lebensmittel doch zum Teil viel Fett und/oder Kalorien. Damit allein ist es aber sicherlich nicht getan, um zur Traumfigur zu kommen. Rein energetisch gesehen kann veganes Essen nämlich ebenso viele Kalorien liefern wie die übliche Mischkost, schon wegen des recht hohen Kohlenhydratanteils. Und auch nicht jedes Sojaprodukt ist zwingend kalorienarm. Wer mittels veganer Kost abnehmen will, kann also auch nicht bedenkenlos alles in sich hineinstopfen, was im Rahmen der Ernährungsform gestattet ist und trotzdem erwarten, dass die Fettdepots schmelzen. Das hat der Veganismus mit allen Ernährungsweisen gemein, auch wenn so manche Diätgurus anderes versprechen wollen.
Stolperfalle 2: Low carb als Abnehmgarantie
Es stimmt schon: Kohlenhydrate können dick machen. Nämlich dann, wenn es sich um solche handelt, die den Blutzuckerspiegel rasch anheben und dann ebenso schnell wieder fallen lassen wie etwa Zucker oder Weißmehl. Sie liefern “leere Kalorien“, die in Fettdepots angelegt werden. Und erzeugen durch die Blutzuckerschwankungen Heißhungerattacken. Deshalb könnte man auf die Idee kommen, sie aus der Ernährung verbannen zu wollen, wie es Verfechter von Low Carb Diäten (z.B. Atkins Diät, Paläo Diät) tun. Und auch manche abnehmwilligen Veganer folgen diesem Gedankengang, was ihren Speiseplan zugegebenermaßen unattraktiv und schwer durchhaltbar macht, denn wer will schon allein von z.B. Tofu, Nüssen und Seitan leben?
Sie denken falsch, denn: Kohlenhydrate sollten den größten Teil unserer Nahrung ausmachen, so lautet die Botschaft der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), aber möglichst komplexe, wie man sie etwa in Vollkornprodukten findet, die auch noch wertvolle Ballaststoffe besitzen, die für einen stabilen Blutzuckerspiegel sorgen. Die DGE empfiehlt daher, knapp drei Viertel der Speisen in Form von Obst, Gemüse und Getreideprodukten zu sich zu nehmen. Obst und Gemüse enthalten viele Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente und zum Großteil nur wenig Kalorien, sodass man viel davon verzehren kann. Kohlenhydratträger wie Vollkornbrot, Müsli, (möglichst ungeschälter) Reis, Kartoffeln und (am besten Vollkorn-) Nudeln, auch Hirse, Quinoa, Bulgur oder Couscous gelten als “Sattmacher“. Darin enthaltene Ballaststoffe fördern die Verdauung und schützen vor Darmkrebs.
Deshalb besteht auch die Basis der veganen Ernährungspyramide aus den Vitalstoffträgern (und gleichzeitigen Kohlenhydratlieferanten) Gemüse (Empfehlung: drei Handvoll pro Tag) und Obst (Empfehlung: zwei Handvoll pro Tag) und ihre nächste Stufe aus den Kohlenhydraten, und zwar zwei Portionen täglich.
Manche Autoren wollen herausgefunden haben, dass Äpfel, Zitrusfrüchte (Zitronen, Grapefruits, Orangen, Limetten), Beeren und Trauben, Gurken, Sellerie, Karotten und Peperoni, Bärlauch und Knoblauch sowie bestimmte Kräuter (Oregano, Schnittlauch) das Abnehmen besonders wirkungsvoll unterstützen.
Stolperfalle 3: schädliches Fett
Ja es ist nicht von der Hand zu weisen: Fett liefert viele Kalorien. Von allen drei Energieträgern sogar die meisten, nämlich pro Gramm 9,3 kcal (= 38,9 kJ; im Vergleich: Eiweiß und Kohlenhydrate je 4,1 kcal = 17,1 kJ). Und liegt damit auch noch vorm Alkohol (7,1 kcal = 29,3 kJ). Deshalb sollte man es beim Wunsch nach einer schlankeren Figur – genauso wie den Alkohol – auch reduzieren, aber keinesfalls vom Speiseplan verbannen. Denn Fett ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern sogar lebenswichtig, z.B. zur Aufnahme fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K) oder Bildung von Hormonen. Es kommt aber auf die Menge an. Und seine Art. Zu bevorzugen sind gesunde Fettsäuren, wie sie etwa in Avocados, Bananen, Nüssen, Samen, Kernen und nativem Olivenöl vorkommen.
Übrigens: Das Problem “versteckte Fette“ beschränkt sich nicht auf Mischköstler, die solche über Wurst, Chips, Paniertes u.a.m. zu sich nehmen. Davor sind auch Veganer nicht gefeit, sofern sie Fertigsaucen, fertige Dressings oder Marinaden verwenden, in denen oft auch Fett steckt. Die Alternative lautet natürlich: fettarme Varianten selbst zubereiten.
Stolperfalle 4: die gesunde Produkte – Lüge
Dass Veganismus im Trend liegt, hat auch die Lebensmittelindustrie entdeckt und überschwemmt den Markt mit entsprechenden Fertigprodukten, die ebenfalls gerade boomen. Von veganen Ravioli, veganer Wurst, veganen Frühlingsrollen bis hin zum veganen Schnitzel, veganen Gulasch und veganen Schokokuchen. Was viele davon nicht bieten können, sind durchwegs gesunde Zutaten, auch wenn sie verführerisch aussehen und köstlich munden mögen. Denn wie Untersuchungen zeigen, verstecken sich darin des Öfteren ungesunde Fette, viel Zucker und auch reichlich Zusatzstoffe. Deshalb: Lieber frisch kochen und zu gesunden Snacks wie einem Stück Obst, ein paar Trockenfrüchten, Nüssen oder Gemüsesticks greifen, die man als Geheimwaffe gegen Heißhungerattacken immer mit sich führen sollte.
Apropos Kochen: Wer das nicht täglich tun will, kann Speisen für ein paar Tage im Voraus zubereiten (z.B. Smoothies aus Obst/und oder Gemüse) oder auch für später einfrieren. Übrigens: Ein unter Berücksichtigung anderer Termine erstellter und eingehaltener Einkaufs- und Kochplan hilft, dem Griff zu Fertigprodukten zu widerstehen.
Stolperfalle 5: darben statt genießen
Das gilt zwar nicht nur für den Veganismus, sondern für jede Kostform: Einseitigkeit ist der Tod einer jeden Diät. Zuviel Routine killt den Spaß am Unterfangen “Abnehmen“ und macht geneigt, es vorzeitig aufzugeben. Deshalb: Hin und wieder sich eine “Sünde“ wie z.B. einen veganen Kuchen gönnen. Oder auch Rezepte immer wieder mal mit anderen oder neuen Zutaten aufputzen, um Abwechslung in den Speiseplan zu bringen. Langfristige Abnehmerfolge stellen sich nämlich nur durch eine konsequente Umstellung der Essgewohnheiten ein. Und die kann man nur einhalten, wenn sie auch einigermaßen Vergnügen bereiten.
Besser als jede Diät?
Eine Studie des Teams rund um Dr. Gabrielle Turner-McGrievy an der amerikanischen University of South Carolina hat erforscht, welcher Ernährungsstil bei übergewichtigen Erwachsenen am erfolgreichsten Kilos purzeln lässt. Hierzu wurden die Testpersonen nach dem Zufallsprinzip in fünf Gruppen eingeteilt: Veganer (keine tierischen Produkte), Vegetarier (kein Fleisch, kein Fisch), Semi-Vegetarier (nur gelegentlich Fleisch), Pescetarier (kein Fleisch, aber Fisch) und als Kontrollgruppe Mischköstler (Omnivoren = “Allesesser“), die ein halbes Jahr lang ihren jeweiligen Speiseplan einhielten. Resultat: Schon bald zeichnete sich ab, dass beim Erschlanken die Veganer die Nase deutlich vorne hatten. Sie nahmen im Schnitt gut doppelt so viel (~7 ½ : 3 kg) ab wie alle anderen. Doch das war noch nicht der einzige Bonus. Die veganen Studienteilnehmer wiesen zudem bessere Blutwerte, vor allem niedrigere Blutfette (hohe Blutfettwerte = Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen) auf.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Auswertung von zwölf Ernährungsstudien, die unterschiedliche Kostformen (z.B. Low Carb Diäten wie die Atkins Diät) auf ihr Potential zur Gewichtskontrolle hin verglich. Auch hier schnitt der Veganismus hinsichtlich Gewichtsverlust am besten ab. Und der Vegetarismus besser als fleischhaltige Kost.
Diesen Erkenntnissen widerspricht allerdings eine Metaanalyse im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation (DIMDI), bei der 34 Studien zum Thema Übergewicht und Abnehmen näher untersucht wurden. Sie kam zur Schlussfolgerung, eine vegane Diät scheine in puncto Gewichtsstabilisierung schwächer wirksam zu sein. Wie dem auch sei, vegan essen allein ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit eine Abmagerungskur machen.
Weiterführende Links:
Vegane Ernährungspyramide
Studie zum Thema “Abnehmen und Ernährungsstil“
Metaanalyse von 12 randomisierten und kontrollierten Ernährungsstudien
DIMDI-Metaanalyse
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Datum: 5. Januar 2017
Kategorien: Ernährung & Fitness