Trockenes Auge: was tun?

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Tränen sind mehr als nur eine Ausdrucksform von Gefühlen. Welche wichtigen Funktionen sie haben, zeigt sich, wenn es an (regelrechter) Tränenflüssigkeit mangelt und sich ein „trockenes Auge“ einstellt. Diese Störung namens Sicca-Syndrom verursacht unangenehme Begleiterscheinungen und kostet Lebensqualität. Gegen trockene Augen lässt sich aber einiges tun.

Die ausreichende und gleichmäßige Befeuchtung der Augen bildet eine wichtige Voraussetzung, um beschwerdefrei sehen zu können. Diese Aufgabe gehört der Tränenflüssigkeit. Ist ihre Bildung gestört oder verdunstet sie aufgrund irgendwelcher Umstände zu rasch, wird der Augapfel nicht ausreichend benetzt. In der Folge kommt es zur unangenehmen Augentrockenheit (Sicca-Syndrom; lat.: sicca = trocken) und Reizung oder Entzündung der Horn- und Bindehaut (Keratoconjunctivitis sicca).

Tränenflüssigkeit: mehr als nur Augenwasser

Für die Produktion und Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit zeichnen verschiedene Drüsen an den Lidrändern (Moll- und Zeis-Drüsen), in den Lidern (Meibom- und Wolfring-Drüsen) sowie der Augenhöhle (Tränendrüse) und Bindehaut (Krause-Drüsen) verantwortlich. So entsteht der hauchdünne Tränenfilm, der aus drei Schichten besteht:

  • der äußeren, von den Meibom- und Zeis-Drüsen erzeugten Lipidschicht (Fettschicht), die die Tränenflüssigkeit gleichmäßig verteilt und stabilisiert, sodass sie nicht über die Lidkante läuft und die wässrige Schicht nicht zu schnell verdunstet.
  • der darunterliegenden, von der Tränendrüse und akzessorischen Tränendrüsen (Krause- und Wolfring-Drüsen) gebildeten wässrigen Schicht, die den Hauptteil der Tränenflüssigkeit ausmacht. Sie enthält Wasser, Salze, Proteine, Vitalstoffe, Enzyme und zum Schutz vor Infektionen Antikörper.
  • der von der Horn- und Bindehaut abgesonderten Muzinschicht (Schleimschicht) direkt auf der Augenoberfläche, die Unebenheiten der Hornhaut ausgleicht und dafür sorgt, dass der darüber liegende Flüssigkeitsfilm an der Horn- und Bindehaut haftet.

Die Tränenflüssigkeit, deren Abgabe und Menge durch das vegetative Nervensystem und Hormone geregelt wird und tageszeitlichen Schwankungen unterliegt (abendliches “Sandmännchen“), verteilt sich normalerweise per Lidschlag (“Blinzeln“: üblicherweise 10- und 15-mal pro Minute) gleichmäßig auf dem Auge, sodass sie dessen Oberfläche lückenlos bedeckt. Sie fließt über die Tränenpünktchen (kleine Öffnungen an den inneren Lidkanten) in die ableitenden Tränenwege (Tränenkanälchen, Tränengang) und schließlich in die Nase ab. Ein intakter Tränenfilm gewährleistet, dass

  • die Augenoberfläche feucht gehalten und gereinigt wird.
  • der Augapfel glatt und geschmeidig bleibt, damit die Augenlider darauf reibungslos gleiten.
  • das Auge vor Keimen und Verunreinigungen (Staub, Schmutzpartikel, Pollen) geschützt wird, indem diese ausgeschwemmt werden.
  • die gefäßlose Hornhaut mit Sauerstoff versorgt und ernährt wird.
  • eine ebene Grenzfläche zur Luft besteht, die eine Voraussetzung für gutes Sehen bildet.

Mit fortschreitendem Alter verringert sich die Tränenmenge, bei Frauen aufgrund der Hormonumstellung in den Wechseljahren stärker als bei Männern. Oft steckt aber eine Störung der Lipidschicht mit nachfolgender hoher Verdunstung der Tränenflüssigkeit hinter einem Sicca-Syndrom.

Wie ein trockenes Augen entsteht und wie es sich zeigt

Gerät die Zusammensetzung des Tränenfilms aus dem Gleichgewicht, wird weniger Tränenflüssigkeit als nötig produziert, verdunstet diese im Übermaß oder erfolgen nicht genügend Lidschläge, reißt der Tränenfilm zwischen den Lidschlägen auf und benetzt nicht mehr gleichmäßig das Auge. Dadurch ist die empfindliche Augenoberfläche einem direkten Kontakt mit der Umgebungsluft ausgesetzt und das Risiko für Augeninfektionen steigt. Daraufhin erhöht sich reflexartig die Frequenz der Lidschläge. Reicht diese Reaktion nicht aus, um das Problem zu beheben, entwickelt sich ein sogenanntes trockenes Auge mit Symptomen wie Jucken, Brennen, Rötung und einem Fremdkörpergefühl (“Sand im Auge“). Auch können sich müde Augen, ein Verschwommensehen, Druckgefühl im Auge, eine Sekretbildung mit morgens verklebten Augen, erhöhte Lichtempfindlichkeit und Augenschmerzen oder -tränen bei Einflüssen wie z.B. Luftzug, Tabakrauch etc. einstellen. Manchmal – wenn etwa die Tränenflüssigkeit nicht richtig über den Tränen-Nasen-Kanal ablaufen kann – kommt es zu einem vermehrten Tränenfluss. Nicht oder unzureichend behandelt kann ein trockenes Auge durch Reiben der Lider zu Hornhautschäden (Geschwüre, Narben) und schlimmstenfalls einer verminderten Sehkraft führen.

Ursachen eines Sicca-Syndroms

Das Sicca-Syndrom, das sich inzwischen zu einem Volksleiden entwickelt hat, kann unterschiedliche Ursachen haben, ist aber – außer auf biologische Gegebenheiten wie höheres Alter, eine Schwangerschaft oder die weibliche Menopause – meistens auf äußere Einflüsse zurückzuführen wie

  • Arbeiten am Bildschirm (“Office Eye Syndrome“ = Büroaugen-Syndrom), Spielen am Computer (“Gamer Eye“) oder Fernsehschauen, weil sich durch stundenlanges Starren auf einen Monitor die Lidschlagfrequenz stark reduziert.
  • der Luftzug von Klimaanlagen und Autogebläsen oder trockene Heizungsluft, die den Tränenfilm schneller zum Verdunsten bringen.
  • Tabakrauch, Staub, Gase (z.B. Ozon) oder Dämpfe (z.B. berufliche Exposition).
  • das Tragen von Kontaktlinsen, weil sich darunter die Augenoberfläche erwärmt, wodurch die Tränenflüssigkeit schneller verdunstet.
  • die Einnahme bestimmter Arzneien wie östrogenhaltige Mittel (Antibabypille oder Hormonersatztherapie), Antiallergika, Acetylsalicylsäure, Retinoide, Betablocker, Psychopharmaka, Schlafmittel oder örtlich am Auge angewendete Kortikoide.

Ein Sicca-Syndrom kann sich auch als Begleiterscheinung von Augenleiden entwickeln wie z.B. bei einer unzureichend korrigierten Fehlsichtigkeit, Entzündungen am Auge bzw. Lidrand (Blepharitis marginalis), angeborenen Fehlbildungen mit gestörtem Lidschluss (z.B. veränderte Augapfelform), Verletzungen der Tränendrüsen, Bindehautnarben oder nach Eingriffen an der Hornhaut (z.B. zur Korrektur einer Kurzsichtigkeit). Ebenso bei diversen Krankheiten wie etwa Kollagenosen (z.B. Sjögren-Syndrom, Sklerodermie), Diabetes mellitus, Vitamin-A-Mangel (bei gestörter Aufnahme durch Leber- oder Darmerkrankungen, Extremdiäten oder durch Unterernährung in Entwicklungsländern), Leukämien, Virusinfektionen (z.B. Mumps), Hautleiden (z.B. Rosazea, Schuppenflechte), Allergien, Schilddrüsenerkrankungen, Nervenschädigungen (z.B. Fazialisparese = Gesichtsnervenlähmung, Schlaganfall, Trigeminusneuralgie), rheumatischen Erkrankungen, entzündlichen Gefäßkrankheiten, einem Morbus Parkinson oder einer unausgewogenen Ernährung mit einem Mangel an Omega-3-Fettsäuren.

Dem Sicca-Syndrom auf der Spur

Die Schilderung der Symptome wie Brennen, Jucken oder Rötung der Augen liefert oft schon erste Hinweise auf eine Benetzungsstörung und sollte den Augenarzt dazu veranlassen, außer mit der Spaltlampe die Augenstrukturen zu untersuchen auch die Menge und Zusammensetzung des Tränenfilms zu bestimmen. Mittels Schirmer-Test, bei dem für fünf Minuten ein kleiner Filterpapierstreifen in den Bindehautsack eingelegt und dann abgelesen wird, zu welchem Anteil der Streifen befeuchtet ist, d.h. wie viel Tränenflüssigkeit das Auge absondert (normal: mindestens 15 mm am unbetäubten Auge). Und mittels Beurteilung der Tränenfilmstabilität durch Messung der Tränenfilmaufreißzeit (BUT = Break up time). Hierzu färbt der Augenarzt die Tränenflüssigkeit über Augentropfen mit einem fluoreszierenden Farbstoff (Fluorescein) ein und beurteilt mithilfe der Spaltlampe, wie schnell der Tränenfilm nach einem Lidschlag, d.h. dem Öffnen des Auges aufreißt (normal: mindestens zehn Sekunden).

Trockene Augen behandeln

Soweit möglich sollte am besten der Auslöser der Augentrockenheit beseitigt werden wie z.B. durch

  • das Meiden von Zugluft, Rauch und UV-Licht, häufiges Lüften und Aufenthalte an der frischen Luft.
  • eine durch einen (reinigbaren!) Luftbefeuchter oder feuchte Tücher hergestellte ausreichende Luftfeuchtigkeit in (v.a. beheizten/klimatisierten) Aufenthaltsräumen.
  • die richtige Einstellung der Lüftung im Auto (Strahl des Gebläses darf nicht auf die Augen gerichtet sein) und ein häufiger Wechsel des Filters der Autoklimaanlage.
  • die Behandlung von dem Problem zugrundeliegenden Erkrankungen wie z.B. die operative Korrektur von Lidfehlstellungen.
  • eine Umstellung auf andere Kontaktlinsen oder das ersatzweise Tragen einer Brille.
  • die Einhaltung regelmäßiger Ruhepausen bei Nahbereichsarbeiten (z.B. Feinmechanik, Bildschirm) und Durchführung von Augen-Entspannungsübungen (z.B. bewusstes Blinzeln).
  • ausreichendes Trinken (mindestens zwei Liter pro Tag, am besten Wasser) und Schlafen, Nikotinverzicht, vitaminreiche Kost, ev. Einnahme eines Omega-3 Fettsäuren-Präparates.
  • die Verwendung reizarmer Kosmetika und konsequente Reinigung der Lider und Lidränder.

Zusätzlich oder wenn sich die Ursache nicht abstellen lässt, kommen auf den Schweregrad des trockenen Auges, die individuelle Verträglichkeit und Gewohnheiten (z.B. Kontaktlinsenträger) abgestimmte Tränenersatzmittel (“künstliche Tränen“) zum Einsatz. In Form von Augentropfen oder Augengel (Vorsicht!: längeres Verschwommensehen) mit Inhaltsstoffen wie z.B. Polyvinylalkoholen, Polyvidonen, Cellulose-Derivaten (z.B. Hydroxyethyl-, Carboxymethyl-Cellulose), Carbomeren, Hyaluronsäure, Acetylcystein oder Dexpanthenol. Am besten solche ohne Konservierungsstoffe, weil diese die Trockenheit verstärken, die Augen reizen oder Allergien auslösen können. Oder auf das geschlossene Augenlid aufgesprühte und am Lidrand verteilte Sprays, die Liposomen (Fettkügelchen aus Phospholipiden) enthalten und stundenlang die Lipidschicht stabilisieren. Um die Hornhautoberfläche zu benetzen und so wenigstens die Beschwerden zu lindern. Entzündungsprozesse der Augenoberfläche werden durch entzündungshemmende (z.B. Kortison oder Cyclosporin A enthaltende) Augentropfen oder autologe (aus Eigenblut hergestellte) Serumaugentropfen eingedämmt.

Bei ausgeprägten Beschwerden können die Tränenpünktchen mit kleinen Kunststoffstöpseln (“Punctum Plugs“) auf Zeit oder permanent verschlossen oder per Elektrokauter verödet werden, um die Tränenflüssigkeit am Ablaufen zu hindern und Hornhautschäden zu vermeiden.

 

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