Atkins-Diät: Eiweiß und Fett statt Kohlenhydrate
Was unglaublich klingt, wird mit der Atkins-Diät wahr: trotz ausgesprochener Schlemmerei nimmt man ab. Denn die Diät erlaubt es, so viel Eiweiß und Fett zu essen, wie man will. Dafür aber kaum Kohlenhydrate. Das klingt nach massenhaft Steaks, Eier, Speck und Wurst. Beinahe paradiesisch für Fleischtiger. Noch dazu fällt das sonst beim Abnehmen oft geforderte lästige Kalorienzählen weg. Was sie jedoch mit den meisten anderen Diäten gemeinsam hat: keiner hält sie allzu lange durch. Und gesund ist sie auch nicht.
Man darf schlemmen in Hülle und Fülle. Aber möglichst keine Kohlenhydrate, sondern “nur“ Eiweiß und Fett. Das ist das Wesen der Atkins-Diät. Benannt wurde sie nach ihrem Entwickler Dr. Robert Atkins, einem New Yorker Kardiologen, der selbst schwer übergewichtig und auf der Suche nach einer dauerhaften Form der Gewichtsreduktion war. Vor seiner Erfindung haben viele Diäten auf “low fat“ gesetzt, aber meist nicht zu bleibenden Erfolgen geführt.
Seine “low carb“ Methode tut das allerdings ebenso wenig. Sie sorgt zwar zunächst für einen raschen und beachtlichen Gewichtsverlust, doch wie sich – auch an ihrem Entdecker selbst (er starb mit einem BMI > 30) – zeigt, ebenfalls nicht für immerwährende Schlankheit. Trotzdem folgten dem “low carb“ Prinzip andere Kostformen zum Abnehmen wie z.B. die Logi-, South-Beach- oder Glyx-Diät. Auch wenn das der empfohlenen Ernährungspyramide, deren Basis Kohlenhydrate bilden, widerspricht.
Wie die Atkins-Diät funktioniert
Bis zu einem halben Kilogramm täglich soll man mit der Atkins-Diät verlieren können. Das kommt durch eine schlechte Verwertung der mit der Nahrung zugeführten Fette zustande. Die brauchen nämlich eine gewisse Menge an Kohlenhydraten, damit sie der Organismus verstoffwechseln kann. Fehlt es an den benötigten Kohlenhydraten, setzt der Körper kein Fett an. Im Gegenteil. Er braucht zuerst rasch die Kohlenhydratreserven in der Leber (Glykogen) auf. Und baut dann vorhandene Fettdepots ab, um aus Fettsäuren Ketonkörper (Acetoacetat, 3-Hydroxybutyrat, Aceton) zu gewinnen, die den Organen (außer: Gehirn, rote Blutkörperchen) statt Glukose (Zucker) als Energiequelle (“Hungerstoffwechsel“) dienen und appetithemmend wirken sollen. Vorgänge, die grundsätzlich bei jedem Fastenprozess stattfinden.
Diese erwünschte Ketose (Stoffwechselzustand, in dem der Körper Fett anstelle von Kohlenhydraten als Hauptenergiequelle verwendet) bzw. die mit ihr verbundene vermehrte Fettverbrennung erzeugt allerdings auch einige unangenehme Begleiterscheinungen:
- an den ersten 3 Tagen ein starkes Hungergefühl
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit durch den Kohlenhydratentzug (“Low-Carb-Grippe“)
- schlechter Atem (“Ketose Atem“) bzw. Mundgeruch
- metallischer oder salziger Geschmack im Mund
- oftmals Schwindel und Nierenschmerzen in der ersten Phase
Abgesehen von den genannten Stoffwechselveränderungen macht fettes Essen rasch satt. Möglicherweise ist dieser Effekt hauptsächlich für die Abnehm-Erfolge verantwortlich, führen Skeptiker der Diät ins Treffen. Denn von Sattmachern isst man weniger, sprich es werden weniger Kalorien zugeführt.
Speiseplan: viel Eiweiß und Fett
Kalorienzählen muss man bei der Atkins-Diät nicht. Ebenso wenig seine Essensportionen begrenzen. Aber auf Kohlenhydrate fast völlig verzichten, denn Brot, Kartoffeln, Nudeln und Co. gelten als “Dickmacher“. Dafür sind Fett und Eiweiß in jeder Menge erlaubt.
Somit stehen auf dem Speiseplan in der Phase 1 der Atkins-Diät in unbegrenztem Ausmaß (auch fettes) Fleisch, Geflügel, Fisch, Meerestiere, Speck, Wurst, Eier sowie Fette (Oliven-, Rapsöl). Auch Milchprodukte (v.a. Käse und Schlagobers) und Tofu. Zudem Nüsse und kohlenhydratarme Gemüsesorten wie z.B. Artischocken, Auberginen, Blattsalate, Brokkoli, grüner Paprika, Gurken, Pilze, Sellerie, Spargel, Spinat, Wasserkastanien, Zucchini und Zwiebeln. Obst, Weißmehl, Zucker und Süßigkeiten hingegen fallen in die Kategorie “unerwünscht“.
Kaffee und Alkohol sind in Phase 1 verboten, danach jedoch in Maßen gestattet. Ab Phase 2 sind ehemals “verbotene“ Lebensmittel wie verschiedene Obst- und Gemüsesorten (außer Kartoffeln, Mais, rote Rüben, Ananas, Rosinen, Wassermelonen, Dosenobst), Reis, Nudeln und Brot (bevorzugt Vollkornprodukte und Naturreis) erlaubt.
Was die Diät erfordert, ist natürlich Disziplin. Und beim Einkaufen eine Nährstofftabelle zur Ermittlung des Kohlenhydratgehaltes von Nahrungsmitteln bzw. das Beachten der Nährwertangaben auf Lebensmittelpackungen.
Abnehmen in 4 Phasen
Die Atkins-Diät umfasst 4 Abschnitte:
- Einleitungsphase: 14 Tage lang kommen Fleisch, Eier, Soja und Gemüse sowie täglich maximal 20 g Kohlenhydrate, aber kein Brot auf den Tisch.
- Reduktionsphase: Schrittweise erweitert sich der Ernährungsplan um neue Lebensmittel, wobei pro Woche die Menge an erlaubten Kohlenhydraten um 5 g steigt (= insgesamt 40 bis 60 g Kohlenhydrate wöchentlich). Das sorgt bei den meisten Diätteilnehmern für einen zügigen Gewichtsverlust. Stagniert das Gewicht, wird wieder um jeweils 5 g reduziert.
- Vor-Erhaltungsdiät-Phase: Langsam wird das Abnehmen durch eine Erhöhung der Kohlenhydratzufuhr, d.h. allmähliche Umstellung auf Normalkost beendet.
- Erhaltungsdiät-Phase: Die Lebensmittelauswahl erweitert sich stark, sodass viel Gemüse, Fisch und Obst verzehrt wird, aber nur ausnahmsweise Nudeln und Kartoffeln.
Nach erreichtem Wunschgewicht sollte man den Vorstellungen von Dr. Atkins zufolge die Erhaltungsdiät lebenslang beibehalten. Was er darüber hinaus empfiehlt ist, während der Diät Sport zu treiben. Und viel zu trinken (am besten Wasser, ungesüßten Tee), um die Nieren zu entlasten.
Wie so ein Phase 1-Atkins-Tag aussieht? Nun, zum Frühstück gibt es beispielsweise eine Eierspeise mit Schinken, ein Egg Benedikt mit Sauce Hollandaise oder ein Käse-Omelette mit Speck. Mittags wird ein Hühnersalat mit Mayonnaise und Sellerie, römischer Salat mit Caesar Salat Dressing oder gefüllte Curry-Eier aufgetischt. Abends stillt ein Steak mit Salat und Caesar-Dressing, Fisch mit Zitronen-Butter-Sauce oder Dijon-Hühnchen den Hunger. Und zwischendurch darf man Snacks wie Käse-Speck-Würfel oder Sellerie mit Frischkäse-Gorgonzola-Dip knabbern.
Für wen eignet sich die Atkins-Diät?
Grundsätzlich können diese Diät Frauen und Männer in jedem Alter machen. Doch empfiehlt es sich, einen Arzt zu Rate zu ziehen, bevor man damit beginnt. Und laufend die Blutwerte überprüfen zu lassen, wenn man sie macht.
Da die Diät keine ausgefallenen Zutaten verlangt, die Mahlzeiten ohne großen Aufwand zuzubereiten sind und problemlos zu Hause vorbereitet werden können, um sie am Arbeitsplatz zu verzehren, ist diese Kostform auch für Berufstätige durchführbar. Und sie ist außer Haus (z.B. in Restaurants) umsetzbar.
Ungeeignet erweist sich die Atkins-Diät für Menschen mit starkem Übergewicht, für solche mit Herz-, Kreislauf- und/oder Nierenleiden, schwangere Frauen sowie Vegetarier und Veganer.
Nachteile der Atkins-Diät
- Einseitigkeit
- Vitalstoffmangelzustände durch den (teilweisen) Verzicht auf Obst und Gemüse, sodass die Einnahme entsprechender Präparate empfohlen wird
- eine Gefährdung der Nieren aufgrund der hohen Eiweißzufuhr
- das Risiko der Entwicklung von Gicht durch den massiven Konsum von Fisch und Fleisch, d.h. potenten Purin- bzw. Harnsäurequellen
- eventuelle Verdauungsprobleme wie Verstopfung oder schleimig-fettiger Stuhl wegen der enormen Fettmengen und wegen des Mangels an Ballaststoffen aus Gemüse und Vollkornprodukten (Risiko: Entwicklung von Darmkrebs)
- körperliche Kraftlosigkeit und Konzentrationsstörungen infolge des Kohlenhydratmangels
Manche Stoffwechselexperten ziehen in Erwägung, dass die Diät provoziert, was Ernährung eigentlich verhindern soll: einen hohen Cholesterinspiegel und damit ein gesteigertes Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten. Einige Untersuchungen konnten zwar die Bedenken bezüglich der Blutfettwerte entkräften. Doch ist genau genommen nicht exakt bekannt, welche langfristigen Auswirkungen die Fleischmast und Fettorgie auf den Stoffwechsel hat. Jedenfalls sind die Abfallprodukte von fett- und eiweißhaltigen Speisen imstande, die Entstehung von Nierenproblemen (z.B. Nierensteine), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall) und Stoffwechselstörungen sowie – infolge der erhöhten Kalziumausscheidung – Osteoporose zu begünstigen.
Deswegen und auch aufgrund der Einseitigkeit der Atkins-Diät stufen sie viele Ernährungswissenschaftler als unausgewogen bzw. höchstens für eine kurzzeitige Anwendung geeignet ein. Was Letzteres anbelangt, können sie sich ihre Empfehlungen sparen. Denn niemand hält die Diät lange durch. Der Heißhunger auf Kohlenhydrate wird einfach zu groß. Oft auch der Ekel vor dem allzu fettigen Essen.
Datum: 8. Februar 2019
Kategorien: Ernährung & Fitness