Homöopathie: Ähnliches mit Ähnlichem heilen

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Mit kleinen weißen Kügelchen (Globuli) rückt die Homöopathie diversen Krankheiten und Beschwerden zuleibe. Und gehört damit – allen Unkenrufen der gestrengen Wissenschaft, der es an Verständnis für die Wirkweise der Homöopathie fehlt, zum Trotz – zu den beliebtesten Behandlungsverfahren, gilt sie doch als sanfter als so manche herkömmliche Therapiemerhode. Denn ihr Ziel heißt: die Selbstheilungskräfte aktivieren.

Die vom deutschen Arzt und Schriftsteller Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843), der in einem Selbstversuch mit Chinarinde (frühere Malaria-Arznei) malariatypische Symptome an sich erkannte, begründete Homöopathie (griech. homoios = gleichartig, ähnlich; pathos = Leiden) beruht auf der Annahme, dass Krankheitssymptome Ausdruck von Selbstheilungsversuchen des Körpers sind. Deshalb will die komplementärmedizinische Heilmethode – wissenschaftlich umstritten – Krankheiten mit Wirkstoffen behandeln, die ähnliche Symptome wie die Erkrankung hervorrufen. Um auf diese Art die Selbstheilungskräfte anzuregen. Die Homöopathie versucht also, Gleiches mit Gleichem bzw. Ähnliches mit Ähnlichem (lat.: similia similibus curentur; Simileprinzip) zu heilen.

Die drei Grundpfeiler der Homöopathie

Die Homöopathie, die in Österreich ausschließlich von entsprechend dafür ausgebildeten Ärzten ausgeübt werden darf, fußt auf drei Säulen:

  1. der Ähnlichkeitsregel (Simileprinzip): Eine Krankheit, die sich in bestimmten Beschwerden äußert, ist durch ein Mittel heilbar, das beim Gesunden ähnliche Symptome hervorruft. So wird z.B. die Küchenzwiebel (Allium cepa) gegen Fließschnupfen eingesetzt, weil sie auch bei Gesunden die Nase rinnen lässt.
  2. dem Arzneimittelbild: Dieses umfasst das gesamte Wissen über eine Arznei wie z.B. ihre Botanik, Toxikologie (Giftigkeit), unter welchen Bedingungen sie Symptome bei Gesunden auslöst, u.a.m. Zur Auffindung homöopathisch wirksamer Mittel werden deshalb einzelne Stoffe gesunden Testpersonen verabreicht und die Auswirkungen beobachtet. Unter Berücksichtigung der Lebensumstände der Probanden und Einbeziehung von Erfahrungen mit Erkrankten. Im Idealfall deckt sich ein Arzneimittelbild weitestgehend mit einem Krankheitsbild.
  3. der Herstellung von Potenzen: Potenzierung bedeutet eine Wirkungsverstärkung von aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Stoffen gewonnenen homöopathischen Arzneien durch eine spezielle, in mehreren Stufen ablaufende Verdünnung der Substanzen. Sie werden so stark verdünnt, dass die Ursubstanz auf chemischem Weg in der Verabreichungsform, d.h. den Globuli (Milchzuckerkügelchen), Tropfen oder Tabletten, kaum noch nachweisbar ist.

Zwecks Potenzierung (Dynamisierung, Förderung der Heilkräfte) wird für sogenannte Dezimal-Potenzen (D-Potenzen = 1:10) ein Teil der Ursubstanz mit neun Teilen Alkohol-Wasser-Gemisch verschüttelt bzw. mit Milchzucker verrieben (Potenz D1), davon ein Teil mit weiteren neun Teilen Verdünnungsmittel (Alkohol-Wasser-Gemisch oder Milchzucker) vermischt (Potenz D2 = 1:100; entspricht 1 Teil Ursubstanz auf 99 Teile Lösungsmittel), davon ein Teil mit weiteren neun Teilen Verdünnungsmittel vermischt (Potenz D3 = 1:1000; entspricht 1 Teil Ursubstanz auf 999 Teile Lösungsmittel) usw. Durch das Potenzieren wird der “Informationsgehalt“ der Ursubstanz auf die Trägersubstanz (Alkohol oder Milchzucker) übertragen. Neben Dezimalpotenzen gebräuchlich in der Homöopathie sind auch Centesimal-Potenzen (C-Potenzen, Verdünnung: 1:100) und Quinquaginta-Millesimal-Potenzen (bzw. Q-Potenzen, LM-Potenzen, Verdünnung: 1:50.000). Der ursprüngliche Zweck der Verdünnung war eine Wirkungsabschwächung, weil es nach der Anwendung einiger Homöopathika zu heftigen Reaktionen kam. Die Erfahrung lehrte Hahnemann das Gegenteil: Die Wirkung der verdünnten Mittel verstärkte sich umso mehr, je mehr er sie streckte.

Fachgerechte Homöopathie

Homöopathika kann jeder rezeptfrei in der Apotheke erwerben. Einfach aufs Geratewohl ein paar Globuli schlucken widerspricht jedoch einer seriösen Anwendung der alternativmedizinischen Methode, die – fachkundig ausgeübt – eine ausführliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte), klinische Untersuchung des Patienten, sorgfältige Abklärung der Erkrankung(en), klinische Verlaufskontrolle, ärztliche Gespräche inklusive Aufklärung über andere Behandlungsoptionen, Anwendungsgebiete, Möglichkeiten, aber auch Grenzen der homöopathischen Therapie sowie deren Verlauf umfasst.

Die homöopathische Anamnese unterscheidet sich von der üblicherweise in der Schulmedizin durchgeführten Erhebung der Krankengeschichte hinsichtlich der Ausführlichkeit und damit der Dauer, die – abhängig von der Problematik – auch Stunden betragen kann. Denn dabei erfragt werden nicht nur bestehende und frühere Krankheiten und Beschwerden, eingenommene Medikamente sowie Erkrankungen in der Familie, sondern auch – und zwar empathisch – seelische Befindlichkeiten, die Gemütsverfassung, Ängste, Sorgen, Lebensgewohnheiten, Konstitution, das soziale und berufliche Umfeld, Ernährungsvorlieben und -abneigungen, Schlafgewohnheiten, Lebensgeschichte, Wahrnehmungen u.v.a.m. des Patienten, über den sich der Homöopath ein detailliertes Bild verschaffen will. Denn die Homöopathie betrachtet und behandelt den Menschen als untrennbare Einheit von Körper, Seele und Geist, ist also eine Methode der Ganzheitsmedizin.

Die darauffolgende Arzneifindung (Repertorisation) und -verordnung beruht auf der Ähnlichkeit zwischen Patient und homöopathischem Mittel. Ein oft länger dauernder Prozess, weil es nicht immer sofort gelingt, die passende Arznei (”Simile”) zu finden, vor allem wenn richtungsweisende Informationen vom Patienten fehlen. Nach der Arzneimittelgabe folgen die Beobachtung einer etwaigen Arzneireaktion und genaue Verlaufskontrolle. In weiteren Ordinationen, deren Frequenz sich nach der Art der Erkrankung und der Befindlichkeit des Patienten richtet, werden je nach Bedarf Zwischenanamnesen und oft auch klinische Untersuchungen zur Beurteilung der letzten Arzneiwirkung vorgenommen. Davon hängt die künftige homöopathische Verordnung ab.

Entsprechend dieser notwendigen Abstimmung auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten – weshalb Homöopathen von einer Selbstmedikation abraten – kommt es vor, dass nicht jeder, der die dieselben Symptome zeigt, auch das gleiche homöopathische Mittel erhält. Wobei die klassische Homöopathie immer nur Einzelmittel verwendet und keine “Komplexmittel”, die sich aus mehreren potenzierten Arzneien zusammensetzen und nicht nach homöopathischen Prinzipien, sondern nur nach schulmedizinischen Diagnosen verschrieben werden. Bei sehr schwieriger Repertorisation kann man auf ”Polychretse” zurückgreifen, Einzelmittel mit breitem, auch psychische Symptome umfassendem Wirkungsspektrum.

Kurz nach der erstmaligen Einnahme eines homöopathischen Arzneimittels kann es zu einer vorübergehenden “Erstverschlimmerung“ der Symptome kommen. Das werten Homöopathen als günstiges Zeichen dafür, dass der Organismus auf die Substanz anspricht (d.h. die ihm und seinen Beschwerden ähnlichste Substanz wurde gefunden) und seine Selbstheilungskräfte mobilisiert. Damit Homöopathika ihre bestmögliche Wirkung entfalten, sollten sie

möglichst bald nach dem Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden, 30 Minuten vor oder nach dem Essen.

sofern es sich um Lösungen handelt, unverdünnt oder mit etwas Wasser mit einem Löffel aus Holz, Porzellan oder Kunststoff eingenommen sowie einige Minuten im Mund (unter der Zunge: stärkere Durchblutung fördert die Wirkstoffaufnahme) belassen werden, bevor man sie schluckt.

wenn es Globuli, Tabletten oder pulverförmige Verreibungen sind, unter der Zunge zergehen.

nicht gleichzeitig mit starkem Kräutertee, Schwarztee, Kaffee oder intensiven Gewürze bzw. nach dem Gebrauch von Zahnpasta oder stark desinfizierendem Mundwasser angewendet werden, da sonst die Mundschleimhaut dahingehend verändert wird, dass die Aufnahme der Mittel leidet. Ähnlich können Nikotin sowie Einreibungen und Inhalationen, die starke ätherische Öle enthalten (Pfefferminze, Menthol, Campher, Latschenkiefer), wirken.

Wann Homöopathie hilft

Die Homöopathie gehört zu den sogenannten Regulationsverfahren, die darauf abzielt, die Selbstheilungskräfte des Behandelten zu aktivieren. Das bedeutet, sie eignet sich nur für Krankheitsprozesse, die noch eine gewisse Selbstregulierbarkeit zulassen. Diese Vorgabe eröffnet der Homöopathie – allein oder in Kombination mit anderen Heilmethoden – jedoch ein breites Anwendungsspektrum – von chronischen Erkrankungen wie z.B. Asthma, Rheuma oder Neurodermitis über akute Krankheiten wie z.B. Grippe bis hin zu psychosomatischen Störungen. Wobei Homöopathen im Allgemeinen für chronische Leiden hohe, für akute Krankheiten hingegen niedrige Potenzen wählen.

Eine alleinige homöopathische Behandlung verbietet sich jedoch bei Krankheiten, die die Zufuhr lebenswichtiger Stoffe erfordern (z.B. Insulin bei Diabetes), schweren Infektionskrankheiten, die mit spezifischen Medikamenten zu kurieren sind (z.B. Tuberkulose, Malaria, Geschlechtskrankheiten), schweren bzw. akut lebensbedrohlichen (z.B. Herzinfarkt) Krankheiten und Krebsleiden, bei denen sich die Homöopathie jedoch als patente Zusatztherapie erweist.

Nur Placebos?

Die gestrenge Wissenschaft kann die Wirkung homöopathischer Mittel, die ebenso wie andere Medizinprodukte dem Arzneimittelgesetz unterliegen, nicht hinreichend nachvollziehen. Dennoch schwören die Anwender der Homöopathie und viele Patienten auf die Methode. Was strenge Schulmediziner irritieren mag ist, dass bei homöopathischen Arzneien – anders als bei konventionellen Medikamenten – die Heilanzeigen (Indikationen) nicht vorher festgelegt und in einer Packungsbeilage angeführt, sondern vom Homöopathen individuell bestimmt werden. Und auch ihre Wirksamkeit nicht überprüft wird, weil gemäß dem homöopathischem Prinzip eine einzelne Substanz bei verschiedenen Menschen unterschiedlich wirken kann. Von Hahnemann und seinen Nachfolgern in umfangreichen Versuchsreihen erprobte und festgehaltene Erfahrungen gelten als Grundlage für die Auswahl und Verschreibung geeigneter Homöopathika. Als Entscheidungshilfen stehen Homöopathen sogenannte Repertorien (Nachschlagewerke mit Übersichten) zur Verfügung.

 

Weiterführende Links:
Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin
Homöopathen
Kent: Homöopathisches Repertorium

Link zu unserem Lexikon:
Homöopathische Einzelmittel

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