Steinzeitdiät: altsteinzeitzeitliches Essen als Gesundbrunnen?

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Zurück zur Natur fordert die Steinzeitdiät, bei der nur das auf den Tisch kommt, was unsere frühen Vorfahren schon gegessen haben sollen und das war angeblich hauptsächlich Fleisch. Skeptiker bezweifeln jedoch, dass Ernährungsgewohnheiten der Jäger und Sammler vergangener Jahrtausende Menschen der Neuzeit tatsächlich gerecht werden.

Die moderne Ernährung in den Industrieländern mit ihren industriell verarbeiteten Lebensmitteln und Zusatzstoffen macht krank, weil sie unnatürlich ist und der menschliche Verdauungstrakt sich – rund 300 Generationen nach der Altsteinzeit (Paläolithikum griech.: palaios = alt, lithos = Stein) – darauf noch kaum eingestellt hat. So argumentieren Verfechter der Paläodiät (Steinzeitdiät, Paleo-Diät, Paleo), bei der nur das verzehrt wird, was schon unsere Vorfahren in der Altsteinzeit gegessen haben. Also das, was Jäger und Sammler damals erbeutet haben. Das lässt sich nicht so ohne Weiteres auf die heutige Zeit übertragen, führen Kritiker der inzwischen populären Ernährungsweise ins Treffen.

Paläoernährung: Low-Carb-Diät

Von der Steinzeitdiät gibt es mehrere Varianten, bei denen allen aber auf dem Speiseplan stehen

  • Fleisch (Bio oder aus Weidehaltung), Innereien und Wurst ohne Konservierungsstoffe (z.B. Pökelsalz)
  • Fisch und Meeresfrüchte (aus Wildfang)
  • Eier (aus artgerechter Haltung)
  • Obst und Gemüse (möglichst naturbelassen)
  • Pilze und Kräuter
  • Nüsse und Samen
  • Fett (Oliven-, Kokosöl, Schmalz)

Bei der Diät verpönt sind Lebensmittel, die der Mensch erst seit Einführung der Landwirtschaft nutzt und die als Verursacher vieler Zivilisationskrankheiten gelten: Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Milch und Milchprodukte, zu viel Salz, raffinierter Zucker sowie natürlich Fertiglebensmittel und Konservierungsstoffe. Einige Paläo-Diät-Varianten erlauben aber den gelegentlichen Genuss von dunkler Schokolade, Kaffee, Wein und anderen getreidelosen alkoholischen Getränken.

Es handelt sich also um eine kohlenhydratarme (“low carb“) Diät, denn laut Paleo enthalten alle Getreidesorten für die Pflanzen nützliche, für die Menschen aber potenziell gesundheitsschädliche sogenannte Anti-Nährstoffe wie Lektine, Phytinsäure und Gluten. Strengere Varianten von Paleo reduzieren deshalb sogar zusätzlich Kohlenhydrate aus Früchten.

Gesund oder nicht?

Wie für viele andere Diäten auch gilt für die Steinzeitdiät: Sie kann beim Abnehmen und der Eindämmung bestimmter Zivilisationskrankheiten helfen, wobei unklar bleibt, ob die teilweise beobachteten positiven Effekte wie z.B. verbesserte Blutzuckerwerte oder ein vermindertes Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Bluthochdruck) auf der Art der Diät beruhen oder sich nur deshalb einstellen, weil ihre Anwender sich bewusster (z.B. salzarm) ernähren und viel bewegen. Jedenfalls fehlen umfassende Untersuchungen zu ihrem gesundheitlichen Nutzen. Es sollte aber zu denken geben, dass heute noch existente, unter ähnlichen Bedingungen wie in der Steinzeit lebende Urvölker deutlich seltener an Übergewicht, Bluthochdruck und zu hohen Cholesterinwerten leiden, diese Zivilisationsleiden aber oft entwickeln, erhalten sie “westlich geprägte“ Nahrung.

Eine Studie zeigt zudem, dass die Steinzeitkost sättigender ist als beispielsweise die Mittelmeerdiät und somit besser Übergewicht vorbeugen soll. Obwohl Abnehmen bei ihr nicht im Vordergrund steht, sondern eine gesunde und ausgewogene Lebensweise. Weshalb es auch keinen Diätplan, an den man sich halten muss, gibt. Der Schlüssel zum Erfolg heißt bewusster Konsum, d.h. Qualität statt Quantität, (z.B. keine Massentierhaltung). Frisches Obst und Gemüse essen, aber Fertiglebensmittel meiden gelten schließlich als allgemein anerkannte Empfehlungen einer gesunden Ernährungsweise.

Kritiker der Paleo-Diät weisen darauf hin, dass der Energiebedarf unserer steinzeitlichen Vorfahren aufgrund ihrer ständigen Nahrungssuche und damit verbundenen Bewegung ein weitaus höherer war als der von uns modernen Menschen mit meist sitzender Lebensweise. Zudem erscheint der hohe Eiweißgehalt (mindestens 35 Prozent Protein täglich) der Steinzeiternährung als potenziell problematisch, kann er doch auf Dauer zu Gicht, Nierensteinen und Arteriosklerose führen, weshalb (fraglicher Nutzen bei hohem Risiko für Schäden) viele Ernährungswissenschaftler von der Ernährungsweise abraten. Ganz abgesehen davon, dass man hinterfragen darf, ob unsere Ahnen damals wirklich so viel Fleisch verzehrt haben, mussten dafür doch erst Tiere erlegt werden und ist pflanzliche Nahrung doch leichter aufzutreiben.

Ernährungswissenschaftlich umstritten ist auch der völlige Verzicht auf Getreide- und Milchprodukte, vor allem aber der geringe Kohlenhydratanteil der Diät, der nur rund 23 Prozent (normalerweise empfohlen: bis zu 65 Prozent) beträgt.

Außerdem: Im Alltag bedeutet die steinzeitliche Kost eine gewisse Herausforderung, besonders das Essen unterwegs. Vor allem der Verzicht auf Brot und Gebäck fällt vielen schwer (Ausweg: Brot backen aus Kürbis-, Sonnenblumenkernen und Gewürzen). Nicht zuletzt ist der hohe Fleischkonsum aus ökologischer Haltung auf die Dauer teuer. Wer die Paläo-Diät ins Auge fasst, sollte also neben Selbstüberwindung über das nötige Kleingeld verfügen.

Erbgutgerecht oder evolutionsfeindlich?

Die Anhänger der Steinzeitdiät argumentieren damit, dass das menschliche Erbgut seit der Steinzeit weitgehend unverändert geblieben, somit die menschliche Präferenz für viel Fleisch in den Genen verankert sei, der menschliche Verdauungsapparat daher nicht genug Zeit gehabt hätte, sich an das moderne Essen anzupassen und eine Rückkehr zu steinzeitlicher Kost ihm daher besser gerecht würde. Dem halten viele Evolutionsbiologen entgegen, dass der Mensch als Allesfresser darauf ausgelegt sei, mit allem möglichem “Futter“ klarzukommen.

Die menschliche Entwicklung, d.h. Selektions- und Mutationsprozesse im Erbgut würden vor allem darauf hinauslaufen, alles zu begünstigen, was die Weitergabe von Genen an die nächste Generation, sprich die Fortpflanzung, sichert. Ohne jeden einzelnen Körperprozess bis ins Detail zu optimieren. Gesundheit erschien daher zumindest in der Steinzeit, wo die typische Lebenserwartung deutlich unter der heutigen lag und die Kindersterblichkeit hoch war, zweitrangig, denn viele Menschen kamen damals erst gar nicht dazu, sich groß zu vermehren, weil sie vorher verunfallten, dahinsiechten oder gar verhungerten.

Oder andersrum gesehen: Da die Steinzeitmenschen nicht älter als durchschnittlich 25 Jahre wurden, kann ihre Ernährung wohl nicht gerade ideal gewesen sein. Höchstwahrscheinlich wurde in der Altsteinzeit verzehrt, was die Umgebung gerade geboten bzw. das Jagdglück beschert hat, also Abwechslungsreiches. Und das variierte je nach Aufenthaltsort. Zudem kannten auch unsere Vorfahren schon unterschiedliche Nahrungsvorlieben, legen Untersuchungen an den Zähnen der frühen Artgenossen nahe. Die urzeitlichen Jäger und Sammler mussten daher vor allem eines sein: anpassungsfähig. “Die“ Steinzeitdiät an sich gab es also nie. Wenig verwunderlich wenn man bedenkt, dass das Paläolithikum rund 2,6 Millionen Jahre andauerte.

Ganz “geirrt“ kann sich die Evolution jedenfalls nicht haben, denn noch nie hat sich die Menschheit so sehr über den gesamten Planeten ausgebreitet, haben die Menschen so lange gelebt, sich so intensiv vermehrt und – zumindest in Teilen der Welt – über eine so breite Nahrungsmittelgrundlage verfügt wie heute. Eine komplette Fehlentwicklung der menschlichen Ernährung hätte das kaum erlaubt.

 

Weiterführender Link:
Steinzeit-Diät-Rezepte

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