Anorexie: Dünn sein um jeden Preis

©panthermedia.net, Arne Trautmann

Schlank gilt als schön, der Wunsch abzunehmen als normal. Wenn immer dünner werden aber zur zentralen Lebensaufgabe wird, ist das Zeichen einer schwerwiegenden Essstörung namens Magersucht.

Kaum eine junge Frau, die mit ihrer Figur zufrieden ist. Kaum eine, die nicht schon Diäten probiert hat, um ein paar Kilos loszuwerden. Doch der Schlankheitswahn unserer Zeit fordert seinen Preis: Essstörungen befinden sich auf dem Vormarsch. Gesundheitsschädlich sind sie alle, aber die Anorexie (Anorexia nervosa, Magersucht) kann sich sehr schnell zu einem lebensbedrohlichen Zustand entwickeln.

Endlos abnehmen

Am Anfang steht zumeist der Wunsch, etwas Gewicht zu verlieren. Die darauffolgende Diätkur wird dann aber zur im wahrsten Sinn des Wortes todernsten Sache. Denn Anorektiker können mit dem Abnehmen nicht mehr aufhören, auch wenn sie längst extrem untergewichtig sind. Sie nehmen kaum Nahrung zu sich und wenn, nur kalorienarme Lebensmittel wie Obst, Gemüse oder Joghurt. Gleichzeitig reduzieren sie absichtlich zusätzlich ihr Gewicht, z.B. mit Hilfe von exzessiver Sportausübung, dem Missbrauch von Abführmitteln, Appetitzüglern oder harntreibenden Medikamenten u.a.m. Doch egal wie dünn sie auch sind, fühlen sie sich immer noch zu dick. Darum hungern sie stetig weiter – selbst wenn sie daran sterben.

Ursache unbekannt

Magersucht betrifft v.a. heranwachsende Mädchen und junge Frauen, aber auch manche Männer. Besonders gefährdet sind Menschen in Berufen, die nachdrücklich Schlankheit einfordern (z. B. Models, Ballett). Warum genau jemand so strikt eine normale Ernährung verweigert, ist jedoch noch nicht hinreichend geklärt. Forschungen der Ruhr-Universität in Bochum zeigen bei Anorektikern Auffälligkeiten in dem Teil des Gehirns, der für die Körperwahrnehmung zuständig ist. Vermutlich aber liegt der Essstörung eine Kombination aus verschiedenen Faktoren zugrunde. Als mögliche Auslöser diskutiert werden seelische Probleme wie z.B. Angst vor dem Erwachsenwerden, unzureichendes Selbstwertgefühl, familiäre Konflikte u.a.m.

Das hervorstechendste Merkmal der Anorexie ist der starke Gewichtsverlust (Body-Mass-Index von 17,5 kg/m2 oder weniger), der sich allerdings zumindest anfangs kaschieren (z.B. weite Kleidung, mehrere Schichten) lässt. Da Magersüchtige über ein gestörtes Körperschema verfügen, sehen sie sich auch dann noch als zu dick an, wenn sie nur noch 30 Kilogramm wiegen. Deshalb stellen sie sich oft auf die Waage und meiden mit Essen verbundene Aktivitäten (z.B. Einladungen, Lokalbesuche, Feste). Außerdem entwickeln sie häufig besondere Essgewohnheiten: Sie zerkleinern z.B. ihre Nahrung in winzige Bissen, weshalb die Mahlzeiten lange dauern. Sie horten Lebensmittel oder kochen für andere, ohne dass sie selbst am Gemeinschaftsessen groß teilnehmen.

Mangelernährung mit Folgen

Die viel zu geringe Energiezufuhr führt zu einem Defizit an lebenswichtigen Vitalstoffen und damit zu Störungen diverser Körperfunktionen wie z.B.:

  • gestörte Hormonsynthese: Ausfall der Monatsblutung, Libidoverlust
  • Hypotonie (niedriger Blutdruck), bläuliche Verfärbung der Hände, Kältegefühl
  • Hypoglykämie (Unterzucker)
  • Problemen der Haut und ihrer Anhangsgebilde: trockene Haut, brüchige Nägel, Haarausfall, Lanugo-Haare (flaumartige Behaarung) im Gesicht und am Rücken
  • Darmträgheit bzw. Verstopfung
  • Wachstumshemmung im Jugendalter
  • Osteoporose (Knochenschwund), Schäden an Herz, Leber, Niere und Gehirn
  • lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen infolge einer Entgleisung des Elektrolythaushaltes (Kaliumverlust)

Typisch sind außerdem psychische Beeinträchtigungen wie z.B. Gewichtsphobie (panische Angst vor Zunahme), extreme Leistungsorientierung, Perfektionismus, depressive Verstimmung, Missmut, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, soziale Isolation, erhöhte Selbstmordgefahr.

Schwierige Behandlung

Da die Krankheit körperliche und seelische Symptome aufweist, erfordert sie eine – meist mehrjährige – Kombination aus ärztlicher und psychologischer/psychotherapeutischer Behandlung (z.B. Einzel-, Familientherapie), um einen normalen Ernährungszustand wieder herzustellen. Medikamente sind dann notwendig, wenn z.B. Depressionen auftreten oder Mangelzustände (z.B. Elektrolyte) ausgeglichen werden müssen. Bei lebensbedrohlichem Untergewicht bzw. Komplikationen der Anorexie muss eine Einweisung ins Krankenhaus (z.B. zur Ernährung über Sonden) erfolgen. Aber auch dann ist die Magersucht mit einem beträchtlichen Sterberisiko verbunden.

 

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