Adipositas: Fettleibigkeit macht krank

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Zu viel Schlemmerei, zu wenig Bewegung – das nimmt oft ein im wahrsten Sinn des Wortes dickes Ende, das im Fachjargon Adipositas und im Volksmund Fettleibigkeit heißt. Die viel zu vielen Kilos können ästhetisch stören. Viel mehr noch ist die Adipositas aber ein gesundheitliches Problem. Denn mit zunehmendem Gewicht steigt auch das Risiko für diverse Krankheiten. Bis heute einzig verlässliche Mittel dagegen: dauerhaft weniger Kalorien zuführen (= Diät) und mehr Energie verbrauchen (= Sport).

Schlank sein gilt als attraktiv. Noch schlanker anscheinend als noch attraktiver. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Kleidergröße so mancher Schönheit (?) inzwischen unterhalb von “small“ liegt? Doch während Stars und Promis auf immer neue Diäten oder Fitnessgurus schwören, mit deren Hilfe sie laufend dünner werden und damit angeblich unwiderstehlich anziehend und ewig jugendlich bleiben, zeigt sich bei vielen “Normalos“ ein – ebenso beunruhigender – gegensätzlicher Trend. Nämlich der zur Adipositas. Vereinfacht gesagt: wir werden immer dicker.

Normalgewicht – Übergewicht – Fettleibigkeit

Ob man zu viel Speck auf den Rippen hat, verrät der Body-Mass-Index (BMI, Körpermassenindex). Sein Wert ergibt sich, wenn man das Körpergewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der Körpergröße (in Meter) teilt (kg/m²). Oder entsprechende Software nutzt. Demnach entspricht ein BMI

  • von 19 bis 24,9 kg/m² Normalgewicht
  • von 25 bis 29,9 kg/m² Übergewicht (Präadipositas, leichte Adipositas)
  • von 30 bis 39,9 kg/m² einer starken krankhaften Fettleibigkeit (Fettsucht, Adipositas, Obesitas, Obesität, Adipositas Grad I, ab BMI = 35: Adipositas Grad II)
  • ab 40 kg/m² einer sehr starken krankhaften Fettleibigkeit (Adipositas permagna, sehr starke Adipositas, Adipositas Grad III).

Beispiel: eine 170 cm große Frau gilt ab einem Gewicht von 87 kg als adipös. Bringt sie 116 kg oder mehr auf die Waage, liegt eine Adipositas permagna vor.

Wobei neueren Erkenntnissen zufolge das Körpergewicht in höherem Alter minimal mehr sein darf als oben angegeben, um noch als normal zu gelten.

Derzeit kämpfen weltweit rund 300 Millionen mit einer unterschiedlich ausgeprägten Adipositas. Kein Wunder, hat sich doch laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Übergewichtigen in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Unter den Fettleibigen befinden sich nahezu eine Million Österreicher, vor allem im Osten des Landes und mehr Männer/Buben als Frauen/Mädchen.

Wie zu viel Hüftgold entsteht

Fettleibigkeit bedeutet eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper. Ursache ist in der Regel eine zu hohe Energiezufuhr, die dauerhaft den Energieverbrauch übersteigt. Also Schlemmerei (zu viel, zu fett, zu hochkalorisch) gepaart mit Bewegungsarmut. Verbrennt der Organismus überschüssige Energie nicht, lagert er Fett ein für ev. kommende Hungersnöte. Die – zumindest in den Industrienationen – aber ausbleiben. Folge: die Fettspeicher wachsen.

Zudem spielen häufig auch Erbfaktoren (“gute/schlechte Futterverwerter“; allerdings in Verbindung mit ungünstigen Lebensgewohnheiten), seelische Faktoren (z.B. Stress, Frustrationen, Vereinsamung, Depressionen, Essen als Belohnung/Liebesersatz) und ständiger Schlafmangel eine Rolle bei der Entwicklung von zunächst Übergewicht, aus dem nur allzu schnell eine Adipositas wird. Manchmal auch Krankheiten wie eine Schilddrüsenunterfunktion, ein Diabetes, Cushing-Syndrom oder Hirntumore, eine Operation in der Hypothalamusregion, lange Bettlägerigkeit, hormonelle Veränderungen (Schwangerschaft, Wechseljahre) oder Medikamente (z.B. Kortison, Antidepressiva).
Woran viele glauben bzw. worauf sie hoffen, dass sich der “Babyspeck“ auswächst, gehört leider ins Reich der Ammenmärchen. Erfahrungsgemäß nimmt Fettleibigkeit mit dem Alter aufgrund des sich verlangsamenden Stoffwechsels und daher verzögerten Fettabbaus sogar zu.

Rundlichkeit und ihre Folgen

Fettleibigkeit führt zu körperlichen, oft auch seelischen Beschwerden, zu Folgeerkrankungen und damit zu einer beeinträchtigten körperlichen Leistungsfähigkeit, verringerten Lebensqualität und verkürzten Lebenserwartung. So müssen Adipöse etwa rechnen mit

  • Kurzatmigkeit, Lungen- und Atemproblemen wie einem Schlafapnoe-Syndrom (länger als zehn Sekunden anhaltende Atemstillstände im Schlaf, die eine Tagesmüdigkeit verursachen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden erhöhen).
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Beinvenenthrombosen.
  • Problemen mit dem Bewegungsapparat, z.B. Rücken- und Knieschmerzen infolge einer Überlastung und damit Arthrose (Gelenkverschleiß).
  • Stoffwechselstörungen wie einer Hyperlipidämie (zu hohe Blutfette), Fettleber, Hyperurikämie (erhöhte Harnsäure) bzw. Gicht oder einem Diabetes.
  • Gallensteinen, einer Refluxkrankheit oder Struma (Kropf).
  • Karzinomen wie z.B. Dickdarm-, Brust-, Gallenblasen-, Nieren-, Prostata-, Eierstock- oder Gebärmutterkrebs.
  • Hormonstörungen (z.B. verminderte Fruchtbarkeit) oder einem erhöhten Komplikationsrisiko bei Schwangerschaften.
  • vermehrtem Schwitzen, Wundheilungsstörungen, einem erhöhten Operations- und Narkoserisiko.
  • gesellschaftlicher Ausgrenzung, einem beeinträchtigten Selbstwertgefühl, Angststörungen oder Depressionen.

Insbesondere für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems steigt das Risiko vor allem dann, wenn sich zu bauchbetontem Übergewicht ein Bluthochdruck, eine Insulinresistenz/ein Diabetes und Fettstoffwechselstörungen gesellen (metabolisches Syndrom, “tödliches Quartett“).

Apfel oder Birne?

Wie hoch die Gefährdung ist, solche unliebsamen Konsequenzen zu erleben, hängt jedoch nicht nur von der Anzahl der Kilos, sondern auch davon ab, wo das Fett sitzt. Demnach unterscheidet man zwischen einem weiblichen Fettverteilungstyp, wo es sich vorwiegend an den Hüften und Oberschenkeln ansammelt (“Birnenform“) und einem – gesundheitlich ungünstigeren – männlichen Fettverteilungstyp, bei dem sich das Fett vor allem am Stamm bzw. Bauch breitmacht (“Apfelform“).

Gerade eine Bauchfettsucht (abdominale Adipositas) stellt eine Gesundheitsgefahr dar. Denn dabei handelt es sich um sogenanntes viszerales Fett, das sich um die Organe im Bauchraum ablagert. Wo es Stoffwechselvorgänge anregt, die die Entstehung von Zucker- und Fettstoffwechselstörungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern. Ein Mittel zur Einschätzung von überschüssigem viszeralem Fett, d.h. dem Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Leiden ist der Taillenumfang, einfach mit Maßband gemessen an der Stelle, wo der Bauch am dicksten ist. Er sollte bei Männern unter 102 cm und bei Frauen unter 88 cm betragen. Misst man dazu noch den Hüftumfang, ergibt sich die Waist-to-Hip-Ratio (Verhältnis der Körperfettverteilung auf Taille und Hüfte).

Ob ein hoher BMI gesundheitliche Schäden nach sich zieht, darüber mitentscheidet allerdings auch die Volkszugehörigkeit. Hier sind Dunkelhäutige oftmals im Vorteil, Asiaten hingegen leiden häufig schon ab einem BMI von 26 unter Folgeerscheinungen von Übergewicht.

Übergewicht loswerden: drei Säulen

Steckt hinter einer Fettleibigkeit eine Krankheit, muss diese natürlich adäquat behandelt werden. Da aber meistens eine unverhältnismäßig hohe Kalorienzufuhr das Problem verursacht, lauten die zielführenden Maßnahmen zum Abnehmen und zur Behebung oder wenigstens Besserung etwaiger Folgeschäden

  • eine lebenslange Umstellung der Ernährungsgewohnheiten auf eine ausgewogene (bis zum Erreichen des Normalgewichts kalorienreduzierte) Mischkost, am besten unter Zuhilfenahme einer Diätberatung.
  • regelmäßige Bewegung (v.a. gelenkschonender Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking usw.), auch im Alltag (Stiege statt Aufzug etc.). Apropos: ein körperlich fitter Mensch mit höherem BMI dürfte ein geringeres Risiko für Folgeerkrankungen haben als ein Couch potato mit leichtem Übergewicht.
  • eine Psycho- oder Verhaltenstherapie, um das Hunger- und Sättigungsgefühl neu kennenzulernen, Stress abzubauen, ein neues neues Körperbewusstsein zu entwickeln, Problemlösungen und soziale Kompetenzen zu trainieren sowie sich realistische Ziele zu setzen.

Stellt sich trotz dieser Maßnahmen kein zufriedenstellender Gewichtsverlust ein, kommt – zusätzlich – unter bestimmten Bedingungen eine medikamentöse Behandlung der Adipositas (bei einem BMI ≥ 30 kg/m 2 bzw. ≥ 27 kg/ m 2 + gravierende Risikofaktoren und/oder Begleiterkrankungen) in Frage. Etwa mit Orlistat zur Verminderung der Fettaufnahme im Darm, mit Nachteilen wie Fettstühlen, Blähungen und einer reduzierten Aufnahme fettlöslicher Vitamine. Sogenannte Appetitzügler wie Sibutramin oder Rimonabant bilden aufgrund potentieller schwerer Nebenwirkungen keine ratsame Therapieoption mehr.

Oder es findet – ebenfalls nur unter bestimmten Bedingungen (bei einem BMI ≥ 40 bzw. ≥ 35 mit Begleiterkrankungen) als ultima ratio ein – allerdings risikoreicher, weil mit Komplikationen behafteter – chirurgischer Eingriff statt. Und zwar entweder eine Magenverkleinerung (Gastroplastik), ein Magenbypass (Magenverkleinerung & Dünndarmumleitung) oder ein Gastric Banding (Magenband zur Verkleinerung des Mageneingangs). Die Operationen zielen auf eine Verringerung der zuführbaren Nahrungsmenge und/oder verminderte Nährstoffaufnahme ab.

Zur Kontrolle der angestrebten Gewichtsreduktion eignet sich v.a. die Bio-Impedanz-Analyse (BIA), die über die Zusammensetzung des Körpers (Fett, Muskelmasse, Wasser) Auskunft gibt und daher verrät, ob – wie gewünscht – überschüssiges Fett oder – unvorteilhafterweise – Muskelmasse abgebaut wurde.

 

Weiterführende Links:
BMI-Rechner
Waist-to-Hip-Ratio-Rechner

 

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